Wann wird ein Psychologe von der Krankenkasse bezahlt

Viele Traumatisierte, vor allem Betroffene von komplexer PTBS kennen das Problem: die von der Krankenkasse genehmigten Sitzungen sind aufgebraucht und die Kasse weigert sich, weitere Stunden für die Psychotherapie zu bezahlen.

Dann hast du drei Möglichkeiten:

  • Du wechselst die Therapieform (dazu unten mehr),
  • Du wartest zwei Jahre und kannst dann eine neue Psychotherapie bei der Krankenkasse beantragen,
  • Du wirst zum Selbstzahler und bezahlst deine Therapie aus eigener Tasche.

In diesem Artikel erfährst du, welche Umstände dazu führen, dass die von den Krankenkassen bezahlten Sitzungen oftmals nicht ausreichen und was man zu Therapiebeginn beachten sollte, damit man möglichst viele Stunden von der Krankenkasse bezahlt bekommt. Darüber hinaus berichte ich über eine Initiative, die sich dafür einsetzt, dass Traumatisierte die erforderlichen Therapiestunden von den Krankenkassen bezahlt bekommen.

Psychotherapie – das bezahlt die Krankenkasse

Richtlinienverfahren – anerkannte Therapieformen

In Deutschland sind drei Psychotherapieformen von den gesetzlichen Krankenkassen als sogenannte „Richtlinienverfahren“ anerkannt. Nur diese gelten als wissenschaftlich wirksam und wirtschaftlich. Zu den Richtlinienverfahren gehören:

  • die Verhaltenstherapie (VT),
  • die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP),
  • die analytische Psychotherapie (AP), auch „Psychoanalyse (PA)“ genannt.

Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen die Psychotherapie nur, wenn der Psychotherapeut eine Kassenzulassung besitzt und eines der drei Richtlinienverfahren anwendet. Andere Therapieformen werden nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Unabhängig von der Therapiemethode werden Therapien bei Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung grundsätzlich nicht von der Krankenkasse bezahlt. Eine Ausnahme hierzu stellt die Sonderregelung „Kostenerstattungsverfahren“ dar, wenn sich kein Psychotherapeut mit Kassenzulassung finden lässt (zum Beispiel in ländlichen Gegenden).

Genehmigte Therapiestunden

Die Anzahl der von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Sitzungen ist abhängig von der Therapieform. Folgende Stundenkontingente werden von den Krankenkassen gewährt:

  • Verhaltenstherapie: 60 Stunden, maximal 80 Stunden inklusive Verlängerung (muss beantragt werden)
  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie: 60 Stunden, maximal 100 Stunden inklusive Verlängerung
  • Analytische Psychotherapie: 160 Stunden, maximal 300 Stunden inklusive Verlängerung

Was du bei der Suche nach einem Psychotherapeuten beachten solltest

Alle drei Therapieformen werden von Traumatherapeuten anwendet. Aus diesem Grund ist es ratsam, sich während der Therapeutensuche bei den Therapeuten zu erkundigen, nach welcher Therapieform sie bei den Krankenkassen abrechnen. Rechnen diese zum Beispiel Verhaltenstherapie ab, so wird die Krankenkasse maximal 80 Sitzungen bezahlen. Bei einem Psychotherapeuten, der analytische Psychotherapie abrechnet, sind es maximal 300. Findest du also einen Traumatherapeuten, der analytische Psychotherapie abrechnet, bezahlt dir die Krankenkasse bis zu fast viermal so viele Sitzungen wie bei einer Verhaltenstherapie.

Das paradoxe daran: es ist egal, welche Therapiemethoden der jeweilige Therapeut bei dir anwendet. So können ein analytischer Psychotherapeut und ein Verhaltenstherapeut die gleichen Techniken der Traumatherapie anwenden, dennoch gewähren die Krankenkassen unterschiedliche Stundenkontingente.

Wechsel der Therapieform

Falls deine Therapiestunden aufgebraucht sind, hast du die Möglichkeit, die Therapieform (nach Richtlinienverfahren) zu wechseln. Wenn du zum Beispiel bisher eine Verhaltenstherapie gemacht hast und die 80 Maximalstunden erreicht sind, kannst du beispielsweise zu einem Psychotherapeuten wechseln, der die analytische Psychotherapie abrechnet. Die Krankenkasse könnte dir dann 160-300 neue Stunden genehmigen.

Wechselst du die Therapieform, so ist für die neue Therapie ein Antrag bei der Krankenkasse zu stellen. Dieses übernimmt in der Regel der (neue) Therapeut für dich.

Gerade bei Traumatisierten stellt der Wechsel des Psychotherapeuten jedoch eine große Belastung dar. Mit dem neuen Therapeuten muss erstmal eine Vertrauensbasis hergestellt werden, um am Trauma weiter arbeiten zu können.

Private Krankenkassen und Zusatzversicherungen

Private Krankenkassen besitzen eigene Vorgaben, nach denen sie die Kosten für eine Psychotherapie übernehmen oder nicht. Diese sind von Krankenkasse zu Krankenkasse verschieden. Solltest du privat versichert sein, so ist es ratsam, dass du dich bei deiner Kasse erkundigst, welche Kosten übernommen werden.

Es gibt zahlreiche Zusatzversicherungen, die weitere Therapieleistungen (z.B. Heilpraktiker-Leistungen) abdecken. Oftmals besteht jedoch eine Sperrfrist nach Abschluss der Versicherung, das heißt man muss erst einige Zeit warten, bevor man die Leistungen der Zusatzversicherung in Anspruch nehmen kann.

Initiative Phoenix – Traumatisierte müssen bessere Behandlungsbedingungen bekommen

Im Jahr 2010 beschloss eine Betroffene, „laut zu werden“, da sie empört über die schlechte Versorgungssituation für Traumatisierte war. Sie schrieb einen offenen Brief, der unter anderem an die Presse und die Politik gerichtet war, mit dem Aufruf, dass sich die Behandlung für Patienten mit komplexer PTBS verbessern müsse. Der Brief stieß auf sehr große Resonanz. Aus dem Brief wurde dann die Initiative Phoenix.

Die Initiative Phoenix fordert die Ergänzung der Psychotherapie-Richtlinie durch den gemeinsamen Bundesausschuss um einen Behandlungsrahmen für komplexe Traumafolgestörugen. Die bisher anerkannten drei Therapieformen (siehe oben) werden den Anforderungen komplex traumatisierter Patienten nicht gerecht. Betroffene sollten eine angemessene Behandlung und ein vielfaches der heute bestehenden Kontingente erhalten.

Mittlerweile wird die Initiative Phoenix auch von vielen Psychotherapeuten unterstützt. Die „prominenteste“ Unterstützerin dürfte Michaela Huber sein, eine anerkannte Fachfrau im Bereich Trauma.

Deine Stimme zählt!

Auch du kannst die Initiative Phoenix mit deiner Stimme unterstützen. Es gibt eine Petition, die aktuell (Stand September 2019) von fast 6.500 Menschen unterschrieben wurde.

Was muss ich tun um eine Therapie zu bekommen?

Man kann sich für einen Termin direkt an eine Praxis oder an die zuständige Kassenärztliche Vereinigung wenden. Eine ärztliche Überweisung oder ein Antrag bei der Krankenkasse ist nicht erforderlich. Vor Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung soll in der Regel eine solche Sprechstunde stattfinden.

Wie viele Therapiestunden zahlt die Krankenkasse Österreich?

Bei einer teilweisen Kostenübernahme sollten Sie folgende Dinge beachten: Es können maximal 50 weitere Therapiestunden beantragt werden. Danach können Sie um 50 weitere ansuchen. Eine Obergrenze gibt es nicht, Sie müssen lediglich nach 50 Stunden einen neuen Antrag stellen.

Wie oft geht man in der Regel zum Psychologen?

Generell sollte die Behandlung drei Sitzungen pro Woche nicht überschreiten. Üblich sind ein bis zwei Termine. Eine Sitzung ist 50 Minuten lang. Die Verhaltenstherapie und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sind schon als Kurzzeittherapie mit 25 Stunden möglich.

Was ist der Unterschied zwischen einem Psychiater und einem Psychotherapeuten?

Psychiater haben ein Medizinstudium sowie eine entsprechende Facharztausbildung abgeschlossen. Sie sind Ärzte, dürfen Patienten behandeln und Medikamente verschreiben. Psychologen sind Wissenschaftler. Sie haben Psychologie studiert und befassen sich mit dem Lernen und Verhalten von Menschen.