Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt

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Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Euromaidain in Kiew. Wikipedia, Evgeny Feldman, CC BY-SA 3.0

Die Ukraine ist nach Russland der flächenmäßig größte Staat Europas, in dem 44 Millionen Menschen leben. Seit der Unabhängigkeitserklärung im Dezember 1991 steht die Präsidialrepublik vor den größten Herausforderungen ihrer jüngeren Geschichte. Die Entwicklung in der Ukraine erregte bereits in den vergangenen Jahren international Besorgnis und führte zu einem Tiefpunkt der russisch-westlichen Beziehungen. Im Frühjahr 2021 ist der 2013/2014 begonnene Konflikt um die Ukraine wieder aufgeflammt. Russland hatte an der Grenze zur Ukraine mit einem massiven Truppenaufmarsch begonnen. Bis Februar 2022 hatte Russland sukzessive rund 150.000 Soldaten und militärisches Gerät an den Grenzen rund um die Ukraine zusammengezogen. 30.000 russische Soldaten wurden in Belarus stationiert. Mittlerweile sind diese Einheiten  nahezu vollständig in die Ukraine eingerückt. Mit der Anerkennung der Separatistengebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten und der Militäroffensive in der Ukraine hat Präsident Wladimir Putin die diplomatischen Bemühungen abgebrochen und einen Angriffskrieg auf das Land gestartet.

Seit Wochen hatten die Ukraine und der Westen befürchtet, Russland könnte eine Invasion planen und in das Nachbarland einmarschieren. Russland bestritt ein solches Vorhaben stets und forderte von der NATO und den USA Sicherheitsgarantien, eine Verringerung der Militärpräsenz an der NATO-Ostflanke und vor allem einen Stopp der NATO-Osterweiterung. Russlands Präsident Wladimir Putin wirft dem westlichen Bündnis schon seit Jahren vor, sich immer weiter in Richtung Russland auszudehnen. Nun forderte er von der NATO schriftliche Garantien, künftig keine weiteren osteuropäischen Staaten wie die Ukraine oder Georgien in die NATO aufzunehmen. Und Putin ging noch einen Schritt weiter in seinen Forderungen: Was die geografische Reichweite der NATO anbelangt, solle diese wieder auf den Stand von 1997 zurückgeführt werden. Damit wäre eine Stationierung von NATO-Einheiten auf dem Gebiet des früheren Warschauer Paktes, des ehemaligen Jugoslawiens, der baltischen Staaten, der Visegrad-Staaten sowie in Rumänien und Bulgarien ausgeschlossen. Die USA und die NATO wiesen diese Forderungen als in weiten Teilen unannehmbar zurück.

Russlands Anliegen gilt indes nicht nur der Ausweitung des sicherheitspolitischen Einflusses in Osteuropa. Putin möchte Russland wieder als Großmacht etablieren, auf Augenhöhe mit den USA und China beziehungsweise in Partnerschaft mit China gegen den Westen. Nach seinen Vorstellungen sollen die Kräfteverhältnisse neu sortiert werden, wobei Russland in diesem neuen Gefüge wieder eine große Rolle spielen soll. Historisch betrachtet möchte Putin wieder ein international einflussreiches Staatsgebilde aus Russland, Belarus und der Ukraine formen, in Anlehnung an das ehemalige Gebiet der „Kiewer Rus“. Um diese Wiederzusammenführung zu erreichen, um sein russisches Imperium wiederherzustellen, zu erweitern und zu sichern, ist ihm offensichtlich jedes Mittel recht. Putin gehe es in seinem Kampf auch weniger um neue Gebietsansprüche an sich. Vielmehr kämpfe er gegen ein Erstarken der Demokratie in der Ukraine, gegen die freiheitlich-demokratische Werteordnung des Westens insgesamt, die in Gestalt der Ukraine aus Sicht Russlands eine Gefahr für das autoritäre Regime in Moskau darstelle. „Er befindet sich im Krieg mit uns. Er sieht die Ukraine als auch einen Stellvertreterkrieg an zwischen dem Westen und Russland", so Markus Kaim von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“.

Über Wochen waren die diplomatischen Bemühungen des Westens auf Hochtouren gelaufen. In einem Verhandlungsmarathon hatten Staatschefs vieler Länder versucht, eine weitere Eskalation und einen neuerlichen Ausbruch eines Krieges zu verhindern. Die westliche Staatengemeinschaft hatte Russland mehrfach vor einer Verletzung der Grenzen gewarnt und drohte harten Sanktionen an. Zur Lösung des verfahrenen Konflikts hatten Deutschland und Frankreich Hoffnung in das sogenannte „Normandie-Format“ gesetzt, das Verhandlungen der vier Staaten Russland, Ukraine, Frankreich und Deutschland vorsieht. Auch die Staatschefs Russlands und der Ukraine hatten zunächst Bereitschaft gezeigt, die Umsetzung der Vereinbarungen des Minsker Abkommens im Rahmen des Normandie-Formats erneut anzugehen. Allerdings befänden sich die Bemühungen nach einer Vielzahl an Gesprächen in einer „Sackgasse”, konstatierte Russlands Präsident Putin. Nachdem die Kämpfe im Donbass wieder aufgeflammt waren, hat Putin die selbsternannten „Volksrepubliken” Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkannt und Freundschaftsverträge mit ihnen geschlossen.

Zum vermeintlichen Schutz der aus seiner Sicht bedrohten russischen Staatsbürger startete Putin am 24. Februar 2022 einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In seiner Rede kurz vor dem Einmarsch rechtfertigte Putin den Angriff damit, jene Menschen zu verteidigen, die vom Kiewer Regime misshandelt und ermordet würden. Die russische Armee werde sich um eine „Entnazifizierung“ der ukrainischen Gebiete bemühen und gegen den „Genozid”, gegen den Völkermord an Russen ankämpfen. Die Weltgemeinschaft ist entsetzt angesichts des Angriffskriegs auf ein souveränes Land, verurteilt das Vorgehen Putins und die eklatante Verletzung des Völkerrechts aufs Schärfste und hat harte Sanktionen gegen Russland beschlossen.

Was die Reichweite des aktuellen Konflikts anbelangt, reicht diese weit über die Problematik um die Ukraine hinaus. Es gehe im aktuellen Konflikt zwar vordergründig um die Ukraine, aber letztlich gehe es um die Neuordnung Europas, wenn nicht sogar der Welt. Ansätze der seit 1990 gesetzten europäischen Sicherheits- und Friedensordnung  würden seitens der russischen Regierung wieder grundsätzlich in Frage gestellt, so Markus Kaim. Dies zeigt den Ernst der Lage. Ein Krieg in der Ukraine könnte unter Umständen auch eine Ausweitung auf NATO-Staaten zur Folge haben. Eine direkte militärische Unterstützung für die Ukraine seitens der NATO gilt unterdessen weiter als ausgeschlossen. Da die Ukraine kein Mitglied des NATO-Bündnisses ist, kann sie auch nicht nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags Beistand beantragen. Allerdings beliefert der Westen die Ukraine mit immer mehr Waffen.

Darüber hinaus darf aber auch die Gefahr nicht außer Acht gelassen werden, dass die NATO auch ohne ein direktes militärisches Eingreifen in den Krieg hineingezogen werden könnte. Mit ihren die Ukraine unterstützenden Maßnahmen könnte die NATO früher oder später zur Kriegspartei werden. Dies wäre eine gefährliche Entwicklung, wenn man die jüngste Rede Putins in Erinnerung ruft, in der er deutlich gewarnt hat: „Wer auch immer versucht, uns zu behindern, geschweige denn eine Bedrohung für unser Land und unser Volk zu schaffen, muss wissen, dass die Antwort Russlands sofort erfolgen und zu Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben. ” Aufgrund dessen sind die NATO und die USA etwa auch nicht auf die Forderungen der Ukraine nach einer Flugverbotszone über der Ukraine eingegangen und wägen die Art der Waffenlieferungen gut ab.

Vor über einem halben Jahr, am 24. Februar 2022, begann die russische Invasion in der Ukraine. Zehntausende Tote und Verletzte auf beiden Seiten, unermessliche Zerstörungen, Massaker an der Zivilbevölkerung, Verschleppungen, Vergewaltigungen und Diebstähle sind die Bilanz der „militärischen Spezialoperation”, wie der Krieg in Russland offiziell genannt wird. Ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht.

Bereits Ende Februar wurde deutlich, dass die Ukraine nicht zusammenbrechen würde. Kiew hielt den Angriffen stand und der Vormarsch der russischen Truppen konnte mit Hilfe westlicher Waffensysteme zusehends aufgehalten oder entscheidend verlangsamt werden. Nachdem Russland die Belagerung von Kiew aufgegeben hatte, konzentrierte es seine Streitkräfte auf die Einnahme des gesamten Donbass im Südosten der Ukraine, und damit auf rund 20 Prozent des ukrainischen Territoriums, die Krim eingeschlossen. Mariupol wurde fast vollständig zerstört und die Ukraine verlor endgültig die Kontrolle über ihre Küste am Asowschen Meer.

Aktuell verzeichnet die ukrainische Armee im Osten und im Süden des Landes Geländegewinne. Mit den Scheinreferenden über den Beitritt von vier besetzten ukrainischen Regionen (Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk), der anschließenden Annexion der Gebiete zur Russischen Föderation, der Teilmobilmachung und schweren russischen Luftangriffen eskaliert Putin die Lage. Solange er von seinen Positionen nicht abrückt, gibt es keine Basis für Friedensverhandlungen.

Der europäische Westen, der sich in den Jahren zuvor sehenden Auges in die energiewirtschaftliche Abhängigkeit von Russland begeben hatte, bekommt die Auswirkungen der „Zeitenwende“ ebenfalls empfindlich zu spüren. Im kommenden Winter könnte es kalte Wohnungen in Deutschland und Europa geben, die Inflation steigt weltweit auf Rekordwerte. Andererseits ist der Westen einig wie wohl selten zuvor. Schweden und Finnland treten der NATO bei, die Ukraine wird mit schweren Waffen und Finanzhilfen unterstützt, die Sanktionen gegen Russland wirken.

Ein Drittel der 41 Millionen Einwohner der Ukraine sind auf der Flucht, um sich vor den Kämpfen in Sicherheit zu bringen. Mehr als 6,6 Millionen Flüchtlinge sind nach UNO-Angaben gegenwärtig über Europa verteilt, davon 1 Million in Deutschland.

Dieser Krieg wird nicht nur mit Panzern, Bomben, Raketen und Kampfflugzeugen geführt. Er wird auch an der Wirtschafts- und Informationsfront unter Ausnutzung aller Möglichkeiten geführt.
 

Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Karte: Russlands Angriff auf die Ukraine, Stand 4. Oktober 2022 | picture-alliance/dpa | dpa-infografik GmbH

Hinweis: Informationen über den Kriegsverlauf, Beschüsse und Todesfälle beruhen teils auf Angaben der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien, die in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden können.

Unser Lagebericht erscheint derzeit im Wochenrhythmus.

14. Oktober 2022

NATO – Verteidigung der Ukraine und Europas soll ausgebaut werden

Treffen der NATO-Verteidigungsminister
Die versuchte Annexion ukrainischer Gebiete, die Teilmobilmachung und die „unverantwortliche nukleare Rhetorik“ des Kreml sei die bisher schwerste Eskalation seit Beginn des russischen Angriffskrieges, so NATO-Generalsekretär Stoltenberg. Insbesondere auch angesichts der jüngsten Serie russischer Luftangriffe auf die Ukraine wollen die NATO-Verbündeten dem Land so schnell wie möglich weitere Abwehrsysteme zur Verfügung stellen. Die Unterstützung soll auf lange Sicht gewährleistet werden. Die USA wollen einen Zehn-Jahres-Plan für die Verteidigung in der Ukraine ausarbeiten. Die Ukraine zeigte sich dankbar für die in Aussicht gestellte Unterstützung seitens der NATO (Tagesschau).

Wenn Ukraine der NATO beitritt – Kreml droht erneut mit Drittem Weltkrieg
Angesichts des Krieges und der völkerrechtswidrigen Annexionen Russlands möchte die Ukraine schnellstmöglich in die NATO. Der Antrag ist eingereicht, ein Beitritt in naher Zukunft allerdings eher unrealistisch. Dennoch ergeht aus Russland erneut die Drohung, die Aufnahme der Ukraine in die NATO könnte in einen Dritten Weltkrieg münden: „Kiew ist sich bewusst, dass ein solcher Schritt eine sichere Eskalation hin zu einem Dritten Weltkrieg bedeutet“, sagte der Vize-Sekretär des Sicherheitsrats der Russischen Föderation, Alexander Wenediktow, in einem Interview mit der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass (n-tv).

Lücken in der Luftverteidigung – NATO baut Schutzschirm für Europa aus
Die russischen Angriffe auf die Ukraine zeigen einmal mehr: Eine effiziente Luftverteidigung ist unabdingbar. Am Rande des NATO-Treffens in Brüssel unterzeichneten Deutschland und mehr als ein Dutzend weitere europäische Länder eine Erklärung zu der sogenannten European Sky Shield Initiative. Diese soll helfen, bestehende Lücken im derzeitigen NATO-Schutzschirm für Europa zu schließen (n-tv).

Mögliche Nuklear-Eskalation – NATO plant für den Ernstfall
Die NATO-Staaten bereiten sich auf den Ernstfall vor, sollte Russland im Krieg gegen die Ukraine seine Drohung wahr machen und Atomwaffen einsetzen. Die Verteidigungsminister der Bündnisstaaten berieten bei einem Treffen der sogenannten Nuklearen Planungsgruppe über die jüngsten Entwicklungen und Drohungen von Russlands Präsident Putin. Sie gingen der Frage nach, was ein russischer Atomwaffeneinsatz in der Ukraine für das Bündnis bedeuten würde und wie die nukleare Abschreckung der NATO angesichts der aktuellen russischen Drohungen maximiert werden kann.

Weitere Informationen rund in unserem Dossier:

Die NATO: Mitglieder – Erweiterung – Aufrüstung – Gipfeltreffen

Erneut landesweite Angriffe

Angriffe auf zivile Ziele – Russlands neue Front
Mit ihren Angriffen auf zivile Ziele, vor allem auf Stromkraftwerke, hat Russland eine neue Front im Krieg gegen die Ukraine eröffnet. Es geht dabei offenbar nicht nur um Rache für die Krim-Brücke. Rollende Stromausfälle beeinträchtigen bereits jetzt das öffentliche Leben (n-tv).

Landesweite Angriffe – Einschläge in Kiew und anderen Städten
Mehrere ukrainische Städte sind mit Raketen angegriffen worden. Zum ersten Mal seit Monaten standen auch wieder die Hauptstadt Kiew und Lwiw unter Beschuss. Russlands Präsident Putin bezeichnete die Angriffe als Reaktion auf „terroristische Aktionen“ (Tagesschau).

„Der einzige Ausweg: Keine Angst zu haben“
Russland attackiere in der Ukraine gezielt zivile Infrastruktur, sagt Selenskyj-Berater Ihor Schowkwa: Moskau wolle, „dass wir im Winter frieren“. Er erklärt, für wie entscheidend er Raketenabwehrsysteme wie IRIS-T hält (Tagesschau).

Weitere Beiträge

UN-Vollversammlung verurteilt Annexionen Russlands in der Ukraine
Die UN-Vollversammlung hat die „illegalen Annexionen“ Russlands in der Ukraine mit überwältigender Mehrheit verurteilt. 143 der 193 Mitgliedsstaaten stimmten für eine entsprechende Resolution. Fünf Länder votierten dagegen, 35 enthielten sich (Tagesschau).

AKW Saporischschja wieder am Netz
Der Netzausfall am AKW Saporischschja ist wieder behoben. Zum zweiten Mal binnen weniger Tage war das AKW zeitweise vom Strom getrennt und auf Generatoren angewiesen. IAEA-Chef Grossi sprach von einer zutiefst beunruhigenden Entwicklung. IAEA-Chef Rafael Grossi forderte erneut eine Sicherheitszone um das größte AKW Europas, um Kämpfe in der Nähe des Werks zu vermeiden. Russische Truppen beschossen weiter die Stadt Saporischschja und Teile der gleichnamigen Region (Tagesschau).
 

7. Oktober 2022

Atomare Drohung

Biden warnt vor Atom-Armageddon
US-Präsident Joe Biden sieht die Gefahr einer atomaren Konfrontation mit katastrophalen Folgen nach Drohungen aus dem Kreml so groß wie seit 60 Jahren nicht mehr. Die Welt habe seit der Kuba-Krise im Jahr 1962 nicht vor der Aussicht auf ein „Armageddon“ gestanden, sagte Biden am Donnerstagabend (ZDF).

Putin und die Atomwaffen – „Die Drohungen haben eine neue Qualität"
Russlands Präsident Putin droht zunehmend mit einem Einsatz von Atomwaffen. Der Osteuropa-Experte Mangott sieht dadurch das Prinzip der Abschreckung beschädigt. Im Interview spricht er über Szenarien für eine Eskalation, aber auch die Risiken für Putin (Tagesschau).

So würde die NATO auf A-Bombe reagieren
Der ehemalige Viersterne-General und CIA-Direktor David Petraeus hat in einem Interview über Szenarien im Falle des Einsatzes von Nuklearwaffen durch Russland gesprochen. Sein Fazit: Die USA und ihre Verbündeten würden geharnischt antworten. Die russischen Truppen und ihre Ausrüstung würden zerstört werden (ORF).

Warum Putin keine Atomwaffen einsetzt
Sicherheitsexperte Christian Mölling erklärt, warum er glaubt, dass Putins Drohungen mit einem Atomschlag Angstmacherei ist – die sich aber in Deutschland besonders gut verfängt (ZDF).

Russland unter Druck

Britische Geheimdienste: Russland steht vor strategischem Dilemma
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste steht Russland bei der Verteidigung heftig umkämpfter Gebiete am Dnipro-Fluss in der Ukraine vor einem strategischen Dilemma: Zieht Russland seine Einheiten vom Dnipro zurück und schickt sie in die Region Cherson, um dort die Truppen aufzustocken? Und kann Moskau sich leisten, die Region ganz aufzugeben (ZDF)?

Russische Armee unter Druck
Während Russlands Parlament, die Staatsduma in Moskau, am Montag die völkerrechtswidrige Einverleibung von vier ukrainischen Regionen in die Russische Föderation einstimmig ratifizierte, gerät Russlands Militär in der Ukraine offenbar unter wachsenden Druck. Die Ukraine erobert strategisch wichtige Gebiete wieder zurück (Süddeutsche).

Kreml meldet 200.000 eingezogene Reservisten
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu sind bereits mehr als 200.000 Russen zum Militärdienst eingezogen worden. Die Ausbildung erfolge auf 80 Übungsplätzen und in sechs Ausbildungszentren. Die zuständigen Stellen seien angewiesen worden, den Rekruten die notwendige Kleidung und Ausrüstung zur Verfügung zu stellen und sie einzuweisen, so Schoigu. Doch Moskau sei nicht mehr in der Lage, ausreichend Ausrüstung und militärisches Training für eine große Zahl an Rekruten bereitzustellen. Ein Anzeichen dafür sei, dass der Einberufungszyklus in diesem Jahr einen Monat später als üblich beginnen solle, hieß es im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums (Tagesschau).

Wird es für Putin gefährlich?
Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin werde die Lage von Tag zu Tag beängstigender, so der in Prag lehrende Politologe Alexander Morosow. Putin sei nach zwei demütigenden militärischen Niederlagen und einer desaströsen Situation an der Front gezwungen, möglichst bald eine neue Offensive zu wagen, allerdings mit maximalem Risiko. Durch seine Eskalationsschritte habe er sich in einen „immer engeren Korridor" hineinmanövriert. Die russische Militärführung wird im eigenen Land immer unverhohlener für die Misserfolge kritisiert. Politikwissenschaftler Dmitri Jefremenko von der Russischen Akademie der Wissenschaften schreibt: „Etwas verspätet beginnt eine Mehrheit der russischen Bürger zu erkennen, dass die Existenz ihres Landes als integraler, unabhängiger und souveräner Staat auf dem Spiel steht. Sie werden sich bewusst, dass ein langer Kampf vor ihnen liegt und für den Erfolg viel geopfert werden muss.“ Aktuell befänden sich sowohl die Gesellschaft als auch die Eliten in Russland in einem Zustand der stärksten Turbulenzen, die es jemals in Putins Zeiten gab, und jedes Ungleichgewicht im System der 'Checks and Balances', das seit mehr als zwei Jahrzehnten aufgebaut wurde, könne mit dem Zusammenbruch des Regimes enden, so der ukrainische Geheimdienst (BR)

Putin in Russland unter Druck: Diese Männer werden als mögliche Nachfolger gehandelt
Der russische Staatspräsident steht aufgrund des schleppenden Kriegsverlaufs in der Ukraine massiv unter Druck. Zwar existieren keine Anzeichen darauf, dass Wladimir Putin in Russland bald abgesetzt werden könnte. Trotzdem häufen sich Berichte über Unzufriedenheit bei den Eliten des Geheimdienstes und des Militärs und unter den Oligarchen. Im Hintergrund machen sich potenzielle Nachfolger bereit. Wer ist alles im Gespräch? (Frankfurter Rundschau).

Weitere Geschehnisse und Berichte

Europa setzt Zeichen gegen Putin – Gründung einer neuen europäischen Gemeinschaft
Die EU-Staaten haben als Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine neue politische Gemeinschaft mit fast allen anderen europäischen Ländern gegründet. Die Staats- und Regierungschefs der mehr als 40 beteiligten Partner kamen in der tschechischen Hauptstadt Prag zu einem ersten Treffen in dem neuen Format zusammen. Unter ihnen war auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der die sogenannte Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) als „große Innovation“ bezeichnete (Der Spiegel).

Was ist die „Europäische Politische Gemeinschaft”?
Unser neues Dossiers mit den wichtigsten Informationen.

Russischer Raketenangriff auf Wohnblock in Saporischja
Aus Kreml-Sicht gehört die Region Saporischschja nun zu Russland – dennoch haben Putins Truppen dort mehrere Wohnhäuser beschossen. Der ukrainische Präsident Selenskyj bezeichnet den Angriff als besonders heimtückisch (Der Spiegel).

EU-Parlament spricht sich für Panzerlieferungen aus
Mehr Militärhilfe würde helfen, den Ukraine-Krieg zu verkürzen – davon ist das EU-Parlament überzeugt – und fordert deshalb Deutschland und andere Mitgliedsländer auf, der Ukraine mehr Waffen zu schicken. Darunter auch Kampfpanzer (Tagesschau).

Verschleppungen aus der Ukraine nach Russland
Immer wieder berichten Menschenrechtsorganisationen von Verschleppungen aus der Ukraine nach Russland. Die Organisation „Helping to Leave“ verzeichnet Tausende solcher Schicksale – und vermutet eine hohe Dunkelziffer. Die Annexionen dürften die Lage verschärfen (Tagesschau).

30. September 2022

Nach Scheinreferenden – Russische Annexion ukrainischer Gebiete

Russlands Präsident Putin plant in einer großen Zeremonie die Annexion der vier im Osten und Süden der Ukraine besetzten Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja zu verkünden. Bereits in der Nacht zuvor hatte Putin die beiden letztgenannten Gebiete für unabhängig erklärt. Damit sollen die Regionen an Russland angebunden werden. International werden weder die Referenden noch die Annexion der besetzten Gebiete anerkannt.

Putin will Annexion bei „Zeremonie“ offiziell machen
Nach den völkerrechtswidrigen Scheinreferenden will Russlands Präsident Wladimir Putin die Annexion mehrerer ukrainischer Gebiete bereits an diesem Freitag offiziell machen. Im Rahmen einer Zeremonie im Kreml um 15 Uhr soll die Unterzeichnung von Abkommen über den Beitritt neuer Gebiete in die Russische Föderation stattfinden, gab Kremlsprecher Dmitri Peskow bekannt. Die Einverleibung der Gebiete soll dann kommende Woche vom Parlament beschlossen werden (n-tv).

Was passiert nach der Annexion der ukrainischen Gebiete?
Inwiefern könnten die Annexionen den Kriegsverlauf in der Ukraine ändern? Wird Russland die Verteidigung aller angeschlossenen Gebiete verstärken und seine Doktrin der nuklearen Abschreckung auf die betreffenden Regionen in der Ukraine anwenden? Wird es zu einer umfangreicheren Mobilmachung in Russland kommen?

Selenskyj beruft nationalen Sicherheitsrat ein
Mit Blick auf die geplante russische Annexion von Teilen der Ost- und Südukraine kommt an diesem Freitag in der Ukraine der Nationale Sicherheitsrat zusammen. „Präsident Wolodymyr Selenskyj beruft für morgen dringend eine Sitzung des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine ein“, teilte Präsidentensprecher Nykyforow mit (Berliner Zeitung).

Nach Teilmobilmachung in Russland – Zehntausende Russen fliehen

Aufgrund der Teilmobilmachung kommt es zu größeren Fluchtbewegungen aus Russland. Über 100.000 Menschen sollen bereits nach Kasachstan geflohen sein, ebenso eine große Anzahl nach Georgien. Russland hat aufgrund dessen die Ausreise nun erschwert und filtert an der Grenze zu Kasachstan und Georgien wehrpflichtige Männer heraus. Auch in Richtung Europa, insbesondere in die baltischen Staaten, versuchten die vor allem jungen russischen Männer zu entfliehen, doch sowohl Finnland und Lettland als auch Polen, Tschechien und die Slowakei stehen der Aufnahme russischer Deserteure ablehnend gegenüber. Und auch viele weitere Länder in Europa verschärfen den Umgang mit russischen Kriegsflüchtlingen.

Angst vor der Einberufung: Russen fliehen vor der Teilmobilmachung
Mit der Teilmobilmachung in Russland droht eine weitere Eskalation des Krieges in der Ukraine. Russen, die nicht zum Kampf herangezogen werden wollen, verlassen das Land. Doch die Flucht wird immer schwieriger. Über den Umgang mit den russischen Geflüchteten wird in der EU noch beraten (Redaktionsnetzwerk Deutschland).

Fast 100.000 Russen nach Kasachstan ausgereist
Knapp eine Woche nach Anordnung der Teilmobilmachung haben weit über 100.000 Russen ihr Land in alle Richtungen verlassen. Allein in Kasachstan sollen seit der Ankündigung 98.000 russische Staatsbürger eingereist sein. Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew sicherte den vor der russischen Teilmobilmachung nach Kasachstan fliehenden Russen Schutz zu. Auch nach Georgien versuchten Tausende Russen zu gelangen (Tagesschau).

Tausende Russen fliehen nach Finnland
Die Grenze zu Finnland ist für die Russen der einzige Weg, um mit einem Touristenvisum in den Schengenraum zu gelangen. Bei der Grenzstation in Vaalimaa spielen sich viele persönliche Dramen ab (Neue Züricher Zeitung).

Lettland ruft Ausnahmezustand in Grenzregion aus
Lettland hat angesichts des erhöhten Flüchtlingsaufkommens aus Russland den Ausnahmezustand in der Grenzregion zu Russland verhängt. Mit der von Russland angekündigten Teilmobilisierung habe die Zahl der russischen Bürger, die ihr Land verlassen wollten, erheblich zugenommen. Daher bestehe die Gefahr, dass die Zahl der illegalen Migranten auch rapide ansteigen könnte, hieß es seitens des Innenministeriums. Als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte Lettland zusammen mit Estland, Litauen und Polen zuletzt die Einreise für viele Menschen aus dem Nachbarland gestoppt – auch falls diese über gültige Schengenvisa verfügen (n-tv).

Wohin die Russen desertieren
In Russland gibt es einen regelrechten Exodus junger Männer, seit Russlands Präsident Putin die Teilmobilmachung bekanntgegeben hat. Hunderttausende wollen aus dem Land fliehen, um dem Kriegseinsatz in der Ukraine zu entkommen. Die Einreise nach Europa wird jedoch für russische Kriegsflüchtlinge schwieriger. Doch es bleiben Alternativen. Eine Übersicht.

Lecks an Nord-Stream-Pipelines

Vier Lecks an Nord-Stream-Pipelines: Was wir wissen – und was nicht
Aus den Pipelines Nord Stream 1 und 2 tritt Gas aus. Grund dafür sind vier Lecks, die an den Leitungen in der Ostsee nahe Dänemark und Schweden festgestellt wurden. Der Verdacht von Sabotage liegt nah (WDR).

Putin spricht von „internationalem Terrorismus“
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die mutmaßliche Sabotage an den Nord-Stream-Gaspipelines als einen „Akt des internationalen Terrorismus“ angeprangert und weist jede Schuld an den Angriffen zurück. Russland hat wegen der offenbar sabotierten Pipelines den UN-Sicherheitsrat angerufen, der am Freitag tagen wird. Die Blicke westlicher Staaten richten sich bei der Suche nach einem Schuldigen in Richtung Moskau (Tagesschau).

Wie könnte ein Angriff abgelaufen sein?
Wohl kaum noch jemand zweifelt an einer Attacke auf die Ostsee-Pipelines. Aber wie liefen sie ab? Bundeswehr-Kommandeur Giss schildert im NDR-Interview mögliche Szenarien – und was sich gegen künftige Attacken machen lässt (Tagesschau).
 

Ukrainische Gegenoffensive schreitet voran

Karte zum aktuellen Frontverlauf – Schlacht um Lyman
Die Streitkräfte der Ukraine befinden sich im Osten des Landes weiter auf dem Vormarsch. Sie haben den Fluss Oskil an mehreren Stellen überschritten und in den vergangenen Tagen schoben sich die ukrainische Angriffsspitzen weiter vor. Östlich von Isjum kämpfen sich ukrainische Verbände zudem aus mindestens drei Brückenköpfen auch über den Fluss Siwerskyj Donez in Richtung Lyman vor (n-tv).

Kreml-Truppen droht Einkesselung in Lyman
Die russischen Truppen verlieren im Osten der Ukraine weiter an Boden. Der Verkehrsknotenpunkt Lyman in Donezk ist fast eingekreist, berichten russische Militärblogger (n-tv).

Ukrainische Stadt Lyman kurz vor der Rückeroberung
Die ukrainischen Truppen stehen laut dem amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) im Osten des Landes wohl vor einem weiteren Erfolg im Kampf gegen die russischen Invasoren. Sollte die ukrainische Zangenbewegung gelingen, hätte das laut ISW weitreichende Konsequenzen für die russische Front im nördlichen Donbass und würde der Ukraine weitere Möglichkeiten eröffnen, von Russland besetzte Gebiete zu­rückzuerobern (FAZ).

23. September 2022

Putin verkündet Teilmobilmachung und spricht weitere Drohungen aus

Welche Konsequenzen folgen aus Russlands Teilmobilmachung?
Mit seiner Rede zur Teilmobilmachung in Russland hat Präsident Putin düstere Erinnerungen an seine Reden zu Kriegsbeginn geweckt. Was aber bedeutet diese Ankündigung für die Russen? Und wie könnte sie den Kriegsverlauf beeinflussen? Der Artikel der Tagesschau fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen (Tagesschau).

Teilmobilmachung mit Fragezeichen
Etwa 300.000 russische Männer sind nach Angaben des Kreml von der Teilmobilisierung betroffen. Viele westliche Experten bezweifeln, dass diese problemlos funktionieren wird. Derweil bilden sich lange Warteschlangen an Grenzen (Tagesschau).

Putins Rede zur Teilmobilisierung im Wortlaut
In einer vom Fernsehen übertragenen Ansprache am 21. September hat der russische Präsident Wladimir Putin die Teilmobilmachung der Streitkräfte verkündet und dem Westen gedroht: "Wenn die territoriale Integrität unseres Landes bedroht ist, werden wir natürlich alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Russland und unser Volk zu verteidigen. Dies ist kein Bluff." 
Der Wortlaut von Auszügen seiner Rede wird hier in einer Übersetzung der Deutschen Presse-Agentur dokumentiert (Tagesschau).

Mehr als 1.400 Festnahmen bei Protesten gegen Teilmobilisierung
Bei Demonstrationen gegen die Teilmobilmachung in Russland sind nach Angaben von Bürgerrechtlern in mindestens 38 Städten mehr als 1.400 Menschen festgenommen worden. Das teilte die Organisation OWD-Info mit, die Festnahmen in Russland dokumentiert. Fast ein Viertel der Festnahmen erfolgte demnach in Moskau. Es sind die größten Proteste in Russland seit den Demonstrationen, die es Ende Februar nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gegeben hatte (Die ZEIT).

Nach Teilmobilmachung: Russen setzen sich ins Ausland ab
Seit Kriegsbeginn haben laut EU etwa eine halbe Million Russen ihr Land verlassen – und durch die Mobilmachung verstärkt sich der Trend. Die Dagebliebenen sollen mit viel Geld geködert werden (Tagesschau).

Asyl für russische Kriegsdienstverweigerer?
Mehrere Spitzenpolitiker fordern Asyl für russische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in Deutschland. Hintergrund ist die Teilmobilmachung des Kremls für den Ukraine-Krieg (ZDF).

Großbritannien sieht Probleme bei Teilmobilisierung
Das britische Verteidigungsministerium prophezeit Russland Schwierigkeiten, 300.000 Soldaten zu mustern. Die Teilmobilisierung sei ein Zeichen russischer Schwäche (Die ZEIT).

Russische Scheinreferenden in okkupierten Regionen

Scheinreferenden in besetzten Gebieten haben begonnen
Die Wahllokale haben zunächst in Donezk und Luhansk geöffnet. Die internationale Gemeinschaft erkennt die Abstimmung der russischen Besatzungsmacht zum Beitritt nicht an (Die ZEIT).

Selenskyj reagiert gelassen auf Referenden
In vier von Russland besetzten ukrainischen Gebieten soll in den kommenden Tagen darüber abgestimmt werden, ob sie sich der Russischen Föderation anschließen. Der ukrainische Präsident Selenskyj spielte die Bedeutung der „Referenden“ herunter (Tagesschau).

Scheinreferenden ohne „juristischen Bestand“
Von heute an will Russland in besetzten Gebieten der Ukraine mehrtägige Scheinreferenden abhalten. Vier Regionen sollen so zum russischen Staatsgebiet werden. Völkerrechtliche Substanz haben die Abstimmungen nicht, betonen Experten. Betroffen sind die Regionen Donezk und Luhansk sowie Cherson und Saporischja (Tagesschau).

Weitere Geschehnisse und Berichte

EU bereitet neue Sanktionen gegen Russland vor
Die Außenminister der EU haben neue Strafmaßnahmen gegen Russland angekündigt. Das achte Sanktionspaket folgt auf die Teilmobilmachung der russischen Streitkräfte (Die ZEIT).

Russischer Außenminister Lawrow verlässt UN-Sicherheitsrat direkt nach Rede
Er kam 90 Minuten zu spät, erhob Anschuldigungen gegen die Ukraine und ging wieder: Russlands Außenminister hat einen denkwürdigen Auftritt bei der UNO hingelegt. Sein ukrainischer Amtskollege spottete darüber (Der Spiegel).

Ukraine wirft Russland nach Gefangenenaustausch „brutale” Folter vor
Sieben Monate nach Kriegsbeginn ist es zu einem großen Austausch von Kriegsgefangenen gekommen. Nach Angaben der Ukraine brauchen alle Eingetauschten eine psychologische Behandlung (Tagesspiegel).

Russische Pop-Diva kritisiert Kreml
Die bekannte russische Popsängerin Alla Pugatschowa will aus Solidarität mit ihrem Mann als „ausländische Agentin“ eingestuft werden. Das erklärte sie bei Instagram. Der Ehemann der 73-Jährigen, der Sänger und Fernsehmoderator Maxim Galkin, hatte die Entsendung von Truppen in die Ukraine kritisiert. Am Samstag setzte ihn das Justizministerium auf die Liste sogenannter ausländischer Agenten, weil er angeblich für die Ukraine politisch aktiv sei und von dieser Geld erhalte (Tagesschau).
 

21. September 2022

Russische Teilmobilmachung – Was bedeutet das?
Russland mobilisiert im Krieg gegen die Ukraine hunderttausende Reservisten. Nach Angaben von Putin werden Reservisten mobilisiert, die bereits gedient haben und über „einschlägige Erfahrungen“ verfügen. Verteidigungsminister Schoigu sprach von Reservisten mit Kampferfahrung. Wehrpflichtige und Studenten seien nicht betroffen, ausschließlich jene mit Kampf- und Diensterfahrung. Dabei soll es sich um 300.000 Reservisten handeln. Beobachter sehen darin eine weitere Eskalation. Doch was steckt hinter der ersten russischen Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg? (Deutschlandfunk)

16. September 2022

Was in der vergangenen Woche geschah ...

Ukrainische Gegenoffensive im Norden – Wendepunkt im Krieg?

Nach gut 200 Tagen Krieg scheint eine Wende im Krieg möglich. Die ukrainische Armee rückt im Norden vor, russische Einheiten haben sich offenbar fluchtartig aus der Region Charkiw zurückgezogen. In nur wenigen Tagen ist es den ukrainischen Streitkräften gelungen, eine Fläche von rund 6.000 Quadratkilometern zurückerobern. Militärexperten sprechen von einem gelungenen Ablenkungsmanöver. Wochenlang hat die Ukraine eine Großoffensive im südlichen Cherson angekündigt, dadurch auch russische Einheiten gebunden, um schließlich überraschend eine Offensive im Norden zu starten. Sind dies bereits Anzeichen für eine Wende im Krieg? Die US-Regierung sieht jedenfalls angesichts der militärischen Erfolge der Ukraine eine neue Dynamik im Krieg mit Russland. „Ich denke, was Sie sehen, ist sicherlich eine Verschiebung, ein Momentum der ukrainischen Streitkräfte“, insbesondere im Norden, sagt der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby.

 „Die Großoffensive ist da“
Mit einem überraschenden Blitzangriff in der Region Charkiw ist es ukrainischen Einheiten gelungen, zahlreiche Städte zurückzuerobern, darunter Kupjansk, Isjum und Lyman. Auch den internationalen Flughafen in Donezk sollen sie unter ihre Kontrolle gebracht haben und bis ins Zentrum von Lyssytschansk vorgedrungen sein. Waffen und Munition haben die russischen Streitkräfte auf ihrer überhasteten Flucht offenbar vielerorts zurückgelassen (Redaktionsnetzwerk Deutschland).

Noch kein Wendepunkt im Krieg
Der Ukraine-Experte Wilfried Jilge hat sich verhalten optimistisch zur Gegenoffensive der ukrainischen Armee geäußert. Die Befreiung von Gebieten in der Region Charkiw im Osten des Landes sei bedeutend, mit dem nun oftmals verwendeten Begriff „Wendepunkt“ wäre er aber noch sehr vorsichtig. Er betonte, insgesamt könne man noch nicht davon sprechen, dass die ukrainischen Truppen die Initiative übernommen hätten. Die Ukraine gehe nun zudem in einen harten Winter und könne kein Herunterfahren der Kriegsintensität zulassen, weil die Gefahr einer Umgruppierung der russischen Truppen so groß sei (Deutschlandfunk).

Befreite Gebiete nahe Isjum - Hunderte Gräber und Folterräume
In der von der Ukraine zurückeroberten Region Charkiw sind nach ukrainischen Angaben Hunderte Gräber und mehrere „Folterräume" entdeckt worden. Insgesamt seien nahe Isjum 443 Gräber gefunden worden. Bei den Leichen soll es sich überwiegend um Zivilisten handeln. Viele Opfer starben laut Ukraine durch russische Angriffe, einige seien gefoltert worden, einige seien an Hunger gestorben. Präsident Selenskyj spricht von Kriegsverbrechen. Die UN nennen die Funde schockierend (Tagesschau).

Wie wird Russland reagieren?

Nach den erfolgreichen Gegenangriffen der Ukraine und der Rückeroberung bereits besetzter Gebiete stellt sich die Frage, wie Russland darauf reagieren wird. Welche Optionen sind denkbar? Die Anordnung einer Generalmobilmachung, der Einsatz taktischer Nuklearwaffen, das Eingehen auf Kompromisse und Verhandlungen samt Zugeständnissen an die Ukraine? Russlands Präsident Putin steckt laut dem Russland-Experten Gerhard Mangott in einem Dilemma. Väter und Söhne Russlands über eine Mobilmachung in den Krieg zu schicken, könnte die Stimmung im Land kippen lassen. Dies wird Putin möglichst vermeiden wollen. Ein Einsatz taktischer Nuklearwaffen würde Russland auch noch von seinen bisherigen Partnern wie China und Indien isolieren. Und der Ukraine die bereits besetzten Gebiete wieder zu überlassen, käme einer großen militärischen Niederlage und einem Gesichtsverlust gleich – und wäre zugleich auch ein politisches Risiko für Präsident Putin selbst, so Mangott.

Kreml hält Generalmobilmachung für nicht notwendig
In der Ukraine befreien Kiews Truppen immer mehr Ortschaften, die russischen Streitkräfte ziehen sich zurück. Trotz der Lage an der Front lehnt die Führung in Moskau eine vollständige Mobilisierung weiterhin ab (n-tv).

 „Es ist schlimm, Brüder": Russlands Rechte für „Totalen Krieg"
Putin hadert mit seinen Generälen, Nationalisten beschimpfen das Militär, wittern „Verrat” und rufen nach Mobilisierung und einer Strategie der „Verbrannten Erde” (BR).

Dann könnte Putin Nuklearwaffen einsetzen ...
Sollte Russland weiter in die Defensive geraten und sogar die Gefahr bestehen, dass die Ukraine auf der Krim wieder die Oberhand gewinnt, könnte Putin die Kampfführung eskalieren lassen, so Russland-Experte Gerhard Mangott: „Denn die Krim zu verlieren, würde auch die Position Putins ins Wanken bringen. Dann wäre eine Palastrevolte durchaus möglich, so Mangott. „Und da ist es leider nicht auszuschließen, dass Putin in einem solchen Szenario eben auch zu einer nuklearen Eskalation greifen wird“ (OE24).

„Eine Niederlage kann Putin sich nicht leisten“
Auch wenn die jüngsten ukrainischen Fortschritte beachtlich sind, ist der Krieg nicht vorbei, und die Ukraine hat nicht gewonnen. Eine völlige Niederlage Russlands ist sehr unwahrscheinlich, so der US-Sicherheitsexperte George Friedman. Russland bleibe kaum eine andere Möglichkeit, als weiterzukämpfen. Solange Putin Präsident ist, wird er alles tun, um zu gewinnen, denn weniger als einen Sieg könne er sich nicht leisten. Es sei damit zu rechnen, dass Putin schon bald die Anzahl seiner Soldaten massiv erhöhe..

Lage am Atomkraftwerk Saporischschja

In dem von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerk Saporischschja entspannt sich die Lage derweil etwas. Nachdem alle Reaktoren zunächst abgeschaltet werden mussten, wurde das AKW vorübergegend an zwei Reservestromleitungen angeschlossen. Mittlerweile hängt das AKW wieder am Stromnetz, die Hauptleitung konnte repariert werden. Die externe Energiezufuhr stellt auch die Reaktorkühlung sicher. Trotzdem bleibe die Lage am größten Kernkraftwerk Europas mitten im Kampfgebiet prekär, warnte IAEA-Chef Rafael Grossi, weiterhin käme es im Gebiet zu Kampfhandlungen. „Eine nukleare Schutz- und Sicherheitszone ist dringend erforderlich“, mahnte er. Er habe darüber die ersten Konsultationen mit allen Beteiligten geführt. Ferner hat die IAEA Russland aufgefordert, seine Truppen vom umkämpften Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine zurückzuziehen.

