Was ist eine synagoge und welche bedeutung besitzt sie

Bethaus der Juden

Unter einer Synagoge versteht man ein jüdisches Gebetshaus, wobei dafür auch andere Namen gebräuchlich sind. Im Hebräischen, der Liturgiesprache der Juden, heißt die Synagoge „Bet ha-Knesset“ (wörtlich: Haus der Versammlung). In Wien nennt man die Synagoge in der Seitenstettengasse im 1. Bezirk auf Grund ihrer Säulenarchitektur „Stadttempel“ und auf Jüdisch-Deutsch spricht man von der „Schul“.

Zehn Männer für gültigen Gottesdienst nötig

In traditionellen Gemeinden gibt es üblicherweise drei Gottesdienste pro Tag: das Morgengebet zeitig in der Früh („Schacharit“) und am Abend das Nachmittagsgebet („Mincha“) und das Abendgebet („Maariv“), die nach alter deutsch-jüdischer Tradition direkt hintereinander gebetet werden. Am wöchentlichen Feiertag, dem Schabbat, und an allen anderen Feiertagen dauern die Gemeinschaftsgebete länger. Bestimmte Gebete werden nur gesprochen, wenn mindestens zehn Männer - ein so genanntes „Minjan“ - zusammen kommen. In Reformgemeinden werden auch Frauen zum Minjan dazu gezählt.

Nach Jerusalem ausgerichtet

Für die Gestaltung einer Synagoge gibt es kaum religiöse Vorschriften. Daher haben sich die jüdischen Gebetshäuser meist dem architektonischen Stil ihrer Umgebung angepasst. Gemeinsam ist Synagogen auf der ganzen Welt, dass sie nach Osten, Richtung Heiliges Land und Jerusalem, ausgerichtet sind. Meisten befindet sich der Thoraschrein („Aron ha-kodesch“) an der Ostwand der Synagoge. Dieser enthält den Text der „Thora“ (die fünf Bücher Mose) auf Pergamentrollen, die in aufwändig verzierten Hüllen verpackt sind.

Jede Synagoge hat einen „Almemor“ oder eine „Bima“ (Podium) mit einem Tisch, auf den die Thorarolle zum Vorlesen gelegt wird. Dieser Tisch ist das Herzstück der Synagoge und liegt traditionell im Zentrum des Raums.

Männer und Frauen sitzen getrennt voneinander

In orthodoxen Synagogen sitzen Männer und Frauen getrennt voneinander. Wie diese Geschlechtertrennung baulich umgesetzt wird, ist nicht durch Vorschriften geregelt. Sehr häufig gibt es Galerien für Frauen, während die Männer unten sitzen. Zwar gelten Synagogen im Gegensatz zu christlichen Kirchen nicht als geweihte Räume, doch werden die religiösen Vorschriften dort sehr ernst genommen. Daher gibt es selbst in üppig gestalteten Synagogen keine Skulpturen, die Lebewesen darstellen. Die religiösen Gesetze verbieten es, Gott bildlich darzustellen oder Bilder der Schöpfung und ihrer Kreaturen religiös zu verehren. Mosaike, Malereien und Schnitzereien, die der Verzierung dienen, finden sich durchaus in Synagogen.

Link:

  • Bilder von den Synagogen-Fresken in Dura Europos (EIKON Image Database for Biblical Studies)

Anfänge noch unerforscht

Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Synaoge von Dura Europos. Bei Ausgrabungen in der antiken Stadt , die im 3. Jahrhundert n. Chr. zerstört und verlassen wurde, ist eine Synagoge mit gut erhaltenen, reichen Wandmalereien entdeckt worden. Wann die ersten Synagogen entstanden sind, ist wissenschaftlich noch nicht zweifelsfrei erforscht.

Man vