Wer ist paul du darfst

Jeden Tag sind sie im Fernsehen zu sehen. Nur kaum einer weiß, wer sich hinter den bekannten Rollen von Fernsehwerbungen verbirgt. Die Auflösung bringt so manche Überraschung mit sich.

Da wäre zum Beispiel Familienvater Paul aus der Werbung der Internet-Vergleichsplattform Check24. Er erfüllt aller Kriterien, die Produzenten für eine gute Werbung aufstellen. Paul verfügt über keine Modelmaße – was zur Identifikation mit der Figur beitragen soll. Fast schon Kultstatus genießt Pauls Tanz zum Lied „Gonna make you sweat (Everbody dance now)“ in der Check-24-Werbung. Seine gekonnten Tanzschritte bleiben im Gedächtnis, das Kultlied sowieso.

Wer ist paul du darfst

Bekannte Rollen, unbekannte Darsteller: Der Brite Simon Hibbs spielt Paul aus der Werbung von Check 24.

Aber nun kommt es: Paul heißt im wirklichen Leben Simon. Und spricht kein Wort Deutsch. Hinter der Werbefigur steckt der britische Schauspieler Simon Hibbs, der in Filmen wie „Per Anhalter durch die Galaxis“ kleine Nebenrollen spielt. Für die Werbespots wird er synchronisiert. Dafür kann er tanzen: Er ist gelernter Balletttänzer.

Kein Einzelfall in der Werbebranche und durchaus gewollt. Werden Rollen in Werbespots mit bekannten Schauspielern besetzt, besteht die Gefahr, dass man den Spot sofort mit dem Film oder der Serie in Verbindung bringt, mit der der Schauspieler berühmt wurde. Aber nicht mit dem eigentlichen Werbeprodukt. Diese Gefahr wird mit in Deutschland unbekannten Gesichtern gebannt.

Wer ist paul du darfst

Arthur Nightingale war der Großvater aus der bekannten Edeka-Weihnachtswerbung 2015.

Weiteres Beispiel dafür ist die berühmte Figur des Großvaters aus dem Edeka-Weihnachtsspot Heimkommen. Vor zwei Jahren rührte die Werbung um einen alten Mann, der seinen Tod vortäuscht, um seine Familie an Weihnachten zu vereinen, Millionen Fernsehzuschauer. Doch wer glaubt, dass hinter dem Großvater ein deutscher Schauspieler steckt, irrt. Es handelt sich um den Briten Arthur Nightingale. In seiner Heimat ergatterte er zuvor nur kleinere Rollen.

Doch dank der Werbung kam die Wende: „Es hagelt Anfragen“, erklärte seine Agentin Anita Alraun auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung, nachdem die Werbung ein so großer Erfolg 2015 wurde. Inzwischen spielt der heute 86-jährige Nightingale in der Netflix-Serie „The Crown“ mit.

Und wer ist die hübsche, blonde Frau aus den aktuellen Ikea-Spots? Wieder keine deutsche Darstellerin. Celie Sparre (29) heißt die schwedische Schauspielerin, die die Rolle der sympathischen Smilla übernommen hat. In Schweden ist sie ein bekannter Fernsehstar, glücklich verlobt und nach Informationen der Bild-Zeitung Mutter einer zweijährigen Tochter.

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Paul, für alle Männer und andere unter diätmachenden Damen Leidenden, war Mitglied einer Kampagne der Vermeintlich-nicht-fett-Marke Du Darfst! von Unilever. Paul war der Inbegriff des Mannes, auf den Frauen pfiffen, die endlich mal Voll-Spaghetti an Vollwurst an Schokolade an Vollfetthaxe mampfen wollten. Die Muster-Frau mit dem kleinen, feinen Polster hüftseitig signalisiert: Mir egal, was Paul sagt, ich schlemme mein Müsli. Ich genieße den Trockenkeks. Ich beiße herzhaft in die Magerwurst. Ich zuzzele gerne Watte aus, die einer in 0,1-Fett-Milch getränkt hat. Her mit diesen Frauen, und: Nette Idee, das mit Paul.

Paul war eine Ikone der Werbewelt von Ich will so bleiben wie ich bin. Du darfst! beschreibt diese Kampagne so: Selbstbewusst starten Frauen ins neue Jahrtausend. Die „Wer ist eigentlich Paul?“- Werbekampagne wird zum vollen Erfolg. Fremdbestimmung durch männliche oder gesellschaftliche Rollenerwartung sind endgültig passé. Kalorienzählen war gestern. 

Heute sagt Du darfst!: Schluss mit lästigen und frustrierenden Diäten – genieße dein Leben, genieße dein Essen … (auch Jahre, nachdem die Muster-Du-Darfst!-Frau Paul längst vergessen hat, der sich zwischenzeitlich in Reha bei den Weight Watchers befindet).

Der Spruch dazu ist indes drastischer: Fuck the Diet! ist das neue Motto von Unilever, von Montag an auch wohl im Fernsehen zu besichtigen. Wer schon mal vorab hineinschauen will, tue es hier. Ob das nun gut ist oder schlecht, ob das anständig ist oder nicht, ob das nur eine Provokation ist oder nicht, ob junge Mütter (die mit den kleinen Polstern hüftseitig!) beim Frühstück dem Sechsjährigen erklären müssen, was das heißt, und der Pubertierenden erläutern wollen, warum die so nicht reden darf, aber das Wort auf den Tisch liegt in Grün und Rot … Das zu werten, ist nicht Sache von deutschmeisterei.de. Wenngleich es mir, ehrlich gesagt, schwer fällt, die Chose zu goutieren. Also …

… fuck the Campaign!

Wer ist paul du darfst
Stimmt das? Stimmt Fuck the Campaign!? Ich habe keine Ahnung, ob campaign Kampagne heißt. Ich habe es auch nicht überprüft, ich will es auch nicht überprüfen.

Aber ich habe mal überprüft, ob diet tatsächlich Diät heißt. Und das, was Sie links sehen, kam dabei heraus. There’s nothing wrong with my diet – meine Ernährung ist vollkommen in Ordnung – to put somebody on a diet/special diet – jemandem eine Schlankheitskur verordnen.

Aber eigentlich, eigentlich heißt diet nun mal Nahrung/Ernährung, special diet ist die Schlankheitskur. Da haben die Macher des Spruchs schon mal gepatzt.

Und dann gleich noch einmal: Seit wann, bitteschön, schreibt man im Englischen etwas groß, das nicht am Satzanfang steht oder ein Name ist? Noch mal hinschauen – da muss deutlich ein Buchstabe verschlankt werden …

Put the capital letter D and the whole campaign on a special diet!

Nachtrag, 10:30 Uhr: Du darfst meldet sich zu Wort und sagt dies: … wir haben eure zahlreichen Kommentare gelesen und bemerkt, dass unser neuer TV-Spot einige von euch irritiert und verärgert hat. Gerne möchten wir euch daher erklären, wieso wir uns bewusst für die Wortwahl „Fuck the Diet“ entschieden haben. Wir wissen, dass die Gedanken bei vielen Frauen häufig um Kalorien und Gewicht kreisen – richtig glücklich macht das nicht! Das kennt ihr doch sicherlich auch? Und deshalb möchte Du darfst sich gegen den Diätenwahn stark machen. Dafür haben wir bewusst diese etwas drastischere Wortwahl gewählt, um eine Diskussion rund um das Thema Diäten anzustoßen. Wir verstehen „Fuck the Diet“ als emotionalen Ausdruck einer Einstellung, von der wir glauben, dass sie von einer Menge Frauen insgeheim herbeigewünscht wird. Natürlich haben wir im Vorfeld mit ganz vielen Frauen jeden Alters über das Thema gesprochen und ihnen auch unseren Werbespot gezeigt – und viel Zustimmung erhalten. Das hat uns darin bestärkt, diesen mutigen Weg zu gehen und auch Kritik einzustecken. Zu jeder Diskussion gehören schließlich unterschiedliche Meinungen und das finden wir ok.