AKW Saporischschja hängt wieder am Stromnetz(17.9.)
Die Unsicherheit um das AKW Saporischschja in der Ukraine bleibt. Doch zumindest hängt das größte europäische Atomkraftwerk wieder am Stromnetz. Die externe Energiezufuhr stellt auch die Reaktorkühlung sicher. Laut IAEA gibt es aber weiterhin Kämpfe in dem Gebiet (n-tv).

IAEA verlangt russischen Rückzug(15.9.)
Der Gouverneursrat der IAEA hat Russland aufgefordert, seine Truppen vom umkämpften Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine zurückzuziehen. Eine entsprechende Resolution wurde verabschiedet, in der von Russland verlangt wird, die Kontrolle wieder an ukrainische Behörden zu übergeben (Deutschlandfunk).

AKW Saporischschja wird mit zweiter Reserveleitung von außen versorgt(13.9.)
Sämtliche sechs Reaktoren des Atomkraftwerks sind heruntergefahren. Das AKW wird nun über eine zweite Leitung mit Strom von außen versorgt (heise).

„In den sichersten Zustand" – Betreiber fährt AKW Saporischschja ganz herunter(12.9.)
Seit Wochen steht Europas größtes Atomkraftwerk Saporischschja unter Beschuss. Der Betrieb war zuletzt nur noch stark limitiert möglich. Nun schaltet die ukrainische Atombehörde Energoatom auch den letzten Reaktor vollständig ab (n-tv).

Nuklearexperte hält zweites Tschernobyl für „höchst unwahrscheinlich"
Im Krieg Russlands gegen die Ukraine ist erstmals auch ein Atomkraftwerk in militärisch umkämpftes Gebiet geraten. Die Sorge vor einem Austritt von Radioaktivität ist groß. Was könnte in Saporischschja passieren, so dass nukleare Strahlung austreten könnte? Es gibt mehrere Szenarien (rbb).

Gegenwind in Russland gegen Präsident Putin

Immer mehr Politiker stellen sich gegen Putin
Sie tun nichts offiziell Verbotenes, sie verlangen nur die Absetzung des russischen Präsidenten Putin. Aus 17 Bezirken in Moskau und St. Petersburg weht dem Kreml-Chef offener Widerstand ins Gesicht: „Wir, die kommunalen Abgeordneten Russlands, glauben, dass die Handlungen von Präsident Wladimir Putin der Zukunft Russlands und seiner Bürger schaden. Wir fordern den Rücktritt von Wladimir Putin vom Amt des Präsidenten der Russischen Föderation!“ (n-tv).

Forderung nach Anklage wegen Hochverrats und Amtenthebung: „Putin ist eine Gefahr für Russland"
Mit ihrem Antrag auf Amtsenthebung von Russlands Präsident Putin sorgt eine Gruppe kommunaler Abgeordneter aus St. Petersburg für Aufsehen. Einer der Initiatoren schildert die Beweggründe des riskanten Vorstoßes (Tagesschau).

Aktuelles Ziel der Ukraine: Die gesamten Gebiete zurückerobern

„Russland kann besiegt werden”
Die Ukraine setzt die Offensive gegen russische Truppen weiter fort. Präsident Selenskyj will das „gesamte Gebiet” der Ukraine, also auch den Donbass und die Krim, zurückerobern: „Unser Ziel besteht darin, unser gesamtes Gebiet zurückzuerobern. Die Rückeroberung ist das Hauptziel“, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj dem US-Nachrichtensender CNN. Spielraum für Verhandlungen sehen beide Seiten gegenwärtig nicht (BR).

Konzept für Nachkriegsordnung: Ukraine will internationale Sicherheitsgarantien
In einem Konzept für eine Nachkriegsordnung soll eine Reihe von Staaten die Sicherheit der Ukraine garantieren – als Vorstufe für eine NATO-Mitgliedschaft. Langfristig ist also eine Mitgliedschaft im NATO-Bündnis das Ziel der Ukraine. Doch zunächst soll die ukrainische Armee für die Zukunft so ausgerüstet und ausgebildet werden, dass sie jederzeit einen russischen Angriff abwehren kann. Eine Gruppe von Ländern soll  dabei die Sicherheit der Ukraine garantieren. Als mögliche Garantiestaaten werden in diesem Konzeptpapier genannt: die USA, Großbritannien, Deutschland, Kanada, Polen, Italien, Frankreich, Australien, die Türkei sowie die Länder Nordeuropas und des Baltikums (Deutsche Welle).

9. September 2022

Was in der vergangenen Woche geschah ...

Die Lage an der Front

Ukraine rückt im Osten und Süden weiter vor 
Die ukrainische Armee verzeichnet im Osten und im Süden des Landes Geländegewinne. Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von „guten Nachrichten aus der Region Charkiw“ (ZDF).

Wie weit ist die ukrainische Gegenoffensive in Cherson?
Während die Ukraine bei der Rückeroberung Chersons erste Erfolge reklamiert, wirkt Russlands Führung zunehmend nervös. Noch zeigt das Kampfgeschehen im Süden der Ukraine nicht eindeutig, wer von beiden Kriegsparteien Grund zur Sorge hat (Tagesschau).

Ukraine erobert laut Selenskyj 1.000 Quadratkilometer
Die Ukraine vermeldet Erfolge im Krieg gegen Russland: Laut Präsident Selenskyj konnte die Armee seit 1. September ein Gebiet von mehr als 1.000 Quadratkilometern zurückerobern (ZDF).

Ukraine bekennt sich zu Angriffen auf der Krim
Die Ukraine hat eingeräumt, für die Explosionen auf russischen Krim-Stützpunkten vor rund vier Wochen verantwortlich zu sein. Bei den Offensiven im Süden und Osten macht die ukrainische Armee offenbar Fortschritte (Tagesschau).

Die Lage am AKW Saporischja

IAEA zeigt sich über Situation am Atomkraftwerk besorgt(06.09.)
Experten der Internationalen Atomenergie-Organisation haben das von Russland besetzte Kraftwerk in der Südukraine inspiziert. Jetzt ziehen sie Bilanz und verlangen schnelle Maßnahmen (Der Spiegel).

Notabschaltung von letztem noch arbeitenden Reaktor am AKW Saporischja(5.09.)
Kämpfe rund um das AKW Saporischschja haben offenbar ein Feuer ausgelöst, das eine Stromleitung beschädigt hat. Dies teilte der ukrainische Betreiber mit. Alle Reaktoren wurden heruntergefahren (Der Spiegel).

Doch keine dauerhafte Präsenz der IAEA am AKW Saporischja?  (04.09.)
Von russischer Seite wird infrage gestellt, dass die IAEA-Vertreter länger im besetzten AKW Saporischschja sein werden. In der Ukraine glauben viele ohnehin nicht an einen Erfolg der Mission. Die Kämpfe gehen an vielen Frontabschnitten weiter (Tagesschau).

AKW hängt nur noch an Reserveleitung(03.09.)
Laut IAEA ist das AKW Saporischschja auch von seiner letzten Hauptstromleitung getrennt worden. Es hänge noch an einer Reserveleitung und liefere weiter Strom. Der türkische Präsident Erdogan bot an, im Streit um das Kraftwerk zu vermitteln (Tagesschau).

Weitere Geschehnisse und Berichte

USA kündigen neue Milliardenhilfen an
Die USA haben neue Hilfspakete für die Ukraine angekündigt. Ein Teil des Geldes soll auch an andere Staaten Europas gehen. Deutschland will künftig ukrainische Minenräumer ausbilden (Tagesschau).

UN besorgt über Verschleppungen aus der Ukraine
Die USA werfen Russland vor, Hunderttausende Menschen aus der Ukraine in teils entlegene Gebiete verschleppt zu haben. Auch andere wichtige UN-Vertreter zeigen sich besorgt (ZDF).

Ukrainischer Ministerpräsident auf Deutschlandbesuch
„Sehr fruchtbar“ seien die Gespräche mit Kanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier gewesen, so der ukrainische Regierungschef Schmyhal. Er danke Deutschland für die Unterstützung, forderte aber zugleich weitere schwere Waffen (Tagesschau).

Scholz lehnt offenbar ukrainische Bitte um mehr schwere Waffen ab
Ein Rüstungskonzern wollte Leopard-2-Panzer an die Ukraine liefern. Bundeskanzler Scholz sagte den Export laut einem Medienbericht aber nicht zu – trotz einer Bitte des ukrainischen Ministerpräsidenten (Der Spiegel).

Russland nimmt mit Energieexporten mehr Geld ein, als es für Krieg ausgibt
Noch immer erzielt Russland laut einer neuen Analyse Rekorderlöse mit fossilen Brennstoffen, welche die Kosten des Ukrainekriegs deutlich übersteigen. Ganz vorne dabei als Abnehmer ist Deutschland (Der Spiegel).

Putin droht mit Ende des Getreideabkommens
Der russische Präsident Putin behauptet, durch das Abkommen über Getreideexporte mit der Ukraine, der UNO und der Türkei würden Entwicklungsländer „betrogen“. Der Kremlchef kündigt zudem neue Abnehmer für russisches Gas an (Der Spiegel).

2. September 2022

Was in der vergangenen Woche geschah ...

Ukraine meldet Start der Gegenoffensive im Süden

Gegenschläge um Cherson: Wie läuft Phase 1 der ukrainischen Offensive?
In dieser Woche hat die Ukraine laut eigenen Aussagen ihren lang erwarteten Gegenangriff in der von Russland besetzten Region Cherson gestartet. Präsident Selenskyj bestätigte dies und versprach, alle besetzten Gebiete zurückzuerobern. Die Offensive starte in fünf verschiedene Richtungen gleichzeitig. Die große Offensive wurde offenbar so lange hinausgezögert, da entsprechend langwierige Vorbereitungen vorausgingen. Mittels konzentriertem Artilleriebeschusses und Luftangriffen sei es gelungen, die Nachschublinien und die Luftabwehr der russischen Streitkräfte sowie ihre lokalen Kommandostrukturen zu schwächen. So wurden etwa die Nachschublinien der westlich des Flusses Dnipro stationierten russischen Streitkräfte zu großen Teilen untergraben. Russische Munitionsdepots, Kommandoposten, Verkehrsknotenpunkte und vor allem drei Brücken, die über den Dnipro im besetzten Gebiet Cherson führen, wurden von ukrainischen Streitkräften zerstört (ZDF).

Ukraine will „Schlachtfeld von hinten austrocknen”
Kiew meldet, ukrainische Truppen hätten die ersten russischen Frontlinien im Gebiet Cherson durchbrochen, woraufhin erste russische Einheiten sich zurückgezogen hätten. Auch im Lagebericht des britischen Geheimdienstes heißt es, die Ukrainer hätten die russischen Streitkräfte stellenweise etwas zurückgedrängt und dabei Schwachpunkte der russischen Verteidigungslinien ausgenutzt. „Es sieht alles danach aus, dass das jetzt wohl eine größere Operation ist”, so Sicherheitsexperte Joachim Weber von der Universität Bonn. Andere Kriegsbeobachter warnen, es sei noch zu früh, die jüngsten Angriffe im Gebiet Cherson bereits mit einer großen Gegenoffensive zu betiteln. Russland selbst spricht von „gescheiterten Vorstößen“. Jedenfalls sei die Bedeutung der Kämpfe im Süden extrem hoch einzuschätzen, so der Militärexperte Carlo Masala. „Wenn die Ukraine Cherson zurückerobern sollte, würde sie die Russen zurück über den Dnjepr schicken. Russland könnte dann keine Landbrücke zwischen dem Osten und dem Süden bis runter zur Krim schaffen. Gleichzeitig würde die Eroberung von Odessa fast völlig unmöglich werden.“ Für Russland käme dies einer „massiven Niederlage“ gleich (n-tv).

Lage am Atomkraftwerk Saporischja

IAEA möchte dauerhafte Beobachtermission
Eine Beobachtermission der Internationalen Atombehörde IAEA ist in dem von Russland besetzten Atomkraftwerk Saporischschja eingetroffen, um vor Ort die Lage zu überprüfen, berichtet die ukrainische Atombehörde „Enerhoatom“. Die Reise dient der Sicherung von Europas größtem Atomkraftwerk, das im Krieg zwischen Russland und der Ukraine immer wieder unter Beschuss gerät. Zeitweise war dadurch die Stromversorgung und somit die Kühlung der Brennstäbe unterbrochen. Würde es zu einem längeren Ausfall kommen, könnte dies katastrophale Folgen nach sich ziehen. Manche der Reaktoren wurden zeitweise abgeschaltet. Wie die IAEA nun mitteilte, möchte sie eine dauerhafte Mission etablieren (ZDF).

Lage auf der Halbinsel Krim

Warum die Krim ins Zentrum des Ukraine-Krieges rückt
In den vergangenen Wochen war es zu mehreren Attacken auf militärische Ziele auf der Halbinsel gekommen. Dabei wurden auch Munitionsdepots und militärische Infrastruktur zerstört. Reisende in den Tourismusgebieten haben teils fluchtartig die Insel verlassen. Moskau sprach von Sabotage, Kiew übernimmt offiziell keine Verantwortung für die Angriffe. Präsident Selenskyj hat jedoch wiederholt betont, man werde das seit 2014 okkupierte Territorium zurückholen. „Für die Ukraine ist es zum einen symbolisch wichtig, dass sie in der Lage ist, die Krim anzugreifen“, so Russland-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Man wolle deutlich machen, dass in den besetzten Gebieten niemand mehr sicher sei. Zum anderen sei es der Ukraine darum gegangen, die „Versorgungsrouten zu treffen, auf denen die russischen Truppen im noch besetzten Cherson mit Waffen beliefert werden“ (Merkur).

Unruhestiftung oder Strategie? Was hinter den Krim-Angriffen stecken könnte
Seit einem Monat häufen sich Angriffe und Explosionen auf der Krim. Für Russland ist die Krim ein militärisch wichtiger Stützpunkt. Moskau hat dort seit der Annexion 2014 seine Militärpräsenz massiv ausgebaut. Im aktuellen Krieg fliegt Russland von der Krim aus viele Angriffe auf den Süden der Ukraine. Auf der dortigen Luftwaffenbasis befanden sich Dutzende russische Flugzeuge. Wegen der jüngsten Angriffe hat Russland viele davon bereits in Russland in Sicherheit gebracht. Insgesamt wurden laut dem ukrainischen Geheimdienst mindestens 24 Flugzeuge und 14 Hubschrauber innerhalb der Krim oder auf russisches Festland verlegt (n-tv).

Konflikt mit Moldau

Russland droht Moldau mit militärischen Maßnahmen
Russland droht der Republik Moldau mit einem militärischen Eingreifen. Sollte die Sicherheit russischer Truppen in der von Separatisten beherrschten Region Transnistrien bedroht werden, riskiere Moldau damit einen militärischen Konflikt mit Russland, erklärte Außenminister Sergej Lawrow. „Jede Gefährdung der Sicherheit russischer Truppen (in Transnistrien) würde nach internationalem Recht als ein Angriff auf Russland gewertet.“ Moldau fordert den Abzug der russischen Truppen. Seit Längerem gibt es in Moldau die Befürchtung, dass der Kreml seine Armee nach der Ukraine auch in ihr Land einmarschieren lassen könnte (Spiegel).

WeitereInformationen über den aktuellen Transnistrien-Konflikt.

Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Ukraine Krieg 2022 - Zeitleiste | Grafik: Andrea Kampmann

In unserer ausführlichen Chronologie halten wir die Ereignisse der Jahre 2014 – 2022 detailliert fest.

Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Ukraine - Donbass. Lizenz: by-nc-nd/3.0/de mr-kartographie, GothaLizenz, Bundeszentrale für politische Bildung 2017

Ende November 2013 kam es in der Ukraine zu Massenprotesten. Die ukrainische Regierung hatte am 21. November 2013 ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU gestoppt und damit das Land in eine tiefe Krise gestürzt. Der Westen des Landes wünscht sich eine stärkere Anbindung der Ukraine an Europa, Präsident Viktor Janukowitsch jedoch suchte die Annäherung an Russland. Dieser Entscheidung folgten monatelange Proteste gegen den Kurs der Staatsführung von Präsident Janukowitsch und Ministerpräsident Mykola Asarow auf dem Maidan-Platz in Kiew. Die Protestaktionen weiteten sich über das ganze Land aus. Die Menschen forderten die Wiedereinführung der Verfassung von 2004, vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen, eine unabhängige Justiz und die Bekämpfung der Korruption. Präsident Janukowitsch erklärt sich schließlich zu Neuwahlen bereit. Dennoch enthob das Parlament Janukowitsch seines Amtes und stellte eine Übergangsregierung auf.

Damit hatten die eigentlichen Probleme erst angefangen. Im Osten der Ukraine und besonders auf der Halbinsel Krim entzündete sich ein neuer Konflikt. Sewastopol auf der Krim ist der Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte. Russischsprachige Einheiten - Moskau sprach von „einheimischen Selbstverteidigungskräften” - ohne Hoheitsabzeichen kontrollierten nach und nach die gesamte Halbinsel, vor allem aber die Militäranlagen. Russische Kriegsschiffe hatten das Mittelmeer verlassen und verstärkten die Flotte im Schwarzen Meer. Damit verletzte Russland den Stationierungsvertrag über die Schwarzmeerflotte, der ein Maximum an Soldaten und Material sowie beschränkte Bewegungsfreiheit vorsieht.

Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Agitations-Plakat für das DPR-
Unabhängigkeits-Referendum
am 11. Mai 2014 in Donezk.
Foto: Flickr by Karl-Ludwig Poggemann.
CC BY 2.0.

Am 16. März 2014 hatten sich die mehrheitlich russischsprachigen Bürgerinnen und Bürger der Krim in einem umstrittenen Referendum entschieden, sich Russland anzuschließen. Kreml Chef Wladimir Putin machte auch gleich Nägel mit Köpfen und schaffte die rechtliche Voraussetzung, die Halbinsel in die Russische Föderation aufzunehmen. Damit wurde ein Teil der Ukraine abgespalten. Der Westen verurteilte Russlands Annexion der Krim als völkerrechtswidrig.

Im Osten der Ukraine gibt es seither gewalttätige Ausschreitungen zwischen dem westlich-orientierten und dem prorussischen Bevölkerungsanteil. Prorussische Separatisten und ukrainische Militärs bekämpfen sich. Brandherde sind die Städte Lugansk, Odessa, Charkow und Slawjansk. Ein weiterer Höhepunkt der Abspaltungsentwicklung im Land: Pro-russische Separatisten initiierten am 11. Mai 2014 in Donezk und Lugansk ein Referendum für die Abspaltung von der Ukraine.

Die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung der Krise liefen auf Hochtouren. Alle Gespräche der EU-Vertreter mit Präsident Putin brachten bislang aber keine Ergebnisse. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurden in die Ukraine entsandt. Mit der Präsidentschaftswahl am 25. Mai 2014 und ihrem eindeutigen Gewinner Petro Poroschenko hofften die Ukrainer und die internationale Gemeinschaft auf Entspannung.

Die Hoffnung auf Entspannung trügte. Nach dem Abschuss einer Passagiermaschine - Flug MH17 - von Malaysia Airlines und 298 Todesopfern am 17. Juli 2014 hat die Ukraine-Krise eine neue Dimension erreicht und weltweites Entsetzen ausgelöst. Ein internationales Untersuchungsteam macht zwei Jahre später Russland für die Katastrophe verantwortlich. Eine russische Buk-Rakete aus einem von Rebellen gehaltenen Dorf hätte die Maschine abgeschossen. Der Kreml dagegen beschuldigt die Ukraine. Neuen russische Radardaten zufolge sei das Flugzeug nicht vom Gebiet der prorussischen Separatisten aus beschossen worden. Die internationalen Ermittler haben vier Jahre nach dem Abschuss von Flug MH17 über der Ostukraine die Waffe einer russischen Militärbrigade zugeordnet. Die von den Niederlanden geleitete Untersuchungskommission ist zu dem Schluss gekommen, dass die Rakete des Flugabwehrsystems vom Typ Buk von der 53. Flugabwehrbrigade im russischen Kursk stammte. Zahlreiche Fotos, Videos und Zeugenaussagen würden das belegen. Russland weist bislang alle Vorwürfe zurück und macht die Ukraine verantwortlich. Kein Luftabwehrsystem habe jemals die ukrainische Grenze überquert.
Wikipedia: Malaysia-Airlines-Flug 17

Bei den Parlamentswahlen im  Oktober 2014 erzielten die pro-europäischen Parteien  einen überwältigenden Sieg. Die prorussischen Separatisten, die eine Unabhängigkeit von der Ukraine anstreben, lehnten die Wahl jedoch ab. Sie hatten daraufhin am 2. November 2014 ihre eigenenRepublikchef- und Parlamentswahlenin den „Volksrepubliken” Donezk und Lugansk durchgeführt. Erwartungsgemäß wurden die RebellenführerIgor Plotnizki (Lugansk) und Alexander Sachartschenko (Donezk) zum Sieger der Ostukraine-Wahl erklärt. Zur Wahl standen nur prorussische Gegenkandidaten. In die Volksräte zogen die von Plotznizki und Sachartschenko geführten Bewegungen mehrheitlich ein. Oppositionparteien traten keine an.

In der Hoffnung auf eine Befriedung der Situation wurde im Herbst 2014 von Kiew und den prorussischen Separatisten eine „Vereinbarung von Minsk" ausgehandelt, welche eine Waffenruhe vorsah. Die Feuerpause war allerdings brüchig, die Regierung in Kiew und die Separatisten im Osten der Ukraine berichteten laufend von Verletzungen der Waffenruhe. Schon im Januar 2015 spitzte sich die Lage wieder zu. Ukrainische Regierungstruppen starteten einen Großangriff auf den umkämpften Flughafen der Stadt Donezk, die Separatisten starteten ihrerseits eine Offensive. Auch mit dem neuen Abkommen  Minsk II, auch Minsker Abkommen genannt,  das im Februar 2015  aufgesetzt wurde, konnte keine nachhaltige Waffenruhe im Donbass erzielt werden.

Viele Fragen im Ukraine-Konflikt bleiben seither ungeklärt. Die eigentlich geltende Waffenruhe wurde in den vergangenen Jahren immer wieder von beiden Seiten verletzt, auch wenn die Kampfhandlungen zeitweise abnahmen.  Auf Seiten der ukrainischen Truppen und prorussischen Separatisten kamen nach UN-Angaben  bislang (Stand 2021) mehr als 13.000 Menschen ums Leben. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sind über 800.000 Menschen auf der Flucht. Es gibt Berichte von Haft, Folter und Repressionen. Ein großer Teil der Infrastruktur um Donezk, Lugansk und Gorlowka wurde zerstört, Strom und Trinkwasser gibt es nur stark eingeschränkt.

Im März 2021 sind die Auseinandersetzungen im Donbass wieder aufgeflammt. Angesichts der erneuten Eskalation der Lage hat Russland ein großes Truppenaufgebot mit rund  100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine  und auf der annektierten Halbinsel Krim  zusammen gezogen. Jüngst kam in Belarus – zum Zwecke eines gemeinsamen Militärmanövers wie beide Führungen verlautbarten - ein Aufgebot von weiteren  30.000 Soldaten sowie militärisches Gerät hinzu.  Die Ukraine und der Westen befürchten, Russland könnte eine Invasion planenund im umkämpften Gebiet im Dombass einmarschieren. Russland bestreitet ein solches Vorhaben und fordert von der NATO und den USA Sicherheitsgarantien, vor allem einen Stopp der NATO-Osterweiterung. Nach Wochen diplomatischer Bemühungen sind die Verhandlungen gescheitert. Russland hat am  24. Februar einen Angriffskrieg auf die Ukaine gestartet mit dem Ziel, das ganze Land unter seine Kontrolle zu bringen.


Eine zusammenfassende Darstellung des Konflikts um die Ukraine bietet die Bundeszentrale für politische Bildung in einem Konfliktporträt aus dem Jahr 2020:

Konfliktporträt „Ukraine”


In der Hoffnung auf eine Befriedung der Situation wurde im Herbst 2014 von Kiew und den prorussischen Separatisten eine „Vereinbarung von Minsk” ausgehandelt, die eine Waffenruhe vorsah. Die Feuerpause war allerdings brüchig. Die Regierung in Kiew und die Separatisten im Osten der Ukraine berichteten laufend von Verletzungen der Waffenruhe. Vertreter der Separatisten, der russischen Regierung und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollten in Minsk mit den Vertretern Kiews über weitere Schritte zum Frieden verhandeln.

Da die Vereinbarungen von Minsk nicht umgesetzt wurden, haben sich die Konfliktparteien im Februar 2015  auf eine erneute Waffenruhe im Donbass geeinigt und bei einem Treffen in Minsk die Vereinbarung Minsk II, auch Minsker Abkommen genannt,ausgehandelt. Es baut auf den ersten Minsker Vereinbarungen vom September 2014 auf. Das Abkommen wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten François Hollande, dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko sowie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erzielt. Minsk II ist ein 13 Punkte umfassendes Abkommen, das die heftigen Kämpfe im Osten der Ukraine durch politische Prozesse beenden – und langfristig für Frieden sorgen – sollte. Unter anderem  sollten die schweren Waffen abgezogen und eine entmilitarisierten Pufferzone eingerichtet werden.
Minsker Abkommen vom 12 Februar 2015
 

In den folgenden Jahren kam es jedoch beiderseits  immer wieder zur Verletzungen der Waffenruhe. Auch die Vereinbarungen des Abkommens wurden nur bedingt umgesetzt. Laut Minsker Abkommmen sollte neben einer Waffenruhe  der Abzug schwerer Waffen aus einer Pufferzone sowie der Rückzug aller ausländischen Kämpfer, Söldner und Waffen unter Aufsicht der OSZE erfolgen, was beide Konfliktparteien nicht umgesetzt haben. Was die politische Zukunft des Donez-Beckens anbelangt, hatte das Minsker Abkommen verlangt, die Ukraine solle ihre Verfassung reformieren und allen Regionen mehr Selbstständigkeit zugestehen. Das Donez-Becken solle zwar Teil der Ukraine bleiben, aber mit einem Sonderstatus. Die Verhandlungsführer der Donezker „Volksrepublik" hatten angeprangert, dass in dieser Hinsicht keine Umsetzung erfolgt sei.

Mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der 2019 sein Amt antrat, kamen neue Hoffnungen auf, dass sich doch wieder etwas im festgefahren Minsker Friedensprozess bewegen könnte. Selenskyj erklärte gleich nach seinem Wahlsieg: „Wir werden den Minsker Prozess fortsetzen und ihn neu starten. Und alles dafür tun, dass die Waffenruhe eingehalten wird.“ Allerdings wurde die Aussicht auf Frieden immer wieder durch ein erneutes Aufflammen der Auseinandersetzungen getrübt.

Im aktuellen Konflkt 2021/22 setzten die Konfliktparteien anfangs erneut auf die Einhaltung des Minsker Abkommens. Sowohl der russische Präsident Putin als auch der ukrainische Staatschek Selenskyj hatten sich in Verhandlungen mit dem französischen Präsidenten Macron zunächst bereit erklärt, sich an die Umsetzung der Vereinbarungen des Minsker Abkommens zu machen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte in Absprache mit US-Präsident Joe Biden immer wieder an die Konfliktparteien appelliert, das Abkommens einzuhalten. Mit der Anerkennung der selbsternannten und international nicht anerkannten „Volksrepubliken” Donezk und Luhansk hat Russlands Präsident Putin am 21. Februar 2022 jedoch neue Tatsachen geschaffen und endgültig mit den Vereinbarungen des Minsker Abkommens gebrochen. Der anschließend begonnene Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine setzte dem Friedensprozess ein Ende.

Die Vereinbarungen des Minsker Abkommens von 12. Februar 2015 im Wortlaut (englisch)

Eine zusammengefasste Darstellung der 13 Punkte auf Deutsch

Es steht viel auf dem Spiel, denn Europa und Russland sind eng miteinander verflochten. Russland ist neben den USA und China der drittwichtigste Handelspartner der EU. Rund zwei Drittel des Warenaustauschs Russlands  mit Europa entfielen auf russische Lieferungen nach Europa, vor allem von Rohöl, Ölprodukten, Gas und Kohle. Auch das Handelsvolumen zwischen Russland und Deutschland ist beträchtlich. Deutschland liefert Maschinen, Anlagen und Chemieprodukte nach Russland. Eine Aussetzung oder Einschränkung von Lieferungen trifft die Wirtschaft auf beiden Seiten entsprechend. Längerfristig hat Russland auch Alternativen. China und Indien stehen bereit, Ausfälle zumindest teilweise zu kompensieren. Der Westen wiederum wird nun versuchen, sich von Russland künftig unabhängiger zu machen und auf andere Quellen und Partner zu setzen.

Bereits im Zuge des Konflikts 2013/14 hatten die Europäische Union und die USA Sanktionen in Form von Einreiseverboten und Kontensperrungen gegen russische und ukrainische Politiker verhängt. Weitere wirtschaftliche Einschränkungen für Russland im Bankensektor folgten. Aufgrund der fortwährenden Auseinandersetzungen wurden die Sanktionen schließlich  bis 2021 verlängert.

Auch zu Beginn des sich erneut zuspitzenden Konflikts um die Ukraine  2021/22 ging es zunächst noch um die auch in der Vergangenheit üblicherweise verhängten wirtschaftlichen Sanktionen, welche in erster Linie Staatsunternehmen und Oligarchen treffen sollen, um  Kontensperrungen und Einreiseverbote. Mit der zunehmenden Eskalation verschärften sich die Sanktionsdrohungen deutlich. Seitens der USA hatte US Präsident Joe Biden Putin für den Fall einer Invasion mit Sanktionen gedroht, „wie er sie noch nie gesehen hat".

Ein kompletter Ausschluss etwa aus dem internationalen Finanztransaktionssystem Swift gilt dabei als besonders schmerzhaft für Russland, würde aber zwangsläufig auch Unternehmen in Europa und den USA schaden (mögliche Folgen eines Swift-Ausschlusses). Indessen wurde ein teilweiser Ausschluss beschlossen, indem wichtige russische Banken aus dem Zahlungsverkehr ausgeschlossen wurden.

Politisch heftig umstritten im Zusammenhang mit möglichen Sanktionen war ferner die noch nicht in Betrieb genommene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, welche Erdgas aus Russland direkt nach Deutschland liefern sollte. Geht die Pipeline nicht in Betrieb, wird dies auch Deutschland erheblich treffen, über die Hälfte seiner Erdgasimporte hat Deutschland in den vergangenen Jahren aus Russland bezogen. Während der Energiewende wird Deutschland noch für einige Zeit weiter auf ausreichend Erdgaslieferungen angewiesen sein (wie abhängig ist Deutschland von russsischem Erdgas?)

Die Sanktionen  auf den von Russland begonnenen Krieg in der Ukraine haben inzwischen eine neue Dimension erreicht. Sowohl die USA als auch die EU und einige weitere Länder wie Großbritannien, Kanada, Australien und Japan haben beispiellos harten Sanktionen verhängt bzw. sind dabei, diese sukzessive zu verschärfen.

Die neuen Wirtschaftssanktionen des Westens gegen Russland zeigen bereits Wirkung. So hatte etwa der Rubel in der Nacht der Einführung der neuen Sanktionen massiv an Wert verloren und war auf ein Rekordtief gefallen, stieg dann nach Maßnahmen der russischen Zentralbank wieder. Was bedeutet das für Banken, Konzerne, Investoren - und sind noch schärfere Maßnahmen denkbar? Ein Überblick der Tagesschau.

Seit Start der Sanktionen Mitte März ist das russische Bruttoinlandsprodukt laut einem Forscherteam der US-Universität Yale stark zurückgegangen. Die russische Zentralbank rechnet für 2022 mit einem Minus der eigenen Wirtschaftsleistung von 6 Prozent. Krieg und Sanktionen haben laut Analyse mehr als 1.000 globale Unternehmen aus Russland vertrieben, die rund 40 Prozent des BIP ausmachten und 12 Prozent der Arbeitnehmer (5 Millionen) stellten. Ein Teil der Geschäfte wurde von russischen Unternehmen fortgeführt. In einigen Sektoren der russischen Wirtschaft, wie etwa der Luftfahrt oder der Autoindustrie, geht aktuell fast gar nichts mehr. Der Maschinenpark der russischen Industrie, der größtenteils importiert ist, kann in vielen Unternehmen nicht mehr erneuert werden und verschleißt nach und nach. Eine halbe Million Menschen haben bereits das Land verlassen, viele von ihnen hoch qualifizierte Fachkräfte.

Präsident Putin hat Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf bestimmte Branchen und Regionen eingeräumt. Unternehmen, die auf Zulieferungen aus Europa angewiesen seien, hätten zu kämpfen, sagte Putin beim Wirtschaftsforum Anfang September in Wladiwostok.

Deutschland
Als Reaktion auf die russische Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf Eis gelegt.
Deutschland hat sich den Sanktionen der EU angeschlossen.

Europäische Union
Seit Februar hat die EU mehrere Sanktionspakete gegen Russland verhängt, darunter gezielte restriktive Maßnahmen gegen Einzelpersonen (individuelle Sanktionen), Wirtschaftssanktionen und diplomatische Maßnahmen.

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben bei einem Sondergipfel des Europäischen Rats ein umfangreichen Sanktionspaket gegen Russlands  beschlossen:

  • Sanktionen gegen die 351 Mitglieder der russischen Staatsduma (Unterhaus des Parlaments), die am 15. Februar für den Appell an Präsident Putin, die Unabhängigkeit der selbsternannten „Republik Donezk“ und der selbsternannten „Republik Luhansk“ anzuerkennen, gestimmt haben;
  • Sanktionen gegen weitere 27 Personen und Organisationen, die zur Untergrabung und Bedrohung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine beigetragen haben;
  • Beschränkungen der Wirtschaftsbeziehungenzu den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten der ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk;
  • Beschränkungen der Fähigkeit des russischen Staates und der russischen Regierung, Zugang zu den Kapital- und Finanzmärkten und den Kapital- und Finanzmarktdienstleistungen der EU zu erlangen.
  • Am 7. April 2022 wurde ein Importverbot für russische Kohle beschlossen
  • Im Juni hat die EU ein Embargo gegen per Schiff transportiertes russisches Öl (mit Übergangsfristen) verhängt.
  • Das Einfuhr-Verbot für Rohöl soll ab Ende des Jahres vollständig greifen.
  • Der EU-Luftraum wird für alle in russischem Besitz befindlichen, in Russland registrierten oder von Russland kontrollierten Flugzeuge geschlossen.
  • Der Zugang Russlands zu wichtigen Schlüsseltechnologien wie Halbleitern, modernster Software sowie zu Dual-Use-Gütern wurde beschränkt.

Sanktionen gegen Putin und Lawrow
Die EU hat das Paket erweitert und will nun auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow auf ihre Sanktionsliste setzen. Das bedeutet, dass sich auf Banken in der Europäischen Union befindliche Vermögenswerte eingefroren werden. Unklar ist ob auch ein Einreiseverbot gelten soll.

Verschärftes Sanktionspaket gegen Russland und Belarus
Die EU wird die Sanktionen weiter ausbauen, so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Dazu gehöre eine weitere Auflistung von Personen, deren Vermögenswerte in der EU eingefroren werden, ein Verbot für die Ausfuhr von Schifffahrtsausrüstung sowie der Ausschluss dreier belarusischer Banken aus dem Bankenkommunikationssystem SWIFT.

Einen Überblick über die von der EU verhängten Sanktionen bietet eine von der Europäischen Union veröffentlichte Zeitleiste.

Auch die Schweiz setzt die Sanktionspakete der EU um, obwohl sie selbst kein Teil der EU ist, und in der Vergangenheit wiederholt ihre Neutralität betont hatte.

USA

Auch die USA verhängt harte Finanzsanktionen: Die russische Regierung werde durch umfassende Sanktionen gegen öffentliche Schuldtitel des Landes von „westlicher Finanzierung abgeschnitten”. Verhängt würden demnach Sanktionen gegen große russische Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer Putins und deren Familien. Die USA plant darüber hinaus noch härtere Strafmaßnahmen. Im Falle weiterer Eskalationen sei „keine russische Finanzinstitution sicher”. US Präsident Biden kündigte zudem an, die USA und ihre Verbündeten würden Russland den Status als „meistbegünstigte Nation“ entziehen. Durch diesen Schritt werden Zollerhöhungen und weitere Handelsbeschränkungen ermöglicht. Darüber hinaus wurde ein Importverbot für bestimmte russische Güter beschlossen. Wirtschaftssanktionen der US-Administration zielen zudem darauf ab, Russland den Zugang zu westlichen Technologien zu verwehren.

USA verhängen Importstopp für russiches Öl
Präsident Biden hat am 8.3.2022 Ukraine ein Importverbot für Rohöl aus Russland verkündet. Das sei ein gewaltiger Dämpfer für die Kriegsabsichten von Staatschef Wladimir Putin, sagte Biden. Die Maßnahme sei mit europäischen Verbündeten abgestimmt. Man wisse aber, „dass viele unserer europäischen Verbündeten und Partner möglicherweise nicht in der Lage sind, sich uns anzuschließen”, fügte er hinzu. „Wir können also diesen Schritt unternehmen, wenn andere es nicht können.” Auch Großbritannien kündigt ein Ende von Ölimporten aus Russland an.
Was ein russisches Öl-Embargo für Deutschland bedeuten würde?

Eineschränkung der Handelsbeziehungen zu Russland
Der Entzug des Stauts als „meistbegünstigte Nation“ könnte den Weg für Zollerhöhungen und Handelsbeschränkungen ebnen. Die sogenannte Meistbegünstigung ist ein zentrales Prinzip in der internationalen Handelspolitik und besagt im Wesentlichen, dass einem Land die selben Vorteile gewährt werden wie auch anderen Handelspartnern.

US Sanktionen gegen russische Firmen und Personen
Die US-Regierung verhängt wegen des Angriffs auf die Ukraine weitere Sanktionen gegen russische Firmen und Personen. Das US-Außenministerium und das US-Finanzministerium teilten Ende März in Washington mit, 21 Unternehmen und 13 Personen würden mit Strafmaßnahmen belegt. Auch solle Russland weiter der Zugang zu westlichen Technologien verwehrt werden.Davon betroffen sind die Luft- und Raumfahrt, die Schifffahrt und den Elektronik-Sektor.
 

Gemeinsame Sanktionen:

G7-Staaten schließen sich Finanzsanktionen der EU und USA an
Auch weitere Länder wie Kanada,  Australien und Japan schließen sich den Finanzsanktionen der EU und der USA an. Bei einem Gespräch mit den Staats- und Regierungschefs der G7-Staatengruppe sei vereinbart worden, bei „verheerenden Sanktionspaketen und weiteren wirtschaftlichen Maßnahmen” gemeinsam voranzuschreiten, „um Russland zur Rechenschaft zu ziehen”, erklärte Biden

SWIFT-Ausschluss russischer Banken
Die EU haben zusammen mit den USA und anderen westliche Verbündeten  Ende Februar 2022 einen Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift beschlossen. Der Ausschuss aus dem Swift-System betrifft jene Banken, „die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind” sowie weitere Banken, sollte dies „erforderlich" sein. „Damit sollen diese Institute von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden, was ihr globales Agieren massiv einschränken wird„, erklärte der Sprecher der Deutschen Bundesregierung Hebestreit.  EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärt, man wolle Putin wirtschaftlich isolieren und an der "Finanzierung seines Krieges" hindern. Betroffen ist nicht der gesamte Zahlungsverkehr, Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck hatten sich für „eine gezielte und funktionale Einschränkung von Swift“ ausgesprochen.

Unternehmen weltweit brechen Geschäftsverbindungen mit Russland ab
Die Liste westlicher Unternehmen, die sich aus Russland zurückziehen, wird immer länger. Große Öl- und Energiekonzerne machten den Anfang, nun erfasst die Massenabwanderung immer mehr Branchen bis hin etwa zur Automobilbranche. Einige Unternehmen sind zu dem Schluss gekommen, dass die Risiken  für ihren Ruf und ihre Finanzen zu groß sind, um weiterhin  Geschäftsaktivitäten mit Russland zu betrieben.

EU, USA  und Kanada sperren Luftraum für russische Flugzeuge
Nach der Europäischen Union und Kanada schließen auch die USA ihren Luftraum für russische Flugzeuge. Dies werde Russland weiter isolieren, sagt US-Präsident Joe Biden in seiner ersten offiziellen Rede zur Lage der Nation.

Weltsport isoliert Russland
Das Internationale Olympischen Komitee hat empfohlen, russische und belarussische Sportler und Funktionäre nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen zu lassen. Fast zeitgleich schloss sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) den weltweiten Forderungen nach ebendiesen Maßnahmen an. Auch die FIFA will Russland für die Fussball-WM suspendieren. Die UEFA hat sich der Suspendierung angeschlossen. Zahlreiche weitere Verbände und Organisatoren von Sportveranstaltungen haben sich ebenfalls dem angeschlossen. Bei stattfindenden Siegerehrungen wurden auch bereits Hymnen und Flaggen verboten.

Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Karte „Flüchtlinge aus der Ukraine": Bis zu zehn Millionen Menschen könnten in Folge des Krieges in der Ukraine das Land verlassen

Mit der Invasion der russischen Armee in die Ukraine haben sich unzählige Menschen auf den Weg gemacht, um den Gefahren zu entfliehen. Der Ukraine-Krieg hat die größte Fluchtbewegung seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Gang gesetzt. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR spricht von einem „Exodus”. Dieser Umfang sei in diesem Jahrhundert ohne Beispiel. Vor allem Frauen und Mütter mit ihren Kindern sind geflohen. Männern im Alter zwischen 18 - 60 Jahren ist es verboten, die Ukraine zu verlassen, sie sollen vor Ort gemeinsam mit den Militärs das Land verteidigen.

Bereits nach wenigen Tagen des Krieges waren über eine Million Menschen in den Nachbarländern der Ukraine angekommen. Insgesamt sollen bislang über 10 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine in Nachbarländer geflüchtet sein, die meisten von ihnen nach Polen.4,5 Millionen von ihnen sind mittlerweile wieder in die Ukraine zurückgekehrt. Hinzu kommen rund 7 Millionen Binnenflüchtlinge (Stand Anfang September). Der Migrationsforscher Gerald Knaus hat bereits zu Anfang des Krieges vermutet, dass weit mehr als zehn Millionen Menschen aus der Ukraine flüchten werden. „Putins Krieg in Tschetschenien hat dazu geführt, dass ein Viertel der Tschetschenen vertrieben worden sind. Darauf müssen wir uns einstellen”, so Knaus


Wie viele Flüchtlinge haben bislang die Ukraine verlassen?

Wohin fliehen die Menschen? In welchen Ländern sind die Geflüchteten bislang angekommen? In welcher Anzahl?

Der Mediendienst Integration bietet Zahlen und Fakten:

Flüchtlinge aus der Ukraine

Die UNO-Flüchtlingshilfe bietet ebenfalls aktuelle Zahlen und Informationen über die Situation von Flüchtlingen aus der Ukraine:

Live Ticker


Wie ist die rechtliche Situation von Geflüchteten aus der Ukraine?

In Deutschland sind bisher über eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine registriert worden. Da es keine regelmäßigen Kontrollen zu EU-Nachbarländern wie Polen mit direkten Grenzen zur Ukraine gebe, sei es aber gut möglich, dass letztendlich mehr Menschen Deutschland erreicht hätten, so das Bundesinnenministerium. Andererseits wiederum sei ein Teil der Flüchtlinge bereits wieder in die Ukraine zurückgekehrt oder in andere EU-Länder weitergereist. Eine verlässliche Prognose über die zu erwartetende Zahl an Kriegsflüchtlingen sei angesichts der noch immer unübersichtlichen Lage in der Ukraine derzeit nicht möglich. Bei den bisher in Deutschland Eingetroffenen handele es sich hauptsächlich um Frauen und Kinder, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Der ganz überwiegende Teil habe die ukrainische Staatsbürgerschaft.

Die Flüchtlinge brauchen bei Vorlage eines biometrischen Reisepasses kein Visum. Angesichts des hohen Schutzbedarfs wird die sogenannte „Massenzustrom-Richtlinie“ der EU angewandt, die Geflüchteten aus der Ukraine einen Schutzstatus zuerkennt, ohne dass ein Asylverfahren durchgeführt wird. Sie sieht vor, dass Betroffene bis zu drei Jahre im Land bleiben können. Als Reaktion auf die Massenflucht aus dem ehemaligen Jugoslawien hatte die EU diese 2001 erlassen, um einen vorübergehenden Schutz ohne Einzelfallprüfung von bis zu drei Jahren zu gewährleisten, ohne ein langwieriges Asylverfahren.

Bei einem EU-Ratstreffen in Brüssel haben  die europäischen Innenministerinnen und Innenminister eine historische Einigung erzielt und sich auf eine rasche und vereinfachte Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in allen EU-Staaten verständigt. Allerdings scheint bei der Vertelung der Geflüchteten auf die EU-Länder keine Einigkeit zu herrschen. Der deutsche Europa-Politiker Manfred Weber hat sich zur Verteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine für eine Quotenregel in Europa ausgesprochen. Er sei frustriert, weil Europa hier bisher keine Solidarität hinbekommen habe. „Wir müssen nicht immer auf den Langsamsten warten”, sagte Weber in Bezug auf Ungarn, das eine Quotenregel bisher ablehnte. Forderungen nach einem verpflichtenden Schlüssel zur Verteilung von Geflüchteten aus der Ukraine über die einzelnen EU-Staaten hat die EU-Kommission nun jedoch eine Absage erteilt und eine Quotenregelung abgelehnt. Die Menschen, die unter der Richtlinie für einen Massenzustrom Vertriebener Schutz suchten, sollten sich frei in der EU bewegen dürfen. Man werde nicht entscheiden, wo sie sich niederlassen sollten. Die EU-Innenminister haben sich Ende März auf einen Zehn-Punkte-Plan verständigt, um die Geflüchteten zu verteilen und Aufnahmeländern finanziell zu helfen. Über eine jüngst von der EU-Kommission eingerichtete Solidaritätsplattform soll die Verteilung der Schutzsuchenden organisiert werden.


Wie wird den ukrainischen Kriegsflüchtenden in Deutschland geholfen?

Bund, Bundesländer, Städte und Kommunen haben Vorkehrungenfür die Aufnahme von Flüchtlingen getroffen. Für die Geflüchteten aus der Ukraine stehen der Bundesregierung zufolge zunächst insgesamt 200.000 private und öffentliche Unterkünfte in Deutschland zur Verfügung. In vielen Erstaufnahmestellen ist inzwischen die Kapazitätsgrenze erreicht. In der aktuellen Lage müssen wieder zusätzliche Flüchtlingsunterkünfte und kurzfristig Notunterkünfte geschaffen werden.

Über die digitale Plattform bzw. App „Germany4Ukraine“ erhalten Geflüchtete Hilfe bei der Suche nach Unterkunft und medizinischer Versorgung, so das Innenministerium. Der Bund setzte zunächst noch nicht auf einen Verteilerschlüssel, seit Mitte März erfolgt die Verteilung der Geflüchteten auf die einzelnen Bundesländer nun doch über den sogenannten Königsteiner Schlüssel. Da bisher vor allem die Metropolen stark vom Flüchtlingszuzug betroffen sind, werde alles getan, um die Menschen gerecht zu verteilen.

Anfang April haben sich Bund und Länder über eine neue Verteilung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Ukraine-Flüchtlingen verständigt.Die Bundesländer hatten sich beklagt, den Großteil der Kosten alleine stämmen zu müssen. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen ab dem 1. Juni in Deutschland Grundsicherung beziehen können und damit die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger erhalten. Ferner werde der Bund zwei Milliarden Euro für Kommunen zur Verfügung zu stellen, um die Kosten für Unterkunft, Lebenshaltungskosten sowie Kinderbetreuung und Beschulung mitzufinanzieren. Die künftig zuständigen Grundsicherungssysteme werden somit zu einem großen Teil vom Bund finanziert (SWR).

Bundesinnenministerium: Fragen und Antworten zur Einreise aus der Ukraine

Wer privat Menschen aus der Ukraine eine Unterkunft anbieten möchte, kann sein Angebot auf speziellen Webseiten  melden. Über  folgende Portale können Hilfsbereite Ferienwohnungen oder Zimmer zur Verfügung stellen:

„Unterkunft Ukraine”

„Host4Ukraine”

Die neue Jobbörse möchte ferner Geflüchtete aus der Ukraine mit interessierten Unternehmen vernetzen. Bis zu drei Jahre dürfen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in der EU arbeiten:

Job Aid Ukraine

Die Bundesregierung bereitet sich außerdem darauf vor, Kriegsverletzte aus der Ukraine zu versorgen. Die Betroffenen sollen auf Krankenhäuser im gesamten Bundesgebiet verteilt werden. „Zu den Verwundeten des Krieges kommen noch diejenigen, die ihre medizinische Versorgung verlieren”, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Dazu zählten Krebspatienten oder Dialyse-Patienten. „Weil wir mit sehr vielen Fällen rechnen, werden wir die Menschen auf die Bundesländer verteilen. Das wäre sinnvoll nach demselben Kleeblatt-Prinzip, mit dem wir auch Covid-Patienten versorgt haben”, so der Minister.


Wie werden die Maßnahmen in Baden-Württemberg koordiniert?

Das Ministerium der Justiz und für Migration hat einen Stab „Flüchtende aus der Ukraine“ eingerichtet, der die Koordinierung der Maßnahmen  übernimmt. Eine Internetseite informiert über aufnahme-, leistungs- und aufenthaltsrechtlichen Fragen rund um die Ukraine. Angesichts der insgesamt dynamischen Situation werden diese Seite und die enthaltenden Informationen immer wieder aktualisiert, ein FAQ infromiert gibt Antworten zu den wichtigsten Fragen:

Informationsseite zur Ukraine des Ministeriums der Justiz und Migration

Informationsseite zur Ukraine-Krise des Staatsministeriums


Wie kann man für die Ukraine spenden?

Geldspenden können von Hilfsorganisationen, Einrichtungen und Unternehmen flexibler und effizienter eingesetzt werden. Sachgüter sollten nur gespendet werden, wenn Betroffene und seriöse Organisationen gezielt um sie bitten.

Etwaige Sammelstellen der örtlichen Wohlfahrtsverbände (DRK, Caritas etc.)  nehmen nach Aufruf Sachspenden wie Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung, Decken oder Spielzeug entgegen. Aber auch  an lokale Sammlungen vor allem von Ukraine-Initiativen kann man sich richten.

Einen Ratgeber, wie man sinnvoll spenden kann, samt einer Liste mit seriösen Spendenorganisationen, bietet das DZI (Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen):

Spendeninfo „Nothilfe Ukraine"

Das UN-Nothilfebüro Ocha teilte mit, die Vereinten Nationen bräuchten insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe im Ukraine-Krieg. Die Vereinten Nationen schätzen, dass zwölf Millionen Menschen innerhalb der Ukraine Hilfe und Schutz benötigen werden, während mehr als vier Millionen ukrainische Flüchtlinge in den kommenden Monaten in Nachbarländern versorgt werden könnten.Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der Ukraine mindestens 500 Millionen Euro an humanitärer Hilfe in Aussicht gestellt. Die Mittel aus dem EU-Haushalt sollten sowohl im Land selbst als auch für die Flüchtlinge eingesetzt werden, sagte von der Leyen bei der Sondersitzung des Europaparlaments. 

Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Ukraine Demonstration in München 2014. Wikimedia, blu-news.org, CC BY-SA 2.0

Bundesweit gehen Hunderttausende Menschen in vielen Städten auf die Straßen, um ihre Solidarität mit der Ukraine, ihr Forderung nach Frieden und einem Stopp des Krieges Ausdruck zu verleihen. Auch europaweit und in vielen Städten der Welt zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Fridays for Future Bewegung hat sich ebenfalls angeschlossen und führt weltweit Proteste gegen den Ukraine-Krieg durch.

Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Exhumierte Leichen aus Massengrab in Butscha | Wikipedia | National Police of Ukraine | CC-BY 4.0

Bereits seit 2014 ist mit dem aggressiven Vorgehens Russlands gegen die Ukraine und der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim von Völkerrechtsverbrechen die Rede. Mit dem im Februar 2022 begonnenen Angriffskrieg Russlands und den verübten Gewalttaten gegenüber der ukrainischen Bevölkerung hat das Ausmaß eine neue Dimension erreicht. Spätestens angesichts der Bilder aus Butscha und anderen Orten sind schwere Völkerrechtsverbrechen nicht mehr von der Hand zu weisen sein. In nur wenigen Wochen hat der Krieg nach Schätzungen Zehntausende Todesopfer gefordert, darunter auch viele Tausend Opfer unter der Zivilbevölkerung. Es ist davon auszugehen, dass umfassende Untersuchungen am Ende ergeben werden, dass Russland beziehungsweise die Verantwortlichen und Ausführenden der Kriegshandlungen, eine ganze Reihe an Tatbeständen zu verantworten haben werden: von Kriegsverbrechen über Verbrechen gegen die Menschlichkeit, mutmaßlich Völkermord sowie auch das Verbrechen der Aggression.

Da der internationalen Strafverfolgung Grenzen gesetzt sind, wenn es um Staaten geht, die sich wie Russland jeglichen Rechenschaftsmechanismen entziehen, müssen die ermittelnden Behörden kooperieren und einen langen Atem haben, wenn es gelingen soll, Präsident Wladimir Putin und seine Unterstützer eines Tages strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Um auch eine Handhabe gegen das Verbrechen der Aggression zu haben, wäre es notwendig, ein Sondertribunal einzurichten, ähnlich dem Kriegsverbrechertribunal in Jugoslawien oder dem Nürnberger Tribunal in Folge des Zweiten Weltkriegs.

Eine Kooperation zwischen dem Internationalen Strafgerichtshof, der europäischen Justizbehörde Eurojust und einer „Gemeinsamen Ermittlungsgruppe“, der sich bereits einige Staaten angeschlossen haben, stellt einen vielversprechenden Ansatz dar, mit geballter Kraft der Gerichtsbarkeit zum Sieg zu verhelfen. Die Einrichtung eines Sondertribunals könnte unter Leitung der führenden Menschenrechtsorganisation Europas, dem Europarat, erfolgen. Wenn es nach Irland geht, das derzeit den Vorsitz innehat, nach Möglichkeit noch in diesem Jahr.

In der Ukraine selbst sind in derzeit rund 15.000 Fällen Ermittlungen angelaufen. Erste Prozesse gegen russische Soldaten haben bereits zu deren Verurteilungen geführt. Dies gilt als ein wichtiges Signal zu einem frühen Zeitpunkt, dass Verbrechen nicht ungestraft bleiben.

Eine ausführliche Darstellung über die aktuellen Ermittlungen auf nationaler und internationaler Ebene finden Sie unter:

Kriegsverbrechen in der Ukraine und ihre Strafverfolgung

Nach den Protesten auf dem Maidan-Platz 2013, der Absetzung der Regierung von Viktor Janukowitsch und der Abspaltung der Halbinsel Krim kommt es zu anhalten Unruhen in der Ostukraine an. Separatisten fordern mehr Eigenständigkeit der Ukraine bis hin zu einem Anschluss an Russland und haben diverse Orte gewaltsam unter ihre Kontrolle gebracht. In Donezk und Lugansk haben die Menschen bei einem umstrittenen Referendum für die Abspaltung von der Ukraine abgestimmt.

Bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2014 wählen die Ukrainer Petro Poroschenko mit einer Mehrheit von 55 Prozent zum neuen Präsidenten. Poroschenko wollte mit Russland in Dialog treten, als langfristiges Ziel sieht er die Ukraine aber in der EU.

Im September 2014 tritt mit dem Minsker Friedensabkommen erstmals eine Waffenruhe in Kraft, die allerdings schon bald brüchig wird. Bei der Parlamentswahl in der Ukraine im Oktober 2014 haben die prowestlichen Parteien klar gesiegt. Nach den umstrittenen Wahlen in den abtrünnigen Regionen der Ostukraine im November 2014 verkünden die Separatisten ihren Sieg, anerkannt wird er nur von Russland. Im Dezember 2014 tritt erneut ein Waffenstillstand in Kraft, der von beiden Seiten nicht eingehalten wird. Im 2. Minsker Abkommen haben sich die Konfliktparteien im Februar 2015 abermals auf eine Waffenruhe im Donbass geeinigt.

In den folgenden Jahren kommt es jedoch immer wieder zu Gefechten zwischen den von Russland unterstützten Rebellen und proeuropäisch orientierten ukrainischen Kräften. Insgesamt gibt es über 13.000 Todesopfer und Hunderttausende Flüchtlinge.  Die Lebensbedingungen der Einwohner in den ostukrainischen Großstädten Lugansk und Donezk haben sich dramatisch verschlechtert.

Bei der Präsidentschaftswahl 2019  stimmen die Ukrainer in einer abschließenden Stichwahl für den Rechtswissenschaftler, Schauspieler und Komiker Wolodymyr Selenskyj. Er löst Petro Poroschenko damit von seinem Amt ab und gilt vielen als Hoffnungsträger für eine Erneuerung der ukrainischen Politik.

Insgesamt betrachtet droht der Ukraine die Spaltung. Der Gegensatz zwischen dem westlich-orientierten und dem pro-russischen Bevölkerungsteil und damit zwischen West und Ost ist wieder zum Politikum geworden.

Seit dem Frühjahr 2021  kommt es zu einer massiven Aufrüstung russischer Truppen entlang der ukrainischen Grenze, um die 100.000 Soldaten sollen mittlerweile dort stationiert sein. Ende 2021 spitzt sich die Lage weiter zu. Mittlerweile hat Russland ein Truppenaufkommen von rund 150.000 rund um die Ukraine postiert. 30.000 Soldaten befinden sich im benachbarten Belarus zur Duchführung eines gemeinsamen Militärmanövers. Die westliche Staatengemeinschaft warnt Russland eindringlich vor einer Verletzung der Grenzen und ruft zur Deeskalation auf.

Die diplomtischen Bemühungen laufen wochenlang auf Hochtouren, führen jedoch letztendlich zu keinem Erfolg. Russlands Präsident Putin erkennt Ende Februar 2022 die selbsternannten „Volksrepubliken” Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten an, schließt mit ihnen einen „Freundschaftsvertrag" und startet eine großangelegte Militäroffensive in der Ukraine, um die angebliche Bedrohung der russischen Staatsbürger abzuwenden und die Ukraine zu „entmilitarisieren", wie Putin sagt. Er fordert die ukrainische Bevölkerung auf, die Waffen niederzulegen.

Die internationale Staatengemeinschaft ist entsetzt. Der Angriffskrieg auf Land stellt eine eklatante Verletzung des  Völkerrechts und der Souveränität eines Staates dar.  Da die Ukraine kein Mitglied der NATO ist, tritt auch kein NATO-Bündnisfall ein, der die NATO-Staaten dazu verpflichtet hätte, der Ukraine aktiv militärisch beizustehen. Dennoch bittet die ukrainische Regierung andere Staaten um Verteidigungshilfe. Die USA und einige weitere NATO-Länder unterstützen die Ukraine mit der Lieferungen von Waffen und weiterem militärischem Gerät. Ferner werden die NATO-Truppen in den Ländern der östlichen NATO-Außengrenze verstärkt. Die USA, die EU und viele weitere Länder verhängen harte Sanktionsmaßnahmen gegen Russland, sprechen der Ukraine ihre Solidarität aus und bieten dem Land milliardenschwere finanzielle Unterstützung.

Nach Wochen diplomatischer Bemühungen sind die Verhandlungen gescheitert. Russland hat am  24. Februar einen Angriffskrieg auf die Ukaine gestartet mit dem Ziel, das ganze Land unter seine Kontrolle zu bringen.


Eine zusammenfassende Darstellung des Konflikts um die Ukraine bietet die Bundeszentrale für politische Bildung in einem Konfliktporträt aus dem Jahr 2020:

Konfliktporträt „Ukraine”



Weitere Analysen finden Sie auch auf der Seite „Krieg in Europa” auf unserem Europa-Portal:

Analysen – Ursachen und Hintergründe

Analysen – Folgen


Mit Verhandlungen den Krieg in der Ukraine lösen
Wer sich in Deutschland für eine Verhandlungslösung im Ukrainekrieg ausspricht, hat einen schweren Stand. Genauso sei es in den USA, meint der Historiker Max Friedman. Dabei sollten die Kriege von Vietnam bis Afghanistan eine Warnung sein.:
„Mein Land befindet sich im Krieg gegen Russland. Wir nennen es nicht so. Wir haben seit 1941 niemandem den Krieg erklärt, aber wir haben fast jedes Jahr irgendwo auf der Erde gekämpft. (...) Von einer Zeitenwende kann bei uns nicht die Rede sein: Bei aller Sympathie für die Ukrainer als Opfer von Putins Angriffskrieg, die natürlich das Recht haben, sich zu verteidigen – wir erleben in den Vereinigten Staaten eine Rückkehr zu den schlimmsten außenpolitischen Fehlern des Kalten Krieges: das Streben nach einem triumphalen Sieg, der aber nicht in Reichweite ist, anstatt auf diplomatische Lösungen zu setzen, die vielleicht zum Frieden führen."
(Deutschlandfunk, 19.7.2022)

Standpunkt: Neutralität als Option
Eine neutrale Ukraine wäre eine Option für die Beilegung des Konflikts zwischen Russland und dem Westen, so der
Politikwissenschaftler Heinz Gärtner. Wolle man keinen lang andauerndenden Abnutzungskrieg mit immens hohen menschlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Kosten und der ständigen Gefahr einer weiteren militärischen und letztlich sogar nuklearen Eskalation und auch keine dauerhafte Spaltung der Ukraine entlang einer fragilen Waffenstillstandslinie im Osten und eventuell auch im Süden des Landes mit permanenten Spannungen, könnte eine Verhandlungslösung auf der Grundlage des "ukrainischen Modells" der Neutralität eine Beilegung des Konflikts herbeiführen.
(BpB, 22.6.2022)

Standpunkt: Nur Gegenmachtbildung zähmt revisionistische Mächte
Die Annahme, eine Neutralitätsregelung für die Ukraine hätte die Eskalation des Konflikts mit Russland verhindern können, geht von falschen Prämissen aus, so der Politikwissenschaftler André Härtel. Russlands revisionistische Außenpolitik zielt nicht nur auf die Verhinderung einer weiteren NATO-Osterweiterung, sondern auf die Wiederherstellung seiner Herrschaft über den gesamten postsowjetischen Raum.
(BpB, 22.6.2022)

Wenn Putin verliert ... –  Was sind die Ziele in Bezug auf den Krieg in der Ukraine?
Was sind Deutschlands Interessen was den Krieg in der Ukraine anbelangt? Die Ziele der Bundesregierung seien unklar, so Politikexperte Markus Kaim. Es bliebe der Eindruck des Getriebenseins, ja fast der Desorientierung, den die deutsche Debatte nicht abstreifen könne. Es werde wenig darüber diskutiert, was eigentlich die strategischen Ziele der deutschen Politik sind oder sein sollten, die über das unmittelbare Ende der Kampfhandlungen hinaus reichten. Zum Beispiel welche politischen oder territorialen Zugeständnisse Deutschland von beiden Seiten erwartet, um den Krieg zu beenden, oder ob ein Ende des Konflikts in deutscher Sicht durch einen Vertrag formalisiert oder einfach als Realität in Form eines weiteren „eingefrorenen Konflikts" akzeptiert werden müsste.
(Spiegel, 23.5.2022)

„Es wird zu einem langandauernden Abnutzungskrieg kommen“
„Aus russischer Perspektive ist es ehrenvoller, gegen den Westen zu verlieren als gegen die kleine, schwache Ukraine“, erklärt Politikwissenschaftler Carlo Masala die Vorwürfe des Kremls. Letztlich sei es ein Eingeständnis, dass eine militärische Lösung in weite Ferne rückt.
(Welt, 17.5.2022)

Warum Kiew von „dritter Kriegsphase" spricht
In der ersten Phase ist der Blitzkriegs ist Russlands gescheitert, in der zweiten Phase war eine Großoffensive im Osten geplant zur Eroberung des Donbass, auch dies ist bislang nicht gelungen. In der dritten gelingt es der Ukraine nach und nach Gebiete zurückzuerobern, vor allen in der Region um Charkiw, und die russischen Truppen in Richtung Grenze zurückzudrängen. Was das bedeutet, erklärt ntv-Reporter Dirk Emmerich.
(n-tv, 16.5.)

Russland gehen Material und Soldaten aus
Je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto augenscheinlicher wird auch, dass nicht nur der ukrainische Widerstand Russlands Militär große Probleme bereitet, sondern zunehmend auch das eigene Material. Am Geld scheitert es hierbei aber nicht. Vielmehr hat die russische Rüstungsindustrie aufgrund der gegen Russland verhängten Sanktionen große Schwierigkeiten, an wichtige hochtechnologische Bauteile wie z.B. Halbleiter zu kommen. Westliche Geheimdienste gehen überdies davon aus, dass Russland bereits ein Drittel seiner Bodentruppen verloren haben könnte.
(n-tv, 16.5.2022)

„Phoenix Ghost” - Wunder-Drohne für Ukraine?
Die USA möchte der Ukraine zur Unterstützung im Kampf gegen die russischen Aggressoren 121 von der US Air Force neu entwickelte Drohnen namens „Phoenix Ghost“ schicken. Die Fähigkeiten dieser Drohnen sollen weit über das übliche Maß hinausgehen. Zum einen sollen sie sechs Stunden in der Luft bleiben können, mittels Infrarotsensoren auch in der Nacht einsetzbar sein und als Kamikaze-Drohne gegnerische Stellungen angreifen können. Mit diesen hätte die Ukraine eine neue Waffe an der Hand, mit der sie ganz anders, etwa gegen russische Artilleriestützpunkte, vorgehen könnte. Dies könnte ein Gamechanger sein, so der Militärexperte Thomas Wiegold im Interview.
(n-tv, 22.4.)

Ex-Generäle zu russischer Offensive im Osten: Situation für Ukraine aussichtslos
Im Osten der Ukraine hat die schon länger erwartete Offensive Russlands offenbar begonnen. Die ehemaligen Generäle Hans-Lothar Domröse und Erich Vad erläutern, wie die russischen Angriffe ablaufen, welche Rolle der 9. Mai für Russland spielt und wie es möglicherweise auch nach einer möglichen Einnahme des Donbass weitergehen könnte.„Da die ganze Operation nicht nur auf ein Gebiet beschränkt ist, könnte Russland darauf abzielen, die ganze Schwarzmeerküste unter Kontrolle zu bekommen“, glaubt Domröse. Russland könnte das Land dann letztlich in West- und Ostukraine unterteilen. „Das gesamte Land zu unterwerfen, kann ich mir allerdings nicht vorstellen.“
(RedaktionsNetzwerk Deutschland, 19.4.2022)

Kultur der Gewalt: „Die russische Armee ist ein Gefängnis”
Das Massaker von Butscha schockiert, doch Experten wie der Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski sind weniger überrascht. Im Interview erklärt er, welche Probleme der russischen Armee zu solchen Gräueltaten beitragen:
„Wir vergessen, dass es im 21. Jahrhundert Kriege in Syrien, in Libyen und anderen Teilen der Welt gegeben hat, und Millionen Menschen Opfer entsetzlicher Gräueltaten wurden. Warum soll das etwas anderes sein? Wir haben verdrängt, dass es in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen Krieg in Jugoslawien gab, ‘ethnische Säuberungen’, Vergewaltigungen und Massaker. Nicht umsonst ist der Fall Srebrenica nun im Zusammenhang mit den Morden in Butscha ins Spiel gebracht worden. Zu Recht. Es sind offenkundig wiederkehrende Muster von Kriegführung, die sich immer dann zeigen, wenn Armeen nicht siegen können, wenn ihre Soldaten frustriert sind. Das ist eigentlich nichts Neues. Eine deprimierende Erkenntnis, zweifellos, aber es ist ein stets wiederkehrendes Muster, das sich in allen Kriegen findet. (...) Es erinnert mich weniger an den Stalinismus als an die Kultur der Gewalt, die in den russischen Streitkräften weit verbreitet ist. An die Rücksichtslosigkeit, mit der Menschen und Material geopfert werden, an die völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der eigenen Soldaten. Erschütternd ist der Glaube daran, dass sich diese Unmenschlichkeit am Ende auszahlen wird.”
(n-tv, 7.4.2022)

„Der Krieg wird noch länger dauern”
Nach dem Rückzug aus Kiew formiert Russland seine Truppen im Osten und Süden neu. Militärexperte Gressel erklärt, wie die Ukraine reagieren kann und warum die Kämpfe noch lange dauern könnten:
„Bis zum 9. Mai [dem in Russland begangenen "Tag des Sieges über den Faschismus"] schafft Russland noch eine größere Offensive - aber ich glaube, dass der Krieg noch länger dauern wird. Denn wenn ich mir die russische Propaganda ansehe, ist das Ziel, die Ukraine als ganzes zu unterwerfen, noch nicht vom Tisch. Es ist gut möglich, dass Russland es im Sommer erneut versucht. Die Umorientierung auf den Donbass ist eine operative Entscheidung der militärischen Führung, die aber noch keine endgültige Umorientierung der russischen Kriegsziele bedingt. Russland könnte versuchen, die ukrainischen Streitkräfte langsam zu ermatten.”
(Tagesschau, 7.4.2022)

Russischer Insider warnt vor „Sieg um jeden Preis”
Die Russen sollten sich vor ihrer eigenen Kriegsbegeisterung sehr in Acht nehmen, warnt Andrei Kortunow, Generaldirektor des renommierten „Russischen Rates für Internationale Angelegenheiten” (RIAC), dem russische Diplomaten, Wissenschaftler, Geschäftsleute, Journalisten und Staatsbeamte angehören. Er verweist auf „Radikale” im eigenen Land, die jede Art von Nachgiebigkeit und Verhandlung mittlerweile als „Verrat” auffassten und nach einem „Sieg um jeden Preis” riefen, was aber für Russland fatale Konsequenzen haben werde: „Dies bedeutet nicht die Vollendung, sondern die Ausweitung der militärischen 'Sonderoperation',
einschließlich der Lösung der schwierigsten Aufgaben der Besetzung aller großen ukrainischen Städte. Darüber hinaus beinhaltet dies die Einrichtung einer russischen Militärverwaltung und eine langfristige Besetzung des gesamten Territoriums der Ukraine, die Kontrolle über den gesamten Umfang ihrer Grenzen sowie die langfristige Bekämpfung möglicher Partisanen- und Terroraktionen in diesem Gebiet (möglicherweise auch in Russland)."
(Bayerischer Rundfunk, 5.4.2022)

„Warum ich Putin hasse"
„Meine Muttersprache ist Russisch, ich komme von der Krim - ich bin einer von denen, die Putin in der Ukraine angeblich schützen will. Was seine Soldaten bringen, ist nicht Schutz, sondern Vernichtung. (...) Ich muss zugeben: Ich hasse ihn. Im Namen meiner Muttersprache, im Namen meiner russischsprachigen Kultur, im Namen der Geschichte meiner Großeltern, die als Kinder den Zweiten Weltkrieg in Sewastopol verbrachten, begeht er schwerste Kriegsverbrechen gegen mein Land. Das darf nicht verziehen werden. Solange Putin an der Macht ist, solange Russland dieses Regime nicht überwunden hat, darf die zivilisierte Welt nicht zu normalen Beziehungen mit Russland zurückkehren. Denn dies ist nicht nur Putins Krieg, diese Barbarei hat breite Unterstützung in der russischen Bevölkerung. Russland muss diesen Krieg verlieren, damit die Ukraine vor diesem Aggressor gerettet wird. Aber es ist nicht nur das: Russland muss diesen Krieg auch verlieren, wenn es überhaupt noch eine Zukunft haben soll.
(n-tv, 3.4.2022)

Russische Oppositionelle und die Pläne für einen Machtwechsel
Der russische Angriff auf die Ukraine hat viele Oppositionelle darin bestätigt, dass es in Russland zu einem Machtwechsel kommen muss. Im In- und Ausland entwickeln sie Ideen, um den russischen Präsidenten aus dem Amt zu entfernen. US-Präsident Joe Biden hatte in einer Rede in Warschau kürzlich mit seiner Äußerung über Putin „Um Gottes Willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben “für Aufsehen gesorgt. Der Ökonom und Leiter des Zentrums für Postimperialistische Studien in Moskau, Vladislav Inozemtsev, setzt dabei auf den Widerstand der Ukrainer:„Ich denke, es ist vor allem der Widerstand der Ukrainer, der den Lauf der Ereignisse verändern kann. Er ist viel wichtiger als Sanktionen gegen Russland, als Forderungen westlicher Länder. Wenn sich die Ukrainer an der Front durchsetzen, am Boden, kann es tatsächlich möglich sein, dass dieser Krieg gewonnen wird.” Der Chef der inzwischen verbotenen Antikorruptionsstiftung des inhaftierten Oppositionspolitikers Aleksej Nawalny hält es für möglich, dass sich die Wirtschaftseliten gegen Putin wenden: „Man braucht eine Kombination aus dieser Unzufriedenheit in den Eliten und den Massenprotesten in der breiten Bevölkerung. Dieser brutale und sinnlose Krieg, den Putin vor einem Monat begonnen hat, beschleunigt meines Erachtens die Zeit, in der dies geschehen wird, denn die Leute in der Elite sind schockiert. Sie haben gesehen, dass ihr Lebensstil auf den Kopf gestellt wurde. Sie haben gesehen, dass ihr Vermögen dezimiert wurde. Dazu die Reisebeschränkungen, eigentlich alles.”
(Deutschlandfunk, 1.4.2022)

„Vorbereitung Richtung Kriegsende“
Ex-NATO-General Hans-Lothar Domröse sieht in dieser Phase des Krieges bereits eine „Vorbereitung Richtung Kriegsende“: „Es geht jetzt ganz offensichtlich darum, dass jede Seite noch einmal versucht, eine gute Ausgangslage zu finden für Verhandlungen, die ja zwangsläufig kommen und glücklicherweise in Istanbul begonnen haben.“ Russland werde sich nun auf den Donbass konzentrieren, da Putin von Anfang des Kriegs an ohnehin stets die vermeintliche „Befreiung des Donbass“ im Auge gehabt habe. Nun müsse er die Region auch nehmen und besetzen. Und da er um Kiew gescheitert sei und auch im Süden rings um Odessa keine großen Erfolge aufweisen könne, müsse er nun im Osten sowie im Südosten um Mariupol Land gewinnen, damit er in eine aus seiner Sicht erfolgversprechende Verhandlungsposition kommen könne: „Er hatte ohnehin schon Einfluss auf die sogenannten „unabhängigen Republiken“, diese sind aber kleiner als der Donbass. Also wenn er den ganzen Donbass will, dann will er noch ein Stückchen mehr vom Kuchen, von der Ukraine. Und er will, das ist meine Befürchtung, die Landbrücke rings um Mariupol, um den Donbass auf Landseite zu verbinden mit der Krim. Und das ist ein schmerzlicher Verlust der Küste, wenn es dazu kommt. Diese Ausgangsposition will er einnehmen, bevor er in Verhandlungen geht, das ist meine Einschätzung.“
(NDR, 1.4.2022)

Putin lebt in einer Blase – Wiederaufflammen der Kämpfe zu befürchten
Westliche Geheimdienste berichten, Putin umgebe sich mit „Jasagern" und sei falsch über die Lage des Krieges informiert. Auch Sicherheitsexperte Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht Anzeichen einer gefährlichen Isolation des Präsidenten, zeigt sich skeptisch, was die Verhandlungen über ein Ende des Krieges anbelangt und befürchtet ein Wiederaufflammen der Kämpfe:
„Es drängt sich der Eindruck seit Wochen auf, dass der russische Präsident in einer Blase lebt.(...) Die amerikanischen Geheimdienstberichte bestätigen, was wir ohnehin schon seit einiger Zeit vermuten: Es gibt keine kontroverse Beratung mehr innerhalb der russischen Eliten. Es gibt kein offenes Wort, das den Präsidenten auf die Folgen seines Handelns hinweist. (...) Ich glaube viele westliche Hoffnungen, die natürlich begründet sind, dass jetzt der Krieg
zu Ende gehen müsse, sind unbegründet. Vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass ja die politischen Schritte, die jetzt diskutiert werden sehr weitreichend sind, und die humanitären Schritte im Moment noch gar nicht thematisiert worden sind. (...) Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten Tagen Fortschritte sehen, sondern ich glaube eher es ist berechtigt zu befürchten, dass wir ein Wiederaufflammen der Kämpfe in veränderter Form sehen werden.”
(n-tv, 31.1.2022).

„Es ist Zeit, Putin eine Exit-Strategie zu zeigen"
Sicherheitsexperte Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht davon aus, dass die Verhandlungen mit der Ukraine nur Russlands Plan B sind - für den Fall eines militärischen Scheiterns. Die russischen Streitkräfte kommen allerdings an ihre Grenzen, deshalb könnte in einigen Wochen doch ein Verhandlungsergebnis den Krieg beenden. Womöglich vorbereitet von den USA und China sowie in Geheimverhandlungen, die bereits laufen dürften, wie der Oberst a.D. im Interview erklärt.
(n-tv, 22.3.2022).

Völkerrechtspodcast SHORTS: Ukrainekrieg mit Katja Keul
Wie ist die Kraft des Völkerrechts in der aktuellen Lage im Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine zu bewerten? Wie verhält sich Deutschland zu einer Strafverfolgung durch den IStGH und welche Rolle spielt das Völkerrecht in der Friedensdiplomatie? In dieser Podcast-Folge des Völkerrechtblogs spricht Philipp Eschenhagen mit Katja Keul, MdB für Bündnis 90/Die Grünen und Staatsministerin im Auswärtigen Amt.
(Völkerrechtsblog, 18.3.2022)

Ist Putin ein Kriegsverbrecher? „Muss ihm Auftrag oder Beteiligung nachweisen”
In der Ukraine schlagen regelmäßig Bomben in Wohngebäuden, Krankenhäusern oder Theatern ein und töten Zivilisten. Begehen die russischen Streitkräft Kriegsverbrechen, indem sie in ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine auch Wohngebäude, Krankenhäuser und Schulen und Theater treffen, in den Menschen Zuflucht vor dem Krieg suchten? Ist der russische Präsident Wladimir Putin dafür verantwortlich zu machen? Juristisch sei die Sachlage kompliziert, sagt Völkerrechtsexpertin Elisabeth Hoffberger-Pippan von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Das Völkerstrafrecht besagt, dass grundsätzlich nur
vorsätzliches Handeln strafbar ist. Mit Blick auf die Ukraine müssen wir uns also fragen, ob das, was dort geschieht, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit ist”.
(n-tv, 18.3.2022)

Große Zweifel an diplomatischer Lösung
Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine verlaufend schleppend, während sich der Krieg weiter zuspitzt. Kann da mit diplomatischen Mitteln überhaupt ein Ende des Ukraine-Krieges erreicht werden? Die Tagesschau stellt aktuelle Expertenmeinungen zusammen.
(Tagesschau, 16.3.2022)

„Wir erleben die Selbstzerstörung des Putinismus"
Nicht nur für den Westen, auch für Russland selbst könnte dieser Angriffskrieg eine Zeitenwende bedeuten, sagt die Russland-Expertin und Politikwissenschaftlerin Margareta Mommsen. Sie hält es für möglich, dass wir derzeit die "Selbstzerstörung des Putinismus" erleben. Ich glaube, dass Putin seine Hinterlassenschaft auf den Weg bringen will. Er will eine neue geopolitische Ordnung festzurren, „Russlands Lande” zusammenzuführen. Putin möchte ein international einflussreiches Staatsgebilde aus den slawischen Ländern Russland, Belarus und Ukraine formen. (...) Die Ukraine stellt mit ihrem liberalen System eine Konkurrenz dar. Es gibt dort immer noch keine ideale Demokratie, aber das Land befindet sich auf einem Reformweg. Damit ist das Land ein Gegenmodell zum Putinismus. (...) Die Tendenzen zur Unterdrückung der Gesellschaft in Russland sind derzeit stärker denn je. (...) In jüngster Zeit konnte man das ja beobachten. Erstens ein extrem autoritäres Herrschaftssystem ohne Gegengewichte, mit immer weniger Machtkontrolle. Dazu kommt ein Herrschaftsstil mit Führerkult. Und nach außen hin wirkt das System expansiv, mit revisionistischen und imperialistischen Zügen.
(Bundeszentrale für politische Bildung, 10.3.2022)

Putin und Xi in einem Weltkrieg gegen die Wahrheit
„Wir haben die Ukraine nicht angegriffen“, so der russische Außenminister Lawrow allen ernstes bei den jüngsten Verhandlungen mit der Ukraine in Antalya. „Russland wurde durch die Ukraine bedroht“, so die von Staatspräsident Putin festgelegte offizielle Sichtweise im Zusammenhang mit der „Spezialoperation" in der Ukraine, die nicht als Krieg bezeichnet werden darf. Fassungslos blicke der Westen auf die größte systematische Lügenkampagne aller Zeiten. Besonders bedrückend sei aus westlicher Sicht, dass die chinesischen Staatsmedien bei Putins Lügenkampagnen mitziehen würden. Sie könnte der Vorbote einer unheilvollen Verdüsterung der Weltlage sein, so Matthias Koch in seiner Analyse: „Die orwellianischen Exzesse in China und in Russland parallel zu Putins Einmarsch in der Ukraine müssen jeden rund um die Erde alarmieren, dem Freiheit und Menschen­würde etwas bedeuten. Russland und China haben im Februar 2022 einen Welt­krieg gegen die Wahrheit begonnen, als Verbündete."
(Redaktionsnetzwerk Deutschland, 13.3.2022)

Kapitulation ist keine Option: Warum Selenskyj zu Recht auf Zeit spielt
In Deutschland würden erste Stimmen laut, die sich im Ukraine-Krieg für eine Kapitulation der Kiewer Regierung aussprechen – um sinnloses Blutvergießen zu vermeiden. „Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung, aber auch die Pflicht zur Klugheit, einzusehen, wann man sich ergeben muss“, hat etwa Philosoph Richard David Precht jüngst gesagt und damit viel Empörung auf sich gezogen. Auch Spiegel-Kolumnistin Sabine Rennefanz zeigt sich „erschreckt“, „mit welcher Einmütigkeit und Kritiklosigkeit der ukrainische Präsident gefeiert wird“. Freilich dürfe man sich keine Illusionen machen: Die Ukraine könne gegen die russische Übermacht nicht gewinnen, so Steven Geyer in einem Kommentar:. „Doch bislang hat es sich für sie gelohnt, auf Sicht zu fahren, statt von einem vermeintlich unausweichlichen Ende her zu denken. Im Moment kann Selenskyj zumindest Zeit gewinnen und so seine Verhandlungsposition stärken. (...)  Die Ukraine und der Westen können nur darauf hoffen, dass eine Lösung am Verhandlungstisch gefunden wird –  so bitter es auch sein wird, dem Aggressor für seine Aggression auch noch mit Zugeständnissen zu belohnen.
Wer aber den Krieg in Verhandlungen beenden will, muss Russland noch etwas entgegensetzen können, das weiß Selenskyj."
(Redaktionsnetzwerk Deutschland, 12.3.2022)

Putins Kriege – Gegen Demokratie und Freiheit
Russlands Einmarsch in der Ukraine lag lange in der Luft und doch hat er vielfach für Überraschung gesorgt. Wer die Außen- und Militärpolitik des russischen Präsidenten auf der Zeitachse betrachte, erkenne allerdings ein Muster, so Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Bei allen Kriegen Russlands in den letzten Jahren sehe er ein Grundmotivation: „Die Kriege im postsowjetischen Raum folgen einem bestimmten Muster, wo eben Konflikte genutzt werden, initiiert werden, instrumentalisiert werden, um eine politische Hegemonie Russlands sicherzustellen." Kaim zieht eine Linie vom Tschetschenienkrieg 1999 über den Georgienkrieg 2008, den Angriff Russlands auf die Ukraine 2014, der Intervention in Syrien bis hin zur jetzigen Eskalation in der Ukraine. Für den Osteuropaexperten ist in der aktuellen Situation klar, Putin sehe sich im Krieg gegen die westliche Welt, gegen westliche Demokratien. „Er befindet sich im Krieg mit uns. Er sieht die Ukraine als auch einen Stellvertreterkrieg an zwischen dem Westen und Russland".
(Deutschlandfunk, 10.3.2022)

„Russen fühlen sich sehr sicher”
Die russische Armee würde sich sehr sicher fühlen und sich auf die große Offensive auf die Hauptstadt vorbereiten, so der Ex-General Erich Vad. Die russische Strategie im Ukraine-Krieg sei es, die großen urbanen Zentren in der Ukraine einzukesseln und viele Flüchtende hinaus zu lassen. Sie spielten auch auf Zeit, weil sie diese eingeschlossenen urbanen Zentren regelrecht austrocknen lassen wollten. Derzeit würden sie nur punktuell in die Städte rein, um regierungswichtige Gebäude und militärische Infrastruktur zu neutralisieren. Deswegen sei es wichtig, dass der Westen darauf dränge, diese humanitären Korridore zu schaffen und zu erhalten. Viele könnten da aber gar nicht raus, wollten da auch gar nicht raus, so Vad. Dies sei eine sehr schwierige Situation. Für die Ukraine bestehe perspektivisch rein militärisch betrachtet keine Chance, sich durchzusetzen. Aus Sicht der Ukrainer sei es sinnvoller sich mit dem Widerstand in den Westen zurückzuziehen, dort sei das Gelände gut für einen Partisanenkrieg. Die Städte weiter zu verteidigen habe einen begrenzten Nutzen und eher einen symbolischen Wert.
(ZDF, 7.3.2022)

Russischer Geheimdienstler nennt Ukrainekrieg angeblich „Totalversagen”
Wie die britische „Times" berichtet, schaue der russische Geheimdienst FSB mit größter Sorge auf die Invasion in die Ukraine. Die Zeitung beruft sich auf einen Whistleblower des FSB, der die Lage in einem von russischen Oppositionellen geleakten Dokument kritisch zusammengefasst hat. So sei der Krieg laut einem FSB-Insider ein „Totalversagen"  und Russlands aktuelle Lage vergleichbar mit dem Niedergang Nazideutschlands. Den weiteren Verlauf des Krieges skizziert der Analyst düster. So habe Russland „keinen Ausweg mehr": „Es gibt keine Optionen für einen möglichen Sieg, nur Niederlagen." Russland habe Russland kaum eine Chance, die Ukraine zu besetzen. „Selbst mit minimalem Widerstand  der Ukrainer bräuchten wir mehr als 500.000 Mann, Nachschub und Logistik noch nicht eingerechnet."  Das Dokument wurde vom russischen Menschenrechtsaktivisten Vladimir Osechkin veröffentlicht.Die Rechercheplattform Bellingcat stuft es als authentisch ein. Unabhängig überprüfen lässt sich die Echtheit jedoch nicht.
(Spiegel, 7.3.2022)

„Der Westen muss sich die Frage stellen, ob er mit seinen Waffenlieferungen diesen Krieg künstlich verlängern will”
Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick geht davon aus, dass Putin alles Erdenkliche unternehmen werde, um die Ukraine zu besetzen und eine neue Regierung in Kiew zu installieren. Sanktionen könnten noch „brandgefährlich“ werden und sogar eine nukleare Eskalation zur Folge haben. Was kann der Westen dann überhaupt noch tun?
„Wir müssen uns überlegen, ob wir weiter die Ukraine in ihrem helden­haften aber aussichtslosen Kampf unterstützen wollen oder ob nicht jetzt die Stunde für Nüchternheit und Real­politik ist. Konkret bedeutet das, wir müssen Putin Verhandlungen anbieten, damit er sein Ziel auch ohne einen Krieg erreichen kann. Die Entscheidung über die Zukunft der Ukraine müssen natürlich die Ukrainer selbst treffen. Aber der Westen hat einen maßgeblichen Einfluss, indem er die Waffenlieferungen einstellt. Das ist nicht kalt­herzig, sondern vom Ende her gedacht. Wir müssen verstehen, dass Russland zu allem bereit ist und wir diesen Krieg nur verlieren können, wenn wir keine nukleare Katastrophe wollen. Deshalb müssen wir jetzt diesen Krieg einfrieren. Er wird damit nicht zu Ende sein, sondern es wird so etwas wie einen Partisanen­krieg geben. (...) Die Ukraine hat natürlich das Recht zu sagen, sie will bis zur letzten Patrone kämpfen. Aber der Westen muss sich die Frage stellen, ob er mit seinen Waffenlieferungen diesen Krieg künstlich verlängern will. (...) Wir tun im Moment so, als ob nach unseren Regeln gespielt wird. Aber das ist falsch, Putin hat seine eigenen Spiel­regeln. Das sind Regeln, die von einer Skrupel­losigkeit geprägt sind, bei der wir nicht mitgehen können und wollen. Denn sie enden in einer nuklearen Katastrophe. Daher ist jetzt die Stunde gekommen, um Putin in Verhandlungen entgegenzukommen. Das ist keine Schwäche oder ein Einknicken gegenüber einem Diktator.”
(Redaktionsnetzwerk Deutschland, 6.3.2022)

Zähneknirschende Realpolitik
In diesem Politikpodcast erklärt der Politologe Herfried Münkler, warum die Ukraine militärisch keine Chance hat, Putin selbst politisch aber auch nicht, weil er wie die meisten Autokraten dem „Gesetz der fortschreitenden Verdummung” unterliegt. Weiterhin stellt er Überlegungen an, inwiefern man – unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit, nach der Russland aufgrund der Überlegenheit der Armee den Krieg militärisch früher oder später sowieso gewinnen wird  - seitens der Ukraine eigentlich zu dem Punkt kommen müsste, den Widerstand aufzugeben. Um des Frieden Willen, damit nicht noch mehr Menschen zu Tode kommen werden.
Führt man Überlegungen in diese Richtung weiter, wäre eine Zukunft in Frieden in Bezug auf eine künftige Weltordnung im Grunde nur möglich, wenn man sich auf Einflussphären einigen und Zugeständnisse machen würde,  die – wie in Zeiten des Kalten Krieges – zum Preis hätten, dass bei Staaten in der Pufferzone de facto keine freie Bündniswahl mehr möglich wäre. Zähneknirschende Realpolitik sei von Nöten.
(Die Zeit, 4.3.2022)

Die langfristige Strategie Putins
Aus europäischer Sicht sei Russlands Angriff auf die Ukraine von enormer historischer Bedeutung. Die Unsicherheit ist nach Europa zurückgekehrt, so der Außenpolitik-Experte Thomas Jäger:
„Putins Vorstellung von Europa ist, die Ukraine, Belarus, Georgien und die zentralasiatischen Staaten mit harter Hand und in einer großen Abhängigkeit zu regieren. Den Gürtel von Finnland bis nach Bulgarien wünscht er sich als Puffer-Staaten. Sie sollen militärisch so schwach sein, dass sie russischem Druck wehrlos ausgesetzt sind. Die westeuropäischen Staaten will er von den USA abkoppeln, sodass sie sicherheitspolitisch nicht alleine handlungsfähig sind. Russland beherrscht dann den Kontinent auch nach Westen. Diese Vorstellung von Europa hat er auch im Dezember 2021 als Vertragsvorschläge für russische Sicherheitsgarantien an die USA und die Nato vorgelegt.(...)
Die Wahrscheinlichkeit eines Konflikts zwischen der Nato und Russland ist gering, solange in Moskau rationale Entscheidungen getroffen werden. Es gibt aber immer die sogenannte Nero-These des Anzündens von Rom. Ob Putin in diese Verfassung gerät, kann ich nicht beurteilen. Die Sanktionen und Waffenunterstützung für die Ukraine sind für Russland äußerst ärgerlich, aber keinerlei Grund, die Nato anzugreifen. Und ein Eingreifen der Nato in den Ukraine-Krieg steht völlig außer Frage. Die Nato greift in den Krieg nicht ein.”
(Augsburger Allgemeine, 4.3.2022)

Einschätzung des BND
Tagesaktuell analysieren die Experten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der Bundeswehr die russischen Truppenbewegungen und den Widerstand der ukrainischen Streitkräfte. Die Prognose der Fachleute zum möglichen weiteren Verlauf des Krieges fällt dabei wenig optimistisch aus. Im Kreml sei man fest entschlossen, den Feldzug fortzusetzen. Zumindest den Osten der Ukraine wolle Moskau zügig unter seine Kontrolle bekommen, heißt es in deutschen Sicherheitskreisen, und auch die Einnahme der Stadt Kiew sei weiterhin geplant. Die blutigste Phase des Krieges stehe womöglich erst noch bevor. Denn Putins Militär habe einige der Waffensysteme in seinem Arsenal noch gar nicht eingesetzt, zudem seien einige Einheiten, die an der Grenze bereitstünden, noch nicht herangezogen worden. Es sei damit zu rechnen, heißt es in Sicherheitskreisen, dass letztendlich auch die Hauptstadt Kiew eingenommen werde. Vorangehen könnte eine längere militärische Einkreisung und Belagerung der Stadt, mit teils katastrophalen Folgen für die Bevölkerung und mit einem Zusammenbruch der Versorgung mit Trinkwasser, Lebensmittel und Strom.
Aktuell gebe es keine Hinweise darauf, dass der russische Angriffskrieg die Macht und den Einfluss von Putin gefährden würde. Im Gegenteil: Sein Umfeld sei dem Präsidenten gegenüber noch immer loyal.
(Tagesschau, 4.3.2022)

Wer kann Putin noch aufhalten?
Was kann Putin dazu  bewegen, den Krieg zu stoppen? Kann der Druck von innen, der zunehmende Unmut in Gesellschaft und Elite dieses kritische Moment erreichen – mit der Dauer des Kriegs und sich allmählich entfaltender Wirkung von Sanktionen? Wirtschaftswissenschaftler Andrej Nekrassow und Historiker Andrej Subow geben Einschätzungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
(Dekoder, 3.3.2022)

„Einen Guerilla-Krieg kann Putin sich nicht leisten”
Putin könne es sich  jedoch nicht leisten, in einen langen Krieg mit der Ukraine verwickelt zu werden: „Da ist jeder Tag ein Tag zu viel für ihn". Bei der Unterstützung der Ukraine mit schweren Waffen warnt Vad vor der Gefahr, über einen Stellvertreterkrieg selbst zur Kiegspartei zu werden - das müsse man „politisch sehr, sehr gut steuern".
(ZDF, 2.3.2022)

Endkampf gegen die Realität
In einem wütenden und zugleich selbstkritischen Meinungsstück auf  dem Internetportal Meduza schreibt der Journalist Maxim Trudoljubow über eine Welt der Lüge, mit der Putin sich selbst und sein Land vergiftet habe und nun die Ukraine in eine Katastrophe stürzt:
„Während all der Jahre unter Putin hat die russische Regierung einen erbitterten, aggressiven Kampf gegen die gesellschaftliche Realität geführt. (...) Alles Echte ist für andersartig, ausländisch, fremd, extremistisch und sogar „terroristisch“ erklärt worden. (...)  Er hat nicht nur sich selbst vergiftet, sondern auch Russland. Er hat den Weg geebnet für jene Verachtung, mit der die Welt nicht nur auf ihn schauen wird, sondern auch auf uns, die russischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Noch viele Jahre werden wir die Welt nicht davon überzeugen können, dass „wir nicht so sind“, dass „wir das nicht waren“. Noch viele Jahre – nach Putin – werden wir in Russland eine Gesellschaft aufbauen müssen, die frei ist von politischen Kulissen und Fiktionen.”
(Dekoder, 1.3.2022)

„Einflußnehmen auf Putin nehmen? Ja, das geht”
Welche Wirkung können die internationalen Sanktionen auf die russischen Oligarchen und das System Putin haben? Wie werden sich die Oligarchen weiterhin verhalten? Wie die russische Bevölkerung? Der einstige Oligarch und Putin-Gegner Michail Chodorkowski ist folgender Ansicht:
„Es muss eine ganz klare Frage gestellt werden: Sind sie bereit, das was gerade geschieht, ein Militärverbrechen zu nennen? Sind sie bereit zu sagen, dass die Regierung Russlands ein Verbrecher ist? Wenn ja, dann sind wir auf der gleichen Seite und wir werden irgendwie überlegen, was wir zu tun haben, um das zu stoppen."  (...) Einflußnehmen auf Putin? Ja, das geht. Natürlich können das aber keine einfachen Worte sein. Es muss ihm jemand sagen: Wladimir, du bist am Ende. Und um das zu sagen, braucht es den militärischen Widerstand, den die Ukrainer gerade leisten, und die härtesten finanziellen Sanktionen. (...) Man muss alles stoppen, alles sperren, egal welche Überweisung in Richtung Russland und im Interesse Russlands. Erst dann würde die Bevölkerung aufwachen, und auch der Druck auf die Oligarchen wachse.
(ZDF heute journal, 1.3.2022)

Putin will nun militärische Entscheidung erzwingen und wird „All-in” gehen
Nach dem Militärhistoriker Sönke Neitzel sehe es so aus, als ob Putin alle Kräfte in den Kampf werfe, um nun eine Entscheidung „zu erzwingen", so der Historiker Sönke Neutzel. Besorgniserregend seien vor allem die zunehmenden Angriffe auf Zivilisten. Zwar erschüttere jede Rakete auf ein Wohnhaus Putins „Narrativ als Befreier”. Dennoch lasse die gegenwärtige Eskalation „Schlimmes befürchten”.
(Tagesthemen, 1.3.2022)

„Militärisch wird die Ukraine nicht zu retten sein”
Auch wenn die russische Armee in den ersten Tagen des Krieges nicht so vorrücken konnte, wie sie es sich vorgestellt hatte, ist der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität in München dennoch der Meinung, es laufe "nicht gut" für die ukrainische Armee: „Die russischen Truppen gewinnen - sie brauchen dafür nur viel länger, als sie es selber höchstwahrscheinlich erwartet haben.”
(NDR, 28.2.2022)

Militärexperte: „Wir stehen nicht vor einem Atomkrieg”
Staatschef Putin hat die russischen Abschreckungskräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Der in München lehrende Militärexperte Masala glaubt aktuell nicht an eine atomar geführte Auseinandersetzung, Das russische System habe vier Eskalationsstufen. „Wir befinden uns auf Stufe zwei: erhöhte Alarmbereitschaft”, schätzt Masala die Situation ein. Das sei noch weit entfernt von einer konkreten Drohkulisse, bei der man befürchten muss, dass Nuklearwaffen abgefeuert werden. „Erhöhte Alarmbereitschaft hatten wir bereits 2014 bei der Annexion der Krim. Es ist eine Warnung, aber noch keine nukleare Eskalation”, so Masala.
(Bayerischer Rundfunk, 28.2.2022)

„Gorbatschow bestreitet energisch, betrogen worden zu sein“
Vorwand für die Eskalation im Ukraine-Konflikt ist die Behauptung, die NATO habe mit der Osterweiterung ihr Wort gebrochen. Der Historiker und Journalist Ignaz Lozo hat mit wichtigen Akteuren der Verhandlungen 1990 gesprochen. Er äußert sich in diesem Interview zur kürzlich aufgetauchten Aktennotiz und macht  deutlich, inwiefern Gorbatschow selbst sich gegen Unterstellungen verwehrt, er sei bei bei der NATO-Osterweiterung betrogen worden:
„Wenn er (Gorbatschow) sagt, über die Nato-Osterweiterung sei während der Deutschlandverhandlungen nicht gesprochen worden, hat er recht. Dass aber außerhalb des Zwei-plus-Vier-Rahmens der Wunsch Polens oder Ungarns nach einer Beitrittsperspektive gelegentlich ein Thema war, ist ebenfalls unbestritten. Da wird aber nicht genügend differenziert. (...)  Gorbatschow wollte die NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands ursprünglich verhindern, musste sich aber letztlich der KSZE-Schlussakte beugen, die die Sowjetunion ja selbst unterschrieben hatte. Die Akte gibt jedem Land das Recht, sein Bündnis frei zu wählen. Energisch bestreitet er Unterstellungen, er sei bei der Nato-Osterweiterung betrogen worden. Das liege auch daran, dass es keine eingeschränkte Souveränität eines Staates geben könne, wie er sagte.”
(Welt. 26.2.2022)

Gesprächsangebot über Neutralität der Ukraine: „Vielleicht ein kleiener Funke Hoffnung”
Politikwissenschaftler Christian Hacke über das Gesprächsangebot der Ukraine an Russland, über einen neutralen Status der Ukraine zu verhandeln:
„Das Stichwort Neutralität führt zurück auf Angebote und auf Einstellungen. die die Realisten im Westen schon lange gemacht haben: Helmut Schmidt, Henry Kissinger, der Außenminister Hans-Dietrich Genscher,  alle haben gesagt, dass die Zukunft der Ukraine nur sein kann, souverän und frei, nicht gebunden nach Westen, und auch nicht gebunden nach Osten. Das ist auch das, was viele gefordert haben, aber leider wurde auch von den westlichen Diplomaten in den letzten Wochen und Monaten dieser Vorschlag nicht aufgegriffen. (...) Also vielleicht ein kleiner Funke Hoffnung.”
(Tagesschau, 25.2.2022)

Friedensforschungsinstitut Sipri: Atomkrieg wegen Ukraine unwahrscheinlich
Trotz Putins Andeutungen in seiner jüngsten Rede rechnet das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri nicht damit, dass der Ukraine-Krieg zum Einsatz von nuklearen Waffen führen wird. Putin hatte in einer Fernsehansprache unter anderem darauf verwiesen, Russland sei heute eine „der mächtigsten Nuklearmächte der Welt“ und ein direkter Angriff auf Russland könne „zu einer Niederlage und schlimmen Konsequenzen für jeden potenziellen Angreifer führen.” Laut dem Sipri Jahresbericht 2021 verfügte Russland Anfang 2021 über 6255 der 13 080 Atomwaffen, die die neun Atommächte der Erde schätzungsweise in ihrem Besitz haben. Die USA kamen zu dem Zeitpunkt auf 5550 solcher Sprengkörper.
(Stuttgarter Nachrichten, 25.2.2022)

Putins „russische Welt"
Seit einigen Jahren prägt Russlands Präsident Wladimir Putin den Begriff der „Russkij mir”, also einer russischen Welt. Auch in seiner jüngsten Rede an die Nation  hob er die Tradition einen einheitlichen, historischen Russlands hervor, in der Russen, Belarusen und Ukrainer ein Volk seien. Die in der Ostukraine lebenden „ethnischen Russen” werden nach Putins Darstellung vom ukrainischen Staat bedroht. Damit rechtfertigt Putin nun auch die Entsendung von russischen Truppen in das Gebiet. Es sei in Folge mit Eingliederung der Gebiete zu rechnen, so der Russland-Experte Ulrich Schmid:
„Dass er nun auch die selbsternannten „Volksrepubliken” Donezk und Luhansk als Staaten anerkennt, folgt dem Muster von Südossetien und Abchasien nach dem Georgienkrieg von 2008 - und ich vermute, der nächste Schritt, den wir sehen werden, wird die Eingliederung von Donezk und Luhansk als neue Föderationssubjekte in die Russländische Föderation sein.”
(Tagesschau, 23.2.2022)

Hybride Kriegsführung – Wo hört der Frieden auf, wann beginnt der Krieg?
Eine Analyse von Patrick Gening über Putins hybride Kriegsführung:
„Verschleierung auf mehreren Ebenen ist ein typisches Merkmal einer hybriden Kriegsführung, bei der klassische und verdeckte Militäreinsätze, politischer sowie wirtschaftlicher Druck, Computerangriffe und Propaganda sowie Desinformation kombiniert werden. Zu dem Arsenal dieser Strategie gehört es ebenfalls, die Grenze zwischen Krieg und Frieden zu verwischen - so wie es bereits seit Jahren in der Ostukraine geschieht”.
Über dieses Thema diskutierten Osteuropaexperten im Deutschlandfunk: Zum Beitrag.
(Tagesschau, 22.2.2022)

„Schlag ins Gesicht für den Westen”
Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik ZDF
Die Anerkennung der Separatistengebiete durch Putin werde massive Konsequenzen zur Folge haben, so Politikwissenschaftler Kaim. Die Handlungsspielräume für Diplomatie werden enger.
(ZDF, 21.2.2022)

Wird Putin ohne einen Schuss abzugeben gewinnen?
Georgi Gotev in einer Analyse für EURACTIV:
„Wenn westliche Analysten sich einen Krieg zwischen Russland und der Ukraine vorstellen, haben sie wahrscheinlich Bilder des Zweiten Weltkriegs vor Augen: Panzer, Truppen und Flugzeuge.  (...)  Diese Menetekel eines kriegsähnlichen Szenarios könnte auch irreführend sein. Die russische „Silowiki“-Elite, deren Anführer Putin ist, hat eine besondere Vorliebe für hybride Formen der Kriegsführung. Ihr „best-case“ Szenario ist, einen militärischen Sieg davonzutragen, ohne dass es zu bewaffnetem Konflikt kommt. Angenommen, es gelingt dem Kreml, die Ukraine wirtschaftlich und politisch so weit zu destabilisieren, dass es nach einigen Monaten der Spannungen an den Grenzen zu einem Regimewechsel kommt. In diesem Fall hätte das Militär gewonnen, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern.”
(EURACTIV, 18.2.2022)

Wie konnte sich der Konflikt mit Russland so zuspitzen? Und wie könnten wir ihn auflösen?
Wie sind wir in diese höchst gefährliche Lage geraten? Klaus von Dohnanyi (SPD), unter anderem früherer Staatsminister im Auswärtigen Amt, hält die Situation für ein Ergebnis vor allem US-amerikanischer Machtpolitik und sieht die Verantwortung bei der NATO, Deutschland und Frankreich müssten sich von den USA unabhängiger machen und Verhandlungen auf Augenhöhe herbeiführen. Sabine Fischer, Russlandexpertin der Stiftung für Wissenschaft und Politik, hält dagegen und sieht Moskau in der Pflicht: Die Lage sei vor allem auf einen machtpolitischen Revisionismus Russlands zurückzuführen – und auf solche Erpressung dürfe sich der Westen nicht vorschnell einlassen. Ein Streitgespräch in der Wochenzeitung derFreitag.
(derFreitag, 18.2.2022)

Neuer Aktenfund stützt russischen Vorwurf in Bezug auf NATO-Osterweiterung
Russland behauptet seit Jahrzehnten, mit der Osterweiterung habe die NATO gegen westliche Zusagen verstoßen, sich nicht weiter nach Osten auszudehnen. Nun ist ein Dokument aufgetaucht, das diesen Vorwurf stützt. Auf Ebene der damaligen Außenminister Deutschlands und Russlands habe man sich darauf verständigt, die NATO nicht weiter nach Osten auszudehnen. Der deutsche Jürgen Chrobog, Intimus von Genscher, habe in einem Vermerk festgehalten: „Wir haben in den 2 plus 4 Verhandlungen deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe (gemeint ist: die Oder, d. Red.) hinaus ausdehnen. Wir können daher Polen und den anderen keine Nato-Mitgliedschaft anbieten.“  Über diesen Vermerk berichtet der „Spiegel“. Die damaligen Staatchefs Helmut Kohl und George H.W. Bush hätten diese Vereinbarung später übergangen. Der Schweizer Historiker Christian Nünlist kommt nach Auswertung aller wesentlichen Studien zu folgendem Ergebnis: „Konkrete westliche Garantien bezogen sich 1990 nur auf die DDR; aber der Westen täuschte die Sowjetunion gleichzeitig mit vagen Versprechen einer kooperativen, inklusiven, europäischen Sicherheitsordnung, während die Bush-Regierung bewusst die exklusive Nato (ohne die UdSSR) ins Zentrum der neuen Sicherheitsstruktur Europas rückte.“
(Spiegel, 18.2.2022/Focus, 18.2.2022)

„Russlands Führung hat sich verkalkuliert”
Das geschlossene Auftreten des Westens hat dem Kreml vorerst die Möglichkeit genommen, die Ukraine anzugreifen, sagt der Russland-Experte Rüdiger von Fritsch. Nun muss die russische Führung gleich mehrere Punkte bedenken:
„Erstens: Die Kosten eines Krieges wären aufgrund der zu erwartenden Folgen westlicher Sanktionen enorm. (...)  Das zweite ist: Die russische Führung kann sich nicht sicher sein, dass insbesondere ein größerer Krieg dauerhaft die Zustimmung der eigenen Bevölkerung hat.(...) Der dritte Punkt: Wenn Russland wirklich militärisch vorgehen sollte, kann es nicht jene Ziele erreichen, die es im größeren Zusammenhang verfolgt. Der Ukraine-Konflikt ist ja quasi nur ein Vehikel, um zu versuchen, fundamental die europäische Friedensordnung zu ändern.”
(Tagesschau, 16.2.2022)

Szenarien für einen russischen Angriff auf die Ukraine
Von einer „Vollinvasion” bis hin zu einzelnen militärischen Schlägen und Operationen: Laut Osteuropaexperte Wilfried Jilge sind unterschiedliche Szenarien für einen russischen Einmarsch in die Ukraine denkbar. Die Anzeichen seien beunruhigend, die Aufrüstung Russlands in Richtung Grenzgebiete sprächen klar für eine russische Aggression. Wenn Russland solche Pläne von sich weise, sei dies eine Lüge. Russland würde im Falle eines Einmarsches  ganz klar gegen das in der UN-Charta festgemachte Völkerrecht verstoßen, so Jilge im Dlf.  Schon allein der massive Truppenaufmarsch an den Grenzen eines Nachbarstaates (ohne irgendeine akute Bedrohungslage als Begründung) stelle eine schwerwiegende Verletzung des internationalen Rechts dar.
(Deutschlandfunk, 12.2.2022)

Ukraine im Nato-Russland-Spannungsfeld
Sicherheitsvereinbarungen und Rüstungskontrolle müssen wiederbelebt werden, so Wolfgang Richter:
„Die USA und die Nato signalisieren Dialogbereitschaft in Fragen der Rüstungskontrolle, sind aber nicht bereit, die Prinzipien der europäischen Sicherheitsordnung zu revidieren. Ob Moskau dies akzeptiert, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sollte der neue Dialog als Chance aufgegriffen werden, um die Lage zu deeskalieren und die militärische Berechenbarkeit durch Rüstungskontrolle wieder-
herzustellen, ohne Prinzipien preiszugeben. (...)  Scheitert dies, könnten zusätzliche Stationierungen und Manöver an den Nato-Russland-Kontaktlinien in Osteuropa die Lage weiter destabilisieren.”
(Stiftung Wissenschaft und Politik, 11.2.2022)

Kontraproduktive Drohpolitik: Russland drängt Finnland und Schweden näher an die Nato
Ende Dezember 2021 hatte Russland bekannt gegeben, dass seine Forderung nach einem Ende der NATO-Osterweiterung auch Finnland und Schweden betreffe und den beiden Staaten einen entsprechenden Brief zukommen lassen. Daraufhin entflammte erneut die Diskussion um einen Beitritt zum Militärbündnis. Die Vorgabe Putins, die NATO dürfe keine weiteren Mitglieder aufnehmen, wurde als übergriffig zurückgewiesen.
„Immer deutlicher wird, dass der Konfrontationskurs des russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht nur eine Bedrohung für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine ist, sondern für die ganze europäische Friedensordnung. Der Kreml will sich einen Schutzraum mit Pufferstaaten schaffen, deren außenpolitischer Spielraum von Moskau bestimmt wird”,
so Michael Paul von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Bislang seien die nordeuropäischen Staaten stets um Ausgleich und Kooperation mit Russland bemüht gewesen, indem er Druck auf die Staaten ausübe, sich nicht der NATO anzuschließen, treibe er die Erweiterung der NATO eigenhändig voran, so beschreibt Matthias Koch in seiner Analyse den Putin-Effekt.
(Stiftung Wissenschaft und Politik, 4.2.2022)

Wie Geheimdienste Putins Militäraufmarsch beurteilen
Russland beteuert, dass er in Osteuropa keinen Krieg will. Die Informationen, die Geheimdienste zusammentragen, sind allerdings beunruhigend. Dank Spionagesatelliten und anderen Aufklärungsmethoden haben die Geheimdienste einen sehr guten Überblick über die aktuelle Lage. Und diese wirke düster – vor allem, wenn sie mit den Analysen kombiniert werden, die über Putin selbst erstellt wurden. Ein Überblick von Ansgar Haase.
(Der Tagesspiegel, 2.2.2022)

„Keine einseitige Schuldzuweisung”
Prof. Frank Ettrich von der Universität Erfurt  ist sich bei diesem Konflikt in einem sicher: Es könne und solle keine einseitige „Schuldzuweisung” stattfinden:
„Viele öffentliche Verlautbarungen sind nicht nur unverkennbar von russophoben Untertönen imprägniert, die sich überschlagenden Meldungen über Gegenmaßnahmen gegen eine offensichtlich immer näher rückende weitere Aggression Russlands gegen die Ukraine drohen m.E. in eine offene russophobe Hysterie umzuschlagen. (...)  In der überhitzen ‘Debatte’  über den ‘großrussischen Chauvinismus’ und ‘großrussischen Revanchismus’, die von immer neuen Drohungen und Sanktionen gegen Russland oder Putin angesichts der offenbar sichtlich feststehenden russischen Invasion der Ukraine durchsetzt ist, wird verblüffenderweise nur die Hauptfrage nie aufgeworfen: Ist eine neuerliche Aggression gegen die Ukraine überhaupt das Ziel Russlands?”
(Universität Erfurt, 31.1.2022)

Knickt Putin jetzt ein, verliert er sein Gesicht
Politologe und Russland-Experte Gerhard Mangott hat den Glauben an eine friedliche Lösung aufgegeben:
„Putin hat eine Vision und eine historische Mission, die er glaubt erfüllen zu müssen, und für die er auch in die Geschichtsbücher Russlands eingehen möchte. Er will Russland als Großmacht wiedererstehen lassen, zumindest militärisch.”  Und wenn der Westen seine Forderungen nach Sicherheitsgarantien in Osteuropa nicht erfülle, sp Putins Drohung im Dezember, werde er eine militärisch technische Antwort geben.  Da diese Forderungen offenbar nicht erfüllt werden, bleibt die Frage: Was macht Putin aus seiner Drohung? „Er kann natürlich davon Abstand nehmen und das Ganze deeskalieren. Es würde aber ein Gesichts- und Glaubwürdigkeitsverlust nach innen wie nach außen bedeuten. Jede russische Drohgebärde in der Zukunft würde als Bluff abgetan. Oder wird Putin die angekündigte militärisch-technische Antwort liefern? Für mich ist die Wahrscheinlichkeit einer militärisch-technischen Antwort, welche Formen diese auch haben wird, sehr viel wahrscheinlicher als eine Lösung auf dem Verhandlungsweg.”
(RND, 29.1.2022)

Wladimir Putin macht sich ein falsches Bild von der Ukraine
Simone Brunner für Zeit Online:
„Die Ukraine hat mit dem Bild, das sich Putin von dem Land macht, wenig zu tun. Das war zwar schon 2014 so, als die russische Propaganda die Massenproteste auf dem Kiewer Maidan zu einer Mischung aus ‘Faschistencoup’ und CIA-Plot zurechtlog – und als Vorwand für die Annexion der Krim und die Besetzung der Ostukraine nahm. Aber Experten vermuten, dass Putin das Land heute noch weniger versteht als damals.”
Noch nie wäre die Ukraine so geeint gegen Russland gewesen wie heute, so Brunner, in Putins Argumentation sehe aber alles ganz anders aus. Ukrainer und Russen seien „odin narod”, „ein Volk”, und die wahre Souveränität der Ukraine könnte „nur in einer Partnerschaft mit Russland” liegen, schrieb Putin in einem im vergangenen Juli veröffentlichten Essay.
(Microsoft News/Zeit Online, 28.1.2022)

Eskalation in Grenzen – Drei Szenarien
Was hat Moskau im neuen Konflikt um die Ukraine vor? Darüber mutmaßt die internationale Staatengemeinschaft seit Monaten.
Margarte Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik mit drei Szenarien:
„Die westlichen Regierungen fragen sich zum einen, ob Russland mit dem Truppenaufmarsch in der Nähe der ukrainischen Grenze nur den Forderungen nach einem Ende der Nato-Osterweiterung und dem Rückzug von Nato- und US-Truppen aus den östlichen Mitgliedstaaten Nachdruck verleihen will. Zum anderen steht die Frage im Raum, ob das Scheitern der Gespräche mit den USA und der Nato über Sicherheitsgarantien von vorneherein einkalkuliert ist, um eine ohnehin geplante Intervention in der Ukraine zu rechtfertigen. Die russische Führung spielt mit strategischer Ambivalenz, um eine Antwort zu erschweren: Es kritisiert einen möglichen russischen Einmarsch als westlichen Verschwörungsmythos, bringt zugleich aber eine militärische Antwort ins Spiel, sollten die Gespräche mit den USA und der Nato scheitern. So versucht Moskau, die Russland-Debatte in Europa weiter zu polarisieren und eine einheitliche europäische und transatlantische Antwort zu erschweren.”
(SWP, Kurz gesagt, 25.1.2022)

Wer in der Ukraine-Krise welche Rolle spielt
In und um die Ukraine hat sich ein neuer Konflikt zwischen Russland, der NATO, den USA und  Europa zusammengebraut.  Doch wer will eigentlich was? Welche Positionen vertreten die verschiedenen Staaten und Akteure im Konflikt? Eine Übersicht.
(DERSTANDARD.24.1.2022)

Echte Kriegsgefahr oder taktische Drohungen?
Russland zieht seit Wochen Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen. Nun hat das US-Außenministerium Familienmitglieder des Botschafts-Personals in Kiew angewiesen, die Ukraine zu verlassen – wegen einer drohenden Kriegsgefahr. Wie real ist diese Gefahr? Stimmen dazu von Experten und Politikern im Deutschlandfunk.
(Deutschlandfunk, 24.1.2022)

„Sehr verstörende Tatik” Russlands
Die britische Autorin des Buches „Putins Netz”  Catherine Belton im Deutschlandfunk:
„Es ist der Höhepunkt der Anstrengungen des Putin-Regimes, für Russland Anerkennung zu gewinnen, sein Ansehen als Großmacht auf der Weltbühne wiederherzustellen. Wie ich sagte, geschieht das nicht konstruktiv, sondern indem man versucht, seine Nachbarn zu spalten und Uneinigkeit im Westen zu stiften. Es ist wirklich eine sehr verstörende Taktik. Für mich ist das auch ein Zeichen der Verzweiflung des Putin-Regimes. (...) Natürlich wollen sie gern die Ukraine wieder einnehmen, natürlich wollen sie Einflusssphären wieder erschaffen, in denen es der Westen nicht wagt, Russlands Einfluss zu beeinträchtigen. Wo sie sogar befehlen könnten, dass sich die NATO aus Rumänien oder Bulgarien zurückzieht. Aber mir scheint: Natürlich sind sie nicht stark genug, das zu tun. Aber sie werden versuchen, diese Konfrontation mit dem Westen zu kreieren. Sie versuchen, den Westen zu schikanieren und einzuschüchtern, sodass er Sicherheitszugeständnisse einräumt.”
(Deutschlandfunk, 24.1.2022)

Machtarchitektur Russland: Wofür steht der Ukraine-Konflikt?
Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit dem NDR:
„Im Kern geht es um sehr unterschiedliche Ordnungsentwürfe. Es geht zwar vordergründig um die Ukraine, aber letztlich geht es um die Neuordnung Europas, wenn nicht sogar der Welt. Hier treffen unterschiedliche Ordnungsvorstellungen aufeinander. Verkürzt gesagt, hält der Westen nach wie vor an der Charta von Paris von 1990 fest, ein Dokument, was den Ost-West-Konflikt beendet hat und in dem für die Außenpolitik solche Prinzipien verankert sind wie: Unverletzbarkeit der Grenzen, Nichtanwendung militärischer Gewalt, freie Bündniswahlen und anderes mehr. Und Russland - das ist gerade in den letzten Wochen deutlich geworden - verfolgt eher eine Ordnung, die auf historischen Ansprüchen, Einflusssphären, Interessensgebieten und vielem anderen mehr beruht.”
(NDR, 24.1.2021)

Ukrainischer Botschafter: „Größte Gefahr seit dem Zweiten Weltkrieg”
Angesichts des massiven russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zu seinem Land spricht der ukrainische Botschafter  in den Tagesthemen von der „größten Gefahr seit dem Zweiten Weltkrieg”. Als Nicht-Nato-Mitglied stehe die Ukraine in dem Konflikt allein da. Einige Nato-Mitglieder haben der Ukraine wegen des Konflikts mit Russland Waffen bereits geschickt oder in Aussicht gestellt. Deutschland schließt das bisher aus. Botschafter Melnyk fordert deshalb erneut, das zu überdenken. Er hoffe, „dass die Deutschen aufgerüttelt werden”.
(Tagesthemen/Spiegel, 24.1.2022)

Markus Kaim: „Entsteht Eindruck, Westen setze auf Eskalation”
Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik im n-tv-Interview:
„Ich finde es kein geschicktes Zeichen der amerikanischen Politik, in dieser angespannten Lage Manöver durchzuführen, denn das ist Wasser auf die russische Position, die ja seit Monaten davon ausgeht, der Westen, die NATO würde Russland bedrohen, was ich nicht für zutreffend halte. Aber es entsteht durch diese Manöver ein Eindruck, dass dies der Fall wäre, und dass der Westen, konkret die USA und die NATO auf eine gewisse Eskalation der Situation setzen.”
(n-tv, 22.1.2022)

Matthias Platzeck: „Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Russen keine Interessen haben”
Der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck (SPD), hat den Umgang des Westens mit seinem russischen Nachbarn im phoenix Tagesgespräch scharf kritisiert. Man habe sich daran gewöhnt, dass Russland keine Interessen habe. Nun da es wieder welche entwickle, wüsste der Westen nicht, damit umzugehen, so Platzeck im phoenix-Interview. Dabei betone das größte Land der Welt schon seit Jahren, es wolle Gespräche auf Augenhöhe und in die Sicherheitsarchitektur des Westens eingebunden werden. Bisher seien diese Appelle der Russen vergebens gewesen. Angesichts des Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze würden nun, aus russischer Sicht, die Forderungen endlich gehört. Der Westen trage hieran Mitschuld: „Wir im Westen waren nachlässig bis arrogant”, so Platzeck. Einer möglichen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine erteilte Platzeck eine Absage und warnt davor, den Glauben daran zu nähren: „Wir wissen, wir tun es sowieso nicht.” Er schlug vor, die Ukraine stattdessen in die Europäische Union aufzunehmen, das würde die Sicherheit verbessern.
(phoenix, 21.1.2022)

Markus Kaim: „Russland ist zur Geopolitik zurückgekehrt”
Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Tageschau-Interview:
„Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland ist nur einer von vielen. Man könnte noch weitere aus dem postsowjetischen Raum hinzufügen, etwa die russische Militärpräsenz in Georgien. Die Ansätze der europäische Sicherheitsordnung, wie wir sie seit 1990 haben, werden leider von der russischen Regierung zurzeit in Frage gestellt werden und nicht mehr geteilt.
Das lässt, losgelöst vom Konflikt um die Ukraine, doch Schlimmes befürchten. Letztlich muss man konstatieren, dass Russland wieder zu einer Politik zurückkehrt, die man Geopolitik nennt. Es findet ein Argumentieren in Einflusssphären, Interessensgebieten und traditionellen Ansprüchen statt. Solange das der Fall ist, sehe ich wenig Konsens zwischen dem Westen und Russland.”
(Tageschau, 21.1.2022)

Kriegsangst in Europas Osten: Vier mögliche Szenarien im Ukraine-Konflikt
Noch klinge es nach Säbelrasseln, wenn sich der Westen und Russland gegenseitig mit Drohungen unter Druck setzten. Der neue kalte Krieg zwischen Russland und dem westlichen Militärbündnis Nato sei in vollem Gang. Es lägen militärische Optionen auf dem Tisch, DER STANDARD hat vier Strategien aufgelistet, derer sich Russland bedienen könnte.
(DERSTANDARD.19.1.2022)

„Putin sitzt am längeren Hebel”
Die Russen diktierten das Handeln, so der Politikwissenschaftler Christian Hacke im Dlf. Wenn es im aktuellen Konflikt zwischen Russland und dem Westen um die Ukraine nicht zu einem Kompromiss komme, könne es angesichts der „Einflusssphären-Politik der Russen” und der „Demokratie-Politik” des Westens  zum Krieg kommen, warnt Christian Hacke. Er fürchte eine Situation wie vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Juli 1914.
(Deutschlandfunk, 19.1.2022)

Gebt der Ukraine eine Beitrittsperspektive!
Die Angst vor einem großen Krieg in Europa könnte euro­päi­sche Regie­run­gen dazu ver­an­las­sen, der Haupt­for­de­rung Russ­lands nach­zu­ge­ben und die Zusage einer NATO-Auf­nahme der Ukraine und Geor­gi­ens, auf­zu­wei­chen oder zurück­zu­neh­men. Falls dies geschehe, sollte der Westen die beiden Länder für das gebro­chene Ver­spre­chen ent­schä­di­gen und ihnen eine EU-Mit­glied­schafts­per­spek­tive eröffnen, so der Politologe Andreas Umland.
(Ukraine verstehen, 14.1.2022)

30 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion: Wie Putin um ein Comeback des Imperiums kämpft
Während viele der ehemaligen 15 Sowjetrepubliken das Ende der Sowjetunion auch als Chance begriffen und neue Wege begangen hätten, trauerten die alten Eliten Russlands dem Zerfall bis heute nach. Schon 2005 bezeichnete Russlands Präsident Wladimir Putin das Ende der Sowjetunion als „die größte geopolitische Katastrophe” des 20. Jahrhunderts, und heute spricht er von einer „Tragödie”. „Das, was wir uns in 1000 Jahren erarbeitet haben, war zu einem bedeutenden Teil verloren”, sagte Putin mit Blick auf das russische Zarenreich in einer aktuellen TV-Doku. Es sei offensichtlich, dass der eigenständige Kurs der Ukraine Moskau die größten Schmerzen verursacht und man alles versucht, um ein Abdriften in das westliche Bündnis- und Wertesystem zu verhindern, so Jan Emendörfer, RND-Chefkorrespondent für Osteuropa und Russland.
(RND, 26.12.2021)

„Von der Realität abgehoben”: Russische Experten kritisieren westliche Ukraine-Politik
Experten in Russland, die durchaus kremlkritisch eingestellt sind, würden laut dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) bei diesem Konflikt eher im Westen den Aggressor sehen. Konstantin Skorkin etwa, Ukraine-Experte des Moskauer Büros der US-Denkfabrik Carnegie und selber Ukrainer, kritisiere den Westen für den Versuch, Russlands Einfluss in Osteuropa weiter eindämmen zu wollen, indem er die Ukraine mit Waffen beliefere: „Dadurch entsteht eine sehr gefährliche Situation, in der das Risiko einer ungewollten Eskalation hoch ist, die zu einem ernsten Konflikt führen könnte.” Noch härter falle das Urteil von Wasilij Kaschin aus, Militär- und Rüstungsexperte der Wirtschaftshochschule Moskau: „Was eine Einigung in diesem Konflikt so schwierig macht, ist einzig und allein die US-amerikanische Innenpolitik”, sagt er. „Die Angst des Weißen Hauses, schwach zu erscheinen, weil es nicht in der Lage ist, die Versprechungen mehrerer früherer US-Regierungen zu erfüllen. Diese Zusagen waren von Anfang an völlig unverantwortlich und von der Realität abgehoben. Man kann in Europa nicht so tun, als hätte Russland dort keine Interessen, ohne mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen zu müssen.”
(RND, 19.12.2021)

Wer ist alles in den russland ukraine konflikt verwickelt
Übersichtskarte der Ukraine mit allen Städten über 100.000 Einwohnern Wikimedia | Lencer |cc by-sa/3.0/de

(Vergrößern mit Klick auf die Karte)


Letzte Aktualisierung: Oktober 2022, Internetredaktion LpB BW

Wer ist am Ukraine Konflikt beteiligt?

Der Konflikt begann Ende Februar 2014 mit der russischen Besetzung der unter ukrainischer Hoheit stehenden Schwarzmeer-Halbinsel Krim; dies erfolgte unter Einsatz russischer Streitkräfte ohne Hoheitszeichen („Grüne Männchen“).

Wer hält alles zu Russland?

Hierzu zählen derzeit Russland, Kasachstan, Weißrussland, Armenien und Kirgisistan.

Wie viele tote Russen in Ukraine Konflikt 2022?

Der Russland-Ukraine Krieg hat laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) bis zum 10. Oktober 2022 mindestens 6.221 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert, darunter mindestens 396 Kinder.

Warum hilft die NATO nicht der Ukraine?

" Im sogenannten Bündnisfall müssen also alle NATO -Mitglieder gemeinsam das angegriffene Land verteidigen – einschließlich Waffengewalt, wenn erforderlich. Und die Ukraine ist kein Mitglied des Bündnisses. Sie muss also von der NATO deshalb rein rechtlich auch nicht verteidigt werden.