Dass Kunst in der Moderne häufig erst entstanden ist, weil etwas, was davor nicht Kunst war, in den Kunstkontext transferiert wurde (‘Readymade’ etc.), ist längst ein Gemeinplatz. Was jedoch noch fehlt, ist eine Begriffsgeschichte dieser zur Kunst mutierten Nicht-Kunst. Immerhin eignet sich nicht jegliche Nicht-Kunst als Kunst, d. h. auch schon Nicht-Kunst braucht eine Disposition dazu, Kunst zu sein. Damit aber werden Kunst und Nicht-Kunst seltsam verwechselbare Begriffe (zumal auch immer wieder etwas, das zuerst als Kunst galt, als Nicht-Kunst ausgeschieden wird). Der Vortrag wird eine solche Begriffsgeschichte der ‘Nicht-Kunst’ zu umreißen versuchen und das Wechselspiel Kunst/Nicht-Kunst vor allem auch als Muster von Wertschöpfungsprozessen interpretieren, die ein besseres Verständnis der kapitalistischen Marktlogik eröffnen. Show
Wolfgang Ullrich arbeitet als freiberuflicher Autor, Dozent und Unternehmensberater; 1997 bis 2003 war er Assistent am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Akademie der Bildenden Künste München; seit 2003 Gastprofessuren an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Neuere Publikationen: Was war Kunst? Biographien eines Begriffs (Frankfurt/Main 2005); Bilder auf Weltreise. Eine Globalisierungskritik (Berlin 2006); Habenwollen. Wie funktioniert die Konsumkultur? (Frankfurt/Main 2006). Der Duden definiert die Kunst als "schöpferisches Gestalten aus den verschiedensten Materialien oder mit den Mitteln der Sprache, der Töne in Auseinandersetzung mit Natur und Welt". Das Besondere an der Kunst ist, dass sie so vielfältig ist und es daher so viele verschiedene Möglichkeiten gibt, sie zu interpretieren. Beispielsweise hat Leo Tolstoi ein 237 Seiten langes Buch mit dem Titel "Was ist Kunst" verfasst. Darin schreibt er unter anderem folgendes über die Kunst: Kunst ist das Mikroskop, das der Künstler auf die Geheimnisse seiner Seele einstellt, um diese allen Menschen gemeinsamen Geheimnisse allen zu zeigen. Und ob seine Definition von Kunst nun die Beste ist oder nicht, spielt keine Rolle. Dennoch rückt Tolstoi in seiner Definition der Kunst einen wichtigen Aspekt in den Vordergrund: Menschen betrachten die Kunst basierend auf ihren eigenen Erfahrungen und ihrer eigenen Sichtweise. Wie kann man Kunst noch definieren?Es gibt viele andere Definitionen, die bestimmte Aspekte des Begriffs ausdrücken. Hier sind nur ein paar derer, die man häufiger hört:
Großartige Kunst weckt starke GefühleKunst kann auch die Form von Film, Musik oder Theater annehmen, die alle darauf abzielen, zu unterhalten und Menschen glücklich zu machen. Aber wenn Filme, Lieder oder Theaterstücke für ein bestimmtes Publikum oder einen bestimmten Zweck produziert werden, fängt die Kunst an, bewusst tiefere Emotionen bei den Betrachtern zu erwecken. So können beispielsweise Filme gedreht werden, um das Bewusstsein oder die kulturelle Wertschätzung zu steigen. Lieder können auch so komponiert werden, dass sie bestimmte Emotionen hervorrufen, Inspiration geben oder die Moral einer Person stärken oder in Frage stellen. Im viktorianischen England begannen Frauen zunehmend damit, mit ihren Kunstwerken bestimmte Emotionen ganz gezielt hervorzurufen. Ein bekanntes Beispiel ist Elizabeth Siranis Gemälde "Porcia verletzt ihren Oberschenkel", welches die Botschaft vermittelt, dass die Frau nun bereit ist, sich von der klassischen Rolle ihres Geschlechts zu distanzieren. Elisabetta Sirani, Porcia verletzt ihren Oberschenkel, 1664 Das Motiv des Gemäldes stellt eine Frau dar, die über dieselbe Kraft verfügt wie der Mann. "Portia" steht für die Selbstaufgabe, weil sie nicht mehr die Art von Frau ist, die in der Gesellschaft als schwach und einflusslos dargestellt wurde. Es gibt auch Kunstwerke, die heftige Debatten auf internationaler Ebene auslösen. Kunstwerke, die Normen in Frage stellen und das Verhalten der Gesellschaft verändern können. Ein bekanntes Beispiel eines solchen Werks ist die Guernica von Picasso. Manchmal ist die Kunst aber auch einfach nur dazu da, eine Person zu erreichen, die die Gedanken, Gefühle und Erfahrungen des Künstlers teilt. Was ist Kunst - Mehr als nur eine Praktik!Eine Sache ist jedoch klar: Und zwar, dass Kunst mehr als nur eine Praktik ist - sie ist eine Lebensweise. Kunst ist mehr als nur eine Fähigkeit - sie ist eine Leidenschaft. Kunst ist auch mehr als nur ein Bild - sie erzählt eine Geschichte. Die Tatsache, dass die Kunst sehr stark mit der menschlichen Erfahrung resoniert, macht es nicht verwunderlich, dass wir sie schon immer zu einem Teil unseres Lebens gemacht haben. Manche sagen, Kunst sei langweilig. Doch ist es eben jene Kunst, die auch unterhalten kann, für mehr Bewusstsein sorgt und die Toleranz stärkt, fremde Kulturen zu akzeptieren, egal wie eigenartig aus der eigenen Sicht erscheinen mögen. Kunst spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen Intoleranz gegenüber anderen Kulturen und Meinungen, Rassismus und anderen Formen gesellschaftlicher Abgrenzung. Kunst trägt dazu bei, dass Identitäten und Kulturen auf der ganzen Welt eine angemessene Anerkennung finden. Die Funktionen der KunstAlle oben genannten Definitionen und Theorien sind gleichermaßen zutreffend. Der Grund, warum Menschen so unterschiedliche Erfahrungen mit der Kunst haben, ist die Tatsache, dass sie so viele Funktionen gleichzeitig erfüllt. In ihrem Buch "Art As Therapy" erklären Alain De Botton und John Armstrong wie die Kunst uns ermöglicht, in unserem Selbstverständnis, dem Verständnis zu unserem Gegenüber und dem Verständnis gegenüber unserer Welt zu wachsen.
Die Bedeutung ist höchst individuellKunst und die Definitionsansätze derselben werden immer kontrovers bleiben. Es wird immer Diskussionen darüber geben, was Kunst ist und was nicht. Ganz egal, wie sie interpretiert wird, begleitet uns die Kunst schon seit den frühesten Stunden der Menschheitsgeschichte. Wir nutzen Kunst für unser Vergnügen, für kulturelle Wertschätzung und für unsere persönliche Entwicklung. Sie hilft uns, in dieser Welt zu wachsen. Also: Was ist Kunst für dich? Vorheriger Artikel Künstlerische Schaffensprozesse am Beispiel von Antoni Tàpies verstehenNächster Artikel Francisco Goyas “Pinturas negras” – Die schwarzen Gemälde im Detail4 Kommentare
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