Kann der Arbeitgeber Krankheit überprüfen lassen?

Nachgefragt beim Anwalt

Bei welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die Krankmeldung anzweifeln darf

| 13. Juni 2022, 19:25 Uhr

Wer ein ärztliches Attest hat, muss nicht zur Arbeit gehen – und der Chef kann nichts dagegen tun. So jedenfalls die Annahme. Doch das stimmt nicht ganz. In begründeten Fallen darf der Arbeitgeber die Krankmeldung anzweifeln. FITBOOK hat bei einem Anwalt für Arbeitsrecht nachgefragt, welche Fälle das sind.

Ob Migräne, Bauchschmerzen oder chronische Erkrankung: Spätestens ab dem vierten Fehltag muss der Arbeitnehmer seinem Vorgesetzten ein ärztliches Attest vorlegen – es sei denn, im Arbeitsvertrag wurde eine andere Regel vereinbart. Für gewöhnlich gilt: Ein Patient sollte sich so lange ausruhen, bis er größtenteils genesen ist. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit (AU) bestimmt der Arzt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Arbeitgeber die Krankmeldung jedoch anzweifeln.

Prüfung der Krankmeldung durch den Medizinischen Dienst

Ob für einen einzelnen Tag oder mehrere Wochen: Wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt, kann der Chef meist nichts tun. In diesen Fällen wird der Lohn weitergezahlt, auch wenn keine Arbeitsleistung erbracht wird. Doch es gibt wenige Ausnahmen, in denen der Arbeitgeber die Krankmeldung anzweifeln kann. In solchen Fällen hat er die Möglichkeit, eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) einzuholen. Der MDK wird von der Krankenkasse des betroffenen Angestellten beauftragt. Der Medizinische Dienst untersucht, ob der Mitarbeiter wirklich arbeitsunfähig ist.

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Wann der Arbeitgeber eine Krankmeldung anzweifeln darf

Laut Pascal Croset der Berliner Kanzlei Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht gibt es drei Fälle, in denen der Arbeitgeber berechtigte Zweifel an einer Krankmeldung hegen und weitere Schritte einleiten darf:

  1. Der Mitarbeiter hat sein Fehlen geradezu ankündigt. Wollte der Arbeitnehmer z. B. Urlaub nehmen und dieser wurde nicht genehmigt, so könnte eine Krankmeldung in diesem Zeitraum beim Arbeitgeber berechtigte Zweifel auslösen. Der MDK prüft in diesem Fall, ob die Krankheit nur vorgetäuscht ist.
  2. Der angeblich kranke Mitarbeiter wird bei einer anderen Arbeit erwischt. Wer sich trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei einer anderen Tätigkeit erwischen lässt, muss damit rechnen, dass der Arbeitgeber seine Krankmeldung überprüft. Schlimmstenfalls droht dann eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung.
  3. Der Mitarbeiter fehlt regelmäßig an einem bestimmten Tag. Meldet sich ein Arbeitnehmer regelmäßig z. B. montags oder freitags krank, so liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine Täuschung handelt. In diesem Fall hat der Arbeitgeber für gewöhnlich das Recht, die Krankmeldung prüfen zu lassen.

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Wie meldet man sich richtig krank?

Wen es tatsächlich erwischt hat, sollte sich frühestmöglich bei seinem Arbeitgeber bzw. bei der entsprechenden Personalstelle krankmelden. Am besten telefonisch, um sicherzugehen, dass die Krankmeldung auch wirklich angekommen ist. Bestenfalls kann man bereits einschätzen, wie lange man ungefähr ausfallen wird. Woran man erkrankt ist, geht den Arbeitgeber jedoch nichts an und muss auch nicht mitgeteilt werden.

Wenn nicht anders festgelegt muss der Arbeitnehmer spätestens nach drei Kalendertagen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt vorlegen. Viele haben jedoch Hemmungen, sich krankschreiben zu lassen – sei es aus Pflichtbewusstsein oder schlechtem Gewissen gegenüber den Kollegen. Damit ist jedoch niemandem geholfen. Denn wer krank zur Arbeit geht, riskiert nicht nur, sich selbst nicht genügend auszukurieren, sondern auch, seine Kollegen anzustecken. Da die Sorgfaltspflicht beim Arbeitgeber liegt, hat er das Recht, den Mitarbeiter dann wieder nach Hause zu schicken. Das betrifft auch den Fall, wenn ein Mitarbeiter trotz Krankschreibung zur Arbeit erscheint.

Quelle

  • Stiftung Warentest. FAQ Krankmeldung beim Arbeit­geber. Das müssen Sie wissen. (aufgerufen am 13.6.22)

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank, dann kann er von seinem Arbeitgeber bis zu einem Zeitraum von sechs Wochen Lohnzahlung fordern. Von seiner Pflicht, Arbeitsleistung zu erbringen, ist der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum befreit, § 3 EntFG (Entgeltfortzahlungsgesetz).

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Arbeitgeber von seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen, § 5 Abs. 1 EntFG. Soweit der Arbeitnehmer länger erkrankt, als in dem ärztlichen Attest angegeben, hat der Arbeitnehmer ein weiteres Attest vorzulegen.

Mit der Anzeige seiner Erkrankung und der Vorlage eines Attests ist die Angelegenheit für den Arbeitnehmer vorläufig erledigt. Er kann sich in Ruhe auskurieren und so seine Arbeitsfähigkeit wieder herstellen. Größere finanzielle Sorgen muss er sich in der Zeit seiner Erkrankung nicht machen, ist der Arbeitgeber doch gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet.

Welche Kontrollmöglichkeiten hat der Arbeitgeber?

Der Arbeitgeber wiederum wird im Normalfall hoffen, dass sich sein Mitarbeiter von seiner Erkrankung schnell wieder erholt und er seine Arbeitskraft wieder zur Verfügung stellen kann.

In bestimmten Einzelfällen wird der Arbeitgeber die Krankmeldung jedoch eher mit knirschenden Zähnen zur Kenntnis nehmen. Ist der betroffene Arbeitnehmer nämlich beispielsweise in der Vergangenheit dadurch auffällig geworden, dass seine Erkrankungen immer nur von kurzer Dauer waren und sich ausschließlich an Montagen oder Freitagen ereigneten, dann kann es vorkommen, dass den Arbeitgeber gewisse Gefühle beschleichen.

In Extremsituationen mag so manch ein Arbeitgeber sogar darüber nachsinnen, ob er die Möglichkeit hat, die fortlaufenden und kurzfristigen Erkrankungen seines Mitarbeiters näher aufzuklären.

Soweit aber in einem einschlägigen Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag keine entsprechende Regelung enthalten ist, hat der Arbeitgeber im Normalfall grundsätzlich keine Möglichkeit, die Erkrankung seines Mitarbeiters näher untersuchen zu lassen. Es ist dem Arbeitgeber selbstverständlich unbenommen, seinen Mitarbeiter zu Hause am Krankenbett zu besuchen. Ob ihn der Arbeitnehmer aber überhaupt in seine Wohnung lässt, ist alleine Sache des Arbeitnehmers.

In extremen Fällen kann der Arbeitgeber an die Einschaltung eines Detektivs denken, um die Erkrankung seines Mitarbeiters zu verifizieren.

Arbeitgeber kann sich an die Krankenkasse wenden

Selbst wenn der private Arbeitgeber in aller Regel selber keine Möglichkeit hat, die Angaben seines Mitarbeiters zur vorliegenden Erkrankung zu überprüfen, so ist der Arbeitgeber doch nicht gänzlich zum Nichtstun verdammt.

Die Krankenkassen sind nämlich nach § 275 SGB V (Sozialgesetzbuch - Fünfter Teil) unter Umständen dazu verpflichtet, bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen. Veranlassung für eine solche Untersuchung besteht immer dann, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers beseitigt werden sollen.

Solche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit drängen sich nach § 275 Abs. 1a SGB V auf, wenn Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der seinerseits durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.

Tarifverträge im öffentlichen Dienst sehen Kontrollmöglichkeiten vor

Im Bereich der öffentlichen Verwaltung sehen Regelungen in den einschlägigen Tarifverträgen vor, dass der Arbeitgeber „ bei begründeter Veranlassung berechtigt“ ist, vom Arbeitnehmer eine Untersuchung durch einen Amtsarzt oder das Gesundheitsamt zu verlangen, um die Frage seiner Arbeitsfähigkeit zu klären, so z.B. § 3 Abs. 4 TVöD.

In diesen Fällen kann sich der Arbeitgeber also durch die Einholung einer zweiten ärztlichen Meinung über den Zustand seines Mitarbeiters rückversichern.

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Werden krankschreibungen überprüft?

Der MDK prüft, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Dazu kann er unter anderem mit dem behandelnden Arzt reden und den Mitarbeiter zur Begutachtung einladen. Für eine Überprüfung muss der Arbeitgeber sich bei der Krankenkasse des Mitarbeiters melden.

Was muss der Arbeitgeber über meine Krankheit wissen?

Muss dem Arbeitgeber während oder nach der Arbeitsunfähigkeit eine Auskunft über die Krankheitsursache gegeben werden? Nein. Die Art der Krankheit und ihre medizinische Ursache gehen den Arbeitgeber nichts an. Die Frage nach dem Gesundheitszustand ist zwar erlaubt, muss aber nicht beantwortet werden.

Hat der Arbeitgeber ein Recht die Krankheit zu erfahren?

Die Übermittlung von Diagnosedaten ist nicht gefordert, Arbeitgeber haben kein Recht, die Art der Erkrankung des Arbeitnehmers zu erfahren.

Kann Arbeitgeber bei Krankenkasse nachfragen?

Dafür müssen Arbeitgeber jedoch die Krankheitsursache kennen - was ihnen in den meisten Fällen nicht möglich ist. Damit sie die gesetzliche Regelung trotzdem anwenden können, haben Arbeitgeber die Möglichkeit, sich zwecks Prüfung an die Krankenkasse zu wenden.