Was tun wenn ein Freund weint?

Was tun, wenn dein Baby weint

von Aletha Solter, Ph.D.

Original English version: What to do when your baby cries

Deutsche Übersetzung von Monika Lintner-Lehki und Susanne Pestel

Ein weinendes Baby veranlasst viele Eltern zu grosser Beunruhigung. Wenn dein Baby weint und du nicht weisst warum, können Gefühle der Angst, Hilflosigkeit, Frustration, Unfähigkeit und sogar Zorn und Feindseligkeit aufkommen. Es gibt viele Ratschläge über weinende Babys, aber die meisten von ihnen vernachlässigen es, die wirklichen Gründe für das Weinen zu erklären, und sie bieten Vorschläge an, welche der emotionalen Entwicklung deines Babys schaden.

Warum weinen Babys?

Es gibt zwei Gründe, warum Babys weinen. Ein Grund ist, ein Bedürfnis oder Unbehagen mitzuteilen. Vielleicht sind sie hungrig, gelangweilt, ihnen ist kalt, oder sie wollen einfach nur gehalten werden. Manchmal ist es schwer herauszufinden, was sie brauchen. Die Aufgabe der Eltern und Betreuer ist es zu versuchen, die Bedürfnisse des Babys so schnell und sorgfältig wie möglich zu erfüllen. Babys können nicht "verwöhnt" werden. Es ist unmöglich, ihnen zu viel Liebe, Aufmerksamkeit und körperlichen Kontakt zu geben.

Der zweite Grund des Weinens im Säuglingsalter wird viel weniger verstanden. Viele Babys weinen, obwohl alle Grundbedürfnisse erfüllt wurden und sogar während sie gehalten werden. Diese Art des Weinens, welches im Alter von sechs Wochen am intensivsten vorkommt, wird als "Kolik" oder "gereiztes Weinen" bezeichnet. Es kann einige Stunden am Tag dauern. Die üblichen Erklärungen für dieses Weinen haben sich auf mögliche körperliche Probleme wie Blähungen oder Verdauungsstörungen konzentriert. Jedoch haben Untersuchungen gezeigt, dass Babys mit "Kolik" meist eine normale Verdauung haben und sich gewöhnlich bester Gesundheit erfreuen. Daher ist es notwendig, die möglichen emotionale Gründe des Weinens zu berücksichtigen.

Säuglinge sind extrem verwundbar, und sie haben sehr grossen emotionalen Schmerz, der sich aus einer Ansammlung von stressigen Erlebnissen ergibt. Schmerz kann durch eine traumatische Geburt oder Schwierigkeiten nach der Geburt verursacht werden. Babys erfahren Verwirrung, während sie versuchen, die Welt zu verstehen, und sie sind schnell eingeschüchtert und überreizt. Ausserdem fühlen sie sich frustriert, wenn sie versuchen, sich mitzuteilen und neue Fertigkeiten zu erlernen. All dies hat den emotionalen Schmerz, der im Körper gesammelt wird, zur Folge.

Glücklicherweise werden Babys mit einem Reparaturwerkzeug ausgestattet und können die Stressauswirkungen durch den natürlichen Heilmechanismus des Weinens überwältigen. Die Forschung hat gezeigt, dass Leute jeder Altersgruppe aus dem Weinen Nutzen ziehen, und dass Stresshormone in Tränen ausgeschieden werden. Ein Säugling, der einige Tage in einem Inkubator ohne menschlichen Kontakt isoliert wurde, muss mehrere Monate lang viele Stunden weinen und wüten, um sich vom emotionalen Schmerz, der durch ein so schreckliches und verwirrendes Erlebnis verursacht wurde, zu befreien. Wenn ein drei Monate alter Säugling bei einem Familientreffen unter vielen unbekannten Leuten herumgereicht wurde, kann dies zur Folge haben, dass er nachher sehr lange weinen muss. Ein sechs Monate alter Säugling, der den ganzen Tag versucht hat, vorwärts zu kriechen, und es doch nur rückwärts schaffte, braucht wahrscheinlich am Ende des Tages, um seine Frustrationen abzubauen, das Weinen und Wüten, bevor er friedlich in den Schlaf sinken kann. Bei diesen Beispielen ist das Weinen keine Verletzung; sondern es ist der Prozess der Heilung.

Was können Eltern tun?

Zuerst ist es wichtig zu überprüfen, ob unmittelbare Bedürfnisse und Unbehagen wie zum Beispiel Hunger oder Kälte vorliegen. Aber wenn das Baby, nachdem du seine Grundbedürfnisse erfüllt hast, noch immer unruhig ist, ist es angemessen, das Baby einfach liebevoll zu halten und ihm das Weiterweinen zu erlauben. Babys brauchen Nähe und Aufmerksamkeit, wenn sie weinen. Ein Baby sollte nie beim Weinen alleingelassen werden. Selbst wenn du dich beim Halten deines weinenden Babys nutzlos fühlst, versorgst du in Wirklichkeit dein Baby mit der nötigen emotionalen Unterstützung, während es sich auf diesem Weg von seinem Stress entlastet. Dein Baby lehnt dich nicht ab, wenn es weint. Es fühlt sich vielmehr sicher genug, dir seine Gefühle zu zeigen, genauso wie wenn du in Tränen ausbrichst, wenn ein vertrauter Freund seinen Arm um dich legt und du zugibst, dass du einen schweren Tag hattest. Eltern, die ihre Babys halten und ihnen erlauben, sich auf diesem Weg auszudrücken, bemerken gewöhnlich, dass ihre Babys nach dem Weinanfall entspannt und zufrieden sind und in der Nacht besser schlafen.

Warum ist es so schwierig, ein weinendes Baby zu halten und das Weinen zu akzeptieren? Vielleicht weil nur wenige Menschen nach Bedarf weinen durften, als sie klein waren. Deine Eltern haben vielleicht versucht, dich vom Weinen abzuhalten, als du ein Baby warst. Vielleicht gaben sie dir einen Schnuller oder fütterten, schaukelten dich oder haben dich jedesmal, wenn du weintest, gewiegt, in der Annahme, dass du diese Ablenkungen in diesem Moment brauchtest. Vielleicht versuchten sie, dich mit Spielzeug, Musik oder Spielen abzulenken, obwohl du eigentlich nur ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und Liebe gebraucht hättest, damit du dein Weinen fortsetzen konntest. Sie haben vielleicht vom Doktor Beruhigungsmittel verlangt, um dich zu besänftigen, oder sie haben dich beim Weinen alleingelassen, weil sie dachten, dass sie jetzt nichts für dich tun könnten. Vielleicht haben sie dich sogar geschlagen oder angeschrien vor lauter Frustration und Verzweiflung. Als du älter wurdest, hast du vielleicht mehr Ablenkungen oder Strafe von deinen Eltern oder Lehrern erfahren, weil sie sich ärgerten über deine Versuche, dich von deinen Gefühlen durch das Weinen zu entlasten.

Deine Eltern dürfen nicht getadelt werden, denn sie hatten einfach keine Information über die Wichtigkeit des Weinens. Jedoch wegen der Prägung in deiner Kindheit findest du es vielleicht schwer, die Notwendigkeit des Weinens bei deinen eigenen Kindern zu erkennen. Du fühlst dich vielleicht unbewusst gedrängt, deine Kinder auf dem gleichen Weg wie deine Eltern vom Weinen abzuhalten. Es braucht Zeit, um ein Leben der Einprägung rückgängig zu machen. Vielleicht solltest du deinen eigenen Tränen einmal freien Lauf lassen. Das wäre mein Rat. Wenn du jemanden findest, der dir zuhört, um so besser. Du wirst dich nachher viel besser fühlen, und du wirst das Weinen deines Babys vielleicht ein bisschen akzeptabler finden. Wenn du fühlst, dass du frustriert und erschöpft wirst, weil dein Baby viel weint, verdienst du jede Hilfe und Unterstützung, die du finden kannst.

Anmerkung: Der Ratschlag in diesem Artikel sollte nicht als Ersatz für eine medizinische Meinung und Behandlung gesehen werden. Wenn Krankheit oder physischer Schmerz verdächtig sind, immer den Arzt aufsuchen.

Vidéo: Was tun, wenn dein Baby weint von Aletha Solter, Ph.D.

Aletha Solter und Aware Parenting

Aletha Solter ist eine schweizerisch-amerikanische Entwicklungspsychologin, die international als Spezialistin von Eltern/Kind-Bindungen, Trauma, und bestrafungsfreien Erziehungsmethoden anerkannt ist. Sie hat das Aware Parenting Institut gegründet und funf Bücher geschrieben. Aware Parenting (Bewusstes Elternsein) ist eine Erziehungsphilosophie, die auf wissenschaftlicher Forschung im Bereich der kindlichen Entwicklung basiert. Sie stellt traditionelle Ansichten in Frage und bietet einen neuen Ansatz, der die Beziehungen innerhalb der Familie signifikant verbessert. Eltern, die sich an diesen Leitlinien orientieren, erziehen Kinder, die kooperativ, einfühlsam, kompetent, gewalt- und drogenfrei sind. Diese Philosophie ist in den Büchern von Dr. Aletha Solter beschrieben. Die deutschen Titel ihrer Bücher lauten:

Was tun wenn ein Freund weint?

Warum Babys weinen
(The Aware Baby)

Was tun wenn ein Freund weint?

Kooperative und Kompetente Kinder
(Cooperative and Connected)

Was tun wenn ein Freund weint?

Auch kleine Kinder
haben grossen Kummer
(Tears and Tantrums)

Was tun wenn ein Freund weint?

Spielen schafft Nähe-
Nähe löst Konflikte
(Attachment Play)

Artikel auf Deutsch:

Aware Parenting: die drei Elemente
Aware Parenting: die zehn Grundregeln
Was tun, wenn dein Baby weint?

Aware Parenting in deutschsprachigen Ländern:

Aware Parenting in Österreich
Aware Parenting in Deutschland
Aware Parenting in der Schweiz

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Was soll man sagen wenn jemand weint?

Oft reichen dann schon ein, zwei Sätze, um jemandem zu zeigen, dass man mitfühlt z. B.: "Ich würd' gern für dich da sein. Willst du mir sagen, woran du gerade denkst?", "Ich fühl' mit dir. Magst du reden?", "Ich kann verstehen, dass es dir nicht gut geht.

Wie beruhigt man eine weinende Person?

Verwende nonverbale Techniken, um sie zu trösten. Eine weinende Person reagiert vielleicht viel eher auf nonverbalen Trost als auf verbale Kommunikation. Ein Nicken, angemessene Gesichtsausdrücke, Augenkontakt und das Näherlehnen kann der Person zeigen, dass du dir Sorgen um sie machst und sie dir wichtig ist.

Wie tröstet man jemanden über Telefon?

Schreibe Nachrichten wie: "Es scheint, als ob das, was du gerade erlebst, wirklich schwierig und frustrierend ist." Das zeigt den Betroffenen, dass du mitfühlst und auch bestätigst, dass sie sich in dieser Situation so wütend, verzweifelt oder traurig fühlen dürfen.

Was bedeutet es wenn ein Mann vor einem weint?

Wenn Männer weinen, spürt man die Ernsthaftigkeit dahinter. Männer vergießen keine taktischen Tränen. Geweint wird nur, wenn es einen guten Grund gibt. Denn was Frauen fast uneingeschränkt gestattet scheint, ist für Männer noch heute ein Tabu, vor allem in der Gegenwart anderer.