Was passiert, wenn man zu wenig schläft

'Schlaf wird überbewertet' ist nur eine der gängigen Phrasen, die man häufig im Zusammenhang mit der Nachtruhe hört.

Viele Menschen halten die ausreichende Erholung des Organismus nicht für notwendig, rühmen sich sogar damit, angeblich nicht viel Schlaf zu brauchen.

Immer mehr Studien belegen jedoch das genaue Gegenteil; nämlich, wie sehr zu wenig Schlaf dem Gehirn und der Gesundheit schadet.
 

Vorgänge im Gehirn nur schwer messbar zu machen

Warum genau der Mensch – oder jedes andere Lebewesen – eigentlich schläft, hat die Wissenschaft bis heute noch nicht genau geklärt. Tatsache ist, dass wir ohne Schlaf nicht sein können und dass Schlafmangel ernste Folgen hat – bis hin zu Depressionen und Psychosen.

Was im Detail in unserem Gehirn während des Schlafs geschieht, ist leider ebenfalls noch nicht ausreichend erforscht, denn die Vorgänge sind unglaublich komplex und schwer sichtbar oder messbar zu machen. Aber es gibt ein paar aktuelle Fortschritte.

Lesetipp

Zu wenig Schlaf kann zu 'falschen Erinnerungen' führen

Der Schlaf stellt die Wissenschaft noch immer vor etliche Rätsel, aber eines weiß man sicher: Er erfüllt lebensnotwendige Funktionen.

Zum Beispiel verarbeiten wir im Schlaf die Erfahrungen und Erlebnisse des Tages – dabei entscheidet das Gehirn auch, welche Informationen es langfristig speichert, welche Erinnerungen also entstehen, und welche gelöscht werden, um wieder Speicherplatz zu schaffen.

Die genauen Gehirnstoffwechselvorgänge dabei sind nicht vollständig bekannt, die Ursache aber endlich geklärt – laut einer Studie aus dem Jahr 2018 des australischen Royal Melbourne Institute.

Den Forscherinnen und Forschern gelang es, konkret nachzuweisen, dass Schlafmangel die Aktivität des Hippocampus, dem Gedächtniszentrum unseres Gehirns, hemmt. Die Folgen sind eine verminderte Gedächtnisleistung und „falsche Erinnerungen“.
 

Schlafmangel erhöht Demenz-Risiko

Einer weiteren wichtigen Funktion des Schlafs sind aktuell die Forscher des Max-Planck-Instituts in Köln weiter auf den Grund gegangen. In einem Tierversuch an Mäusen konnten sie zeigen, das während des Schlafs ein Reinigungsprozess stattfindet.

Im Schlaf weiten sich die Abstände zwischen den Synapsen etwas und dadurch können Stoffwechselabfälle über die Blut-Hirn-Schranke abtransportiert werden. Bei Schlafmangel verkürzt sich dieser Prozess entsprechend und mehr Schadstoffe bleiben zurück.

Hier handelt es sich vor allem um Proteine, die sich als Plaques an den Nervenzellen anlagern können und das gilt als die Hauptursache für Alzheimer – durch Schlafmangel könnte also das Demenz-Risiko steigen.
 

Forschungsbedingungen erschweren Erkenntnisgewinn

Eines der Hauptprobleme bei der Gehirnforschung im Zusammenhang mit Schlafentzug ist, dass man aus ethischen Gründen nur in sehr begrenztem Rahmen Versuche am Menschen durchführen kann.

Den Forschenden der Universität Tel Aviv ist es aber aktuell trotzdem gelungen, einen direkten Blick auf die neuronalen Vorgänge in bestimmten Bereichen des Gehirns unter Schlafentzug zu werfen. Und zwar, weil sie mit Epilepsie-Patienten und Patientinnen arbeiteten, denen im Rahmen ihrer Therapie Elektroden ins Gehirn eingesetzt worden waren.

So konnten sie in Echtzeit beobachten, dass bei Schlafentzug die Aktivität des Temporallappens stark eingeschränkt war. Das scheint dann auch die Ursache für eine Vielzahl der bekannten Symptome zu sein, zum Beispiel für die typische Verminderung kognitiver Fähigkeiten und die damit einhergehende schlechtere Reaktionsfähigkeit.

Bildergalerie: 11 Tipps für besseren Schlaf

Wer eine Nacht lang nicht geschlafen hat, der schneidet in seinen Reaktionen ebenso schlecht ab wie jemand mit circa 0,6 Promille Alkohol im Blut. Außerdem stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass auch die Aktivität der Amygdala gehemmt war – diese Region kontrolliert unsere Emotionen.

Das scheint die Ursache für die Übersensibilisierung und die Stimmungsschwankungen zu sein, die bei Schlaflosen beobachtet werden können.

Die angeführten Beispiele repräsentieren nur einen kleinen Ausschnitt der aktuellen Forschung über die konkreten Vorgänge in unserem Gehirn bei Schlafmangel. Was zum Beispiel das Thema Gehirnstoffwechsel, Schlafmangel und Depressionen angeht, sind grundsätzliche Zusammenhänge zwar bekannt, aber noch lange nicht enträtselt.

Aber die Wissenschaft macht immer weitere Fortschritte, in denen auch der Schlüssel für gezieltere und verbesserte Therapien liegen könnte.

Dieser Artikel erschien zuerst auf bunte.de.

Quellen ausblenden

Quelle

Ballesio, A. (2018): The effects of one night of partial sleep deprivation on executive functions in individuals reporting chronic insomnia and good sleepers, abgerufen am 28.06.2021: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29567512/

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Wie gefährlich ist zu wenig Schlaf?

Ab wann wird Schlafmangel gefährlich? Auch das ist stark von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Empfehlung des Experten: "Wenn man über 4 Wochen hinweg 3 Mal pro Woche nicht ausreichend geschlafen hat, sollte man sich gegebenenfalls Rat vom Hausarzt suchen".

Ist es okay mal 5 Stunden zu schlafen?

Demzufolge müssten sich Menschen, die weniger als acht Stunden schlafen, keine Sorgen um ihre Gesundheit machen. Im Gegenteil: Eine Schlafdauer von fünf Stunden kann nach den neuesten, wissenschaftlichen Erkenntnissen sogar förderlich für ein gesundes und vitales Leben sein.

Was sind die Symptome von zu wenig schläft?

Schlafmangel-Symptome bei Erwachsenen: Benommenheit und Müdigkeit beim Aufwachen. schläfrige Müdigkeit, die den ganzen Tag andauert. Konzentrationsschwierigkeiten. Stimmungsschwankungen und erhöhte Reizbarkeit.

Kann man mit 3 Stunden Schlaf auskommen?

In einer Schlafstudie hat der Doktorand nachgewiesen, dass es ausreicht, wenn wir zwischen 3,5 und 4,5 Stunden pro Nacht schlafen.