Welche Arten von Genies gibt es?

Das Genie, als der aus sich selbst heraus schaffende autonome Künstler - das ist das Thema des Genie-Gedankens der Sturm-und-Drang-Epoche und dieser Arbeit. Nicht ohne Grund hat die literarische Epoche den Beinamen ’Geniezeit’ bekommen: Das Genie ist des Sturm und Drangs liebstes Thema. Der Begriff des Genies war in dieser Zeit keineswegs neu, doch hatte sich die in der Sturm und Drang gängige Bedeutung erst seit dem 16. Jahrhundert langsam herauskristallisiert. Um 1770 kommt es zu einem Umschwung im Genie-Gedanken, der für die Nachwelt von großer Bedeutung sein sollte. Die junge revolutionäre Generation der Stürmer und Dränger kämpft hier gegen alte Autoritäten der Antike, die von den Aufklärern übernommen wurden. In der Genie-Ästhetik setzt man sich für die Autonomie und regellose Entfaltungsfreiheit des Künstlers, aber auch des menschlichen Ichs im allgemeinen ein. Das Genie ist dabei der Künstler, der sich mit überragender Geisteskraft vollkommen und subjektiv, ohne Orientierung an traditionellen Normen oder Regeln, in seinem Kunstwerk verwirklicht. Im 18. Jahrhundert erreicht der Genie-Begriff seinen Höhepunkt, der auf der einen Seite von einem gesteigerten Gefühlsleben, vertreten durch die Stürmer und Dränger, auf der anderen Seite von dem gesteigerten Vernunftsgedanken der Aufklärer und Rationalisten, geprägt ist.

In dem theoretischen Teil dieser Arbeit wird anfänglich auf den Genie-Begriff der Aufklärung eingegangen, um so besser verdeutlichen zu können, was sich im Sturm und Drang daraufhin veränderte. Ausgehend von den theoretischen Grundlagentexten Herders, Goethes und zum Teil Youngs werden dann die Fragen ”Was ist Genie im Sturm und Drang” "Was ist Genie?" "Was ist es nicht?" und "Wie soll man ein Kunstwerk eines Genies verstehen?" analysiert[1]. Diese Fragen sind nötig, um verstehen zu können, warum das Genie im Sturm und Drang eine solche Sonderstellung einnahm.

Allerdings sollte auch die praktische Seite der Genie-Ästhetik nicht vergessen werden. Im zweiten Hauptteil der Aufgabe wird die Hymne ’Prometheus’ von Goethe einer Analyse unterzogen, um so deutlich zu machen, wie sich diese Ästhetik in der Dichtkunst verwirklicht hat. Die Grundlage für diese Analyse bilden die aus dem theoretischen Teil herausgearbeiteten Charakteristiken eines Genies.

Durch die eingeschränkte Seitenzahl dieser Aufgabe wird so nicht auf die äußeren Umstände, wie Gesellschaftszustände oder Politik, der Zeit eingegangen, die für den Umschwung in der Ästhetik sorgten. Im Mittelpunkt der Arbeit das Genieparadigma und dessen Merkmale.

2. Erster Hauptteil: theoretische Gedanken über das Genie

2.1. Der Genie-Gedanke vor dem Sturm und Drang:

Der Geniebegriff wurde nicht von den Stürmern und Drängern erfunden. Das Wort entstammt der griechischen Wurzel – gen-, welches ’erzeugen’ bedeutet, und wurde später aus dem lateinischen genius und ingenium hergeleitet. Hier bedeutet der Begriff zunächst ’Schutzgott’ oder ’Schutzgeist’[2]. In der frühen Neuzeit bekommt der Begriff im Französischen und Englischen seine Bedeutung als Talent oder Natur[3] und breitet sich schließlich auch in der ästhetischen Diskussion des achtzehnten Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum aus. Wird im Sturm und Drang in theoretischen Schriften der Begriff des Genies analysiert oder disputiert, geht in den meisten Fällen um die Frage, inwiefern ein Künstler ein autonomes Kunstwerk schaffen kann.

In der Aufklärung, der Epoche vor dem Sturm und Drang, wurde der Genie-Gedanke indirekt[4] von wichtigen Denkern aufgegriffen und weiterentwickelt. Einer von den bedeutendsten war Johann Christoph Gottsched.

Gottsched war den Stürmern und Drängern ein Dorn im Auge und galt für viele als Gegenrepräsentant der jungen Generation. Auch er war in jüngeren Jahren ein Vorkämpfer einer – zu dem Zeitpunkt – revolutionären Ästhetik gewesen – für die Aufklärung wider die Barockliteratur. In seinem Hauptwerk, das 1730 erschienene ”Versuch einer Critischen Dichtkunst”, gibt er der Ästhetik der Aufklärung wichtige Ansatzpunkte. In diesem Schreiben erkennt er die Natur als Grundlage des Dichtertums an: Sie soll dem Künstler als Inspiration dienen. Allerdings ist für Gottsched – ganz im Geiste der Aufklärung – die Natur nichts anderes als ”ein anschaulich gewordenes Regelsystem[5] ”, das von der Ratio erkundbar und erkennbar ist. Im aufklärerischen Verstand bedeutet dies, dass der Künstler die Ordnung der Natur mit Anwendung der Vernunft erkennen kann. Nur wenn er seine Vernunft einsetzt, kann er die Natur ”entschlüsseln” und so die Ordnung, die von der Natur gegeben ist, in seinem Kunstwerk nachahmen, um so die Schöpfung Gottes zu reproduzieren. In diesem Prozess waren allerdings Fantasie, schöpferische Freiheit und alles Individuelle nicht erwünscht. Das der Vernunft untergeordnete Regelsystem Gottscheds besteht aus Sammlungen von Regeln und praktischen Hinweisen zum Schreiben von Dichtkunst, sowie festen Maßstäbe zu der Beurteilung literarischer Werke. Diese regeln sieht er in der französischen Literatur des 17. Jahrhunderts verwirklicht, die sich mit Strenge auf das aristotelische Regelsystem stützt - und so fordert er von der deutschen literarischen Zunft, sich nach diesem Vorbild zu richten.[6]

2.2. Shakespeare

Der Wandel von diesem Regelsystem zu der von den Stürmern und Drängern verteidigten Genie-Ästhetik vollzog sich mit dem Entdecken Shakespeares in dem deutschsprachigen Raum[7]. Erste Übersetzungen hatten eine große Diskussion über seine Werke und über den Schriftsteller selbst ins Rollen gebracht. Unter denen, die Shakespeares Werke ablehnten, war auch Gottsched. Besonders kritisierte er in Shakespeares Werken die ”Unordnung und Unwahrscheinlichkeit”[8]. Diese entstand zufolge Gottsched unter anderem dadurch, dass Shakespeare die Aristotelische Regelpoetik[9] nicht beachte. Allerdings wurden die Stimmen derjenigen, die Shakespeare für gerade dies verehrten, immer mehr. Unter anderem sprachen sich Johann Bodmer und Friedrich Nicolai für Shakespeares freien Stil aus. Somit macht die Genie-Ästhetik ihre ersten Schritte und zugleich wird Shakespeare als Inbegriff eines Genies übernommen.

Diese Idee von Shakespeare als Genie war nämlich keine Erfindung der anfangenden Sturm und Drang Genie-Ästhetik. Im englischsprachigen Raum hatte die Diskussion um Shakespeare und dessen Genialität schon seit einiger Zeit zu regen Diskussionen geführt: Vor allem Edward Young, der Herder und Goethe stark beeinflusste[10], ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Das von Young 1759 veröffentlichte ”Gedanken über die Originalwerke” trug zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Geniebegriff in ganz Europa bei[11]. Young schreibt über das Genie: ”Ein männliches Genie kommt aus der Hand der Natur, wie die Pallas aus dem Haupte des Zeus, in völliger Größe und Reife. Von dieser Art war das Genie des Shakespeare.”[12] Young zufolge ist das (männliche) Genie von Anfang an naturhaft in sich vollendet und braucht sich auch deshalb nicht nach den Regeln der Gelehrsamkeit zu richten: ”Das Genie kann uns in der Composition ohne die Regeln der Gelehrsamkeit in Ordnung bringen, so wie das Gewissen uns in dem Leben, ohne die Gesetze des Landes in Ordnung bringt.”[13] Mit diesem und weiteren Beispielen versucht Young in seinem Schreiben zu beweisen, dass das Genie am besten frei von Regeln und Zwängen schafft. Beispielhaft ist für ihn Shakespeare, dessen Größe die Unabhängigkeit und sein originales Wesen ist, aus dem er ohne auferlegte Normen sein vollkommenes Werk schafft[14], welches als ’Original’ gilt . Dieses ’Original’ ist als Neues und Ursprüngliches der Wiederholung mittels Regeln und normativen Poetiken entgegengesetzt. Allerdings ist Young gedanklich nicht auf die Stufe der Stürmer und Dränger zu stellen: Young feiert zwar das Genie als göttlich - ”Das Genie ist Gott in uns”[15] -, allerdings ist für ihn nur die Nachahmung anderer Autoren verwerflich; nicht so die Nachahmung der Natur im Sinne des Ordnungsprinzips von Gottsched und der Aufklärung, womit das Genie an die göttliche Eingebung gebunden bleibt und somit dem Göttlichen auch weiter untergeordnet ist. Darüber hinaus spielt auch die für die Stürmer und Dränger einen besonderen Stellenwert einnehmende Individualität in der Youngschen Gedankenwelt keine große Rolle.[16]

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[1] Neben Herder und Goethe haben noch dutzende andere wichtige Denker mit Genie-Gedanken befasst: Unter den wichtigsten sind Hamann, Klopstock und Lavater. Aus Platzgründen begrenzt sich diese Arbeit auf Herder und Goethe.

[2] Rosenthal: Der Geniebegriff des Aufklärunszeitalters, S. 16

[3] Karthaus: Sturm und Drang, S. 221

[4] Oftmals wurde der Begriff Genie nicht angewendet. Aufklärer, wie Gottsched, versuchten den Begriff zu vermeiden. Vgl: Huber: Kreativität und Genie in der Literatur, S. 215

[5] Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens Band 1, S. 32

[6] ebenda: S. 31-47

[7] Karthaus: Sturm und Drang, S. 60

[8] Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens Band 1, S. 158

[9] Die Hauptforderungen der traditionellen Regeln für die Dichtkunst waren: Lehre der drei Einheiten und scharfe Trennung der dramatischen Gattungen Komödie und Tragödie. Dazu kamen die Natürlichkeits-Forderung der Aufklärer, siehe Unglaub: Der edle Wilde im ’Sturm und Drang’, S. 80

[10] Vgl. hierzu: Willems: Zur Funktion der Genieästhetik, S. 24 und Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens Band 1, S. 79

Was sind die Genien?

Der Begriff Genien (Plural von lat. Genius) stammt aus der römischen Mythologie. Er bezeichnet übernatürliche Schutzgeister, die für den alltäglichen Schutz der Menschen verantwortlich sind. Gleichzeitig können sie für die Personifizierung des menschlichen Willens stehen.

Wer gilt als Genie?

Der durchschnittliche IQ beträgt zwischen 90 und 110. Wer auf 130 und mehr kommt, gilt allgemein als hochbegabt. Wer einen IQ von über 150 hat, wird als "Genie" bezeichnet. Einen solch hohen Wert findet man nur einmal unter 10.000 Menschen.

Was haben alle Genies gemeinsam?

Als Genie wird eine Person bezeichnet, die über herausragende Schaffens- und Geisteskraft in einem (oder mehreren) Bereichen verfügt. Geniale Menschen überstrahlen durch Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen alle anderen.

Sind alle Genies verrückt?

Ein ungarischer Forscher hat möglicherweise entdeckt, warum Genie und Wahnsinn häufig so eng beieinander liegen: Ein Gen, von dem bereits bekannt ist, dass es die Wahrscheinlichkeit für Psychosen erhöht, scheint auch die Kreativität zu fördern.