Bgh urteil vom 27 april 2022

Am 27.04.2021 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass bestimmte, in der Kreditwirtschaft weit verbreitete Klauseln zur einseitigen Vertragsänderung unwirksam sind. Wie die Banken darauf reagieren lesen Sie hier.

Bgh urteil vom 27 april 2022

Foto:

Fotolia / v.poth

Off

Die beklagte Postbank hatte über Vertragsänderungen lediglich informiert und eine fehlende Ablehnung der angekündigten Vertragsänderung als Zustimmung gewertet. Die Entscheidung gegen die Postbank hat Auswirkungen auf die Praxis nahezu aller Banken, da solche Klauseln flächendeckend verwendet wurden. Betroffene Verbraucher:innen können nun Geld von ihrer Bank zurückfordern. Doch die Rückerstattung läuft nicht immer reibungslos: Viele meldeten sich in den letzten Monaten bei uns und berichteten von den unterschiedlichen Versuchen der Banken, sie von der Durchsetzung berechtigter Rückzahlungsansprüche abzuhalten. Wir haben eine Übersicht der Reaktionen zusammengestellt und geben Tipps, wie Verbraucher:innen damit umgehen können. In vier Fällen haben wir rechtliche Schritte eingeleitet.

Einige Banken haben sich an ihre Kunden gewandt und zu Unrecht erhobene Entgelte zurückerstattet. Allerdings haben sie wie selbstverständlich nur Entgelte aus den letzten drei Jahren erstattet, obwohl möglicherweise die Ansprüche auch weiter zurückreichen. Und sie haben die Kundinnen und Kunden im Unklaren darüber gelassen, wie sich die Erstattung berechnet.

Wenn Kundinnen und Kunden ihre konkreten Rückerstattungsansprüche geltend machen, haben wir folgende Reaktionen beobachtet:

Kündigung bzw. Kündigungsandrohung

Geldinstitute drohen mit einer Kündigung des Girokontos für den Fall, dass Verbraucher:innen die ihnen nach dem Urteil zustehenden Rückzahlungsansprüche durchsetzen wollen.

Unsere Meinung: Die ist ein dreister und unseres Erachtens rechtswidriger Versuch, Sie davon abzuhalten, Ihre Rechte durchzusetzen. Wir haben in einem Fall rechtliche Schritte eingeleitet. Lassen Sie sich nicht einschüchtern! Rechnen Sie aber auch damit, dass ihnen tatsächlich gekündigt wird.

Hinhalten bzw. Nichtreagieren

Manche Geldinstitute halten ihre Kundinnen und Kunden hin. Sie reagieren nicht auf die Erstattungsforderung oder teilen mit, sie würden die Rückzahlung in Kürze leisten, was dann aber nicht passiert. Oder sie reagieren erst, wenn Verbraucher:innen die Schlichtungsstelle einschalten.

Unsere Meinung: Das ist inakzeptabel und möglicherweise auch wettbewerbswidrig. Sie müssen sich das nicht gefallen lassen.

Ablehnen

Berechtigte Erstattungsansprüche werden mit fragwürdigen Begründungen abgelehnt. Es wird beispielsweise ein BGH Urteil zu Energielieferverträgen bemüht.

Unsere Meinung: Das Urteil aus dem Beispiel ist nicht auf Girokontoverträge anwendbar. Das sehen auch zwei Schlichtungsstellen so. Aber Rechtssicherheit wird wohl nur ein weiteres Urteil bringen, mit dem bereits im nächsten Jahr zu rechnen ist.

Verjährung einreden

Einige Anbieter behaupten, die Ansprüche auf Erstattung von rechtswidrig bezahlten Entgelten, die länger als drei Jahre zurückliegen (also vor 2018 bezahlt wurden), seien verjährt.

Unsere Meinung: Wir sind der Auffassung, dass die Ansprüche nicht verjährt sind. Eine höchstrichterliche Entscheidung dazu steht aber noch aus.

Viele Banken sind auf ihre Kundinnen und Kunden zugegangen, allerdings nicht um Gebühren zu erstatten, sondern um nachträglich eine Zustimmung für die in der Vergangenheit ausgesprochenen Preis- und Vertragsänderungen zu erhalten. Dabei haben wir folgende Verhaltensweisen beobachtet:

Zustimmung, sonst droht Kündigung der Geschäftsbeziehung

Kundinnen und Kunden werden aufgefordert, allen Bedingungen zuzustimmen. Die Bank will die Geschäftsbeziehung nur fortsetzen, wenn Kunden die aktuellen Bedingungen akzeptieren.

Unsere Meinung: Lassen Sie sich nicht verunsichern! Der Rückzahlungsanspruch ist unabhängig davon, inwieweit der Vertrag mit der Bank künftig fortgesetzt wird.

Zustimmung nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit

Kundinnen und Kunden werden aufgefordert, allen Bedingungen nicht nur für die Zukunft zuzustimmen, sondern zugleich auch rückwirkend.

Unsere Meinung: Darauf müssen Sie sich nicht einlassen. Sie können auch nur mit Wirkung für die Zukunft zustimmen. Streichen Sie ggf. einfach den Zusatz „und für die Vergangenheit“, wenn Sie ein Formular unterschreiben sollen.

Beliebige Kontobewegung wird als Zustimmung gewertet

Banken behaupten, dass eine einfache Ein- oder Auszahlung oder eine Überweisung als Zustimmung zu den neuen Vertragsbedingungen gewertet wird. Wer also nach einer zweimonatigen Bedenkzeit sein Konto nutzt, soll damit eine Zustimmung erteilt haben (sogenannte Zustimmungsfiktion).

Unsere Meinung: Wir halten das Vorgehen für rechtswidrig und haben rechtliche Schritte eingeleitet. Sie können darauf verweisen, dass Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungswert hat. Genau darauf hat ja der BGH in seinem Urteil hingewiesen.

Intransparente Information über neue Bedingungen

Einige Geldinstitute versenden umfangreiche Vertragsunterlagen und fordern ihre Kundinnen und Kunden dazu auf, diese neuen Bedingungen per Unterschrift zu akzeptieren. Aus den Unterlagen geht aber nicht transparent hervor, was genau sich überhaupt in Zukunft ändern soll.

Unsere Meinung: Transparente Information geht anders. Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie so ein Verhalten hinnehmen möchten. Letztlich bleibt nur die Möglichkeit, alte und neue Bedingungen miteinander zu vergleichen.

Pauschale Abfindungen

Einige Banken bieten ihren Kundinnen und Kunden die Erstattung eines pauschalen Betrages an. Wer die Zahlung annimmt, muss aber auf alle weiteren Ansprüche verzichten.

Unsere Meinung: Es ist für Sie nicht nachvollziehbar, ob das ein faires Angebot ist oder nicht. Fordern Sie die Bank auf, Sie genau zu informieren. Dazu können Sie unseren Musterbrief nutzen. Die Chancen stehen gut, dass Ihr tatsächlicher Anspruch höher ist als die angebotene Abfindung.

Zeitdruck

Durch Befristung von Abfindungsangeboten erhöhen manche Banken den Druck auf ihre Kundinnen und Kunden. Damit wollen sie verhindern, dass diese höhere Rückerstattungs-ansprüche geltend machen.

Unsere Meinung: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, überprüfen Sie das Angebot in Ruhe!

Aufrechnung

Einige Geldinstitute leiten aus dem BGH Urteil eigene Ansprüche gegen ihre Kundinnen und Kunden ab. Sie behaupten, dass bestimmte Gebührensenkungen in der Vergangenheit nun auch unwirksam seien. Diese vermeintlichen Ansprüche rechnen sie mit dem Anspruch der Kundinnen und Kunden wegen unwirksamer Preiserhöhungen auf.

Unsere Meinung: Das ist unzulässig. Die Bank darf sich nicht auf die Unwirksamkeit dieser von ihr selbst eingeführten Geschäftsbedingung berufen. Sie kann also nicht aufrechnen, weil sie selbst keinen Anspruch hat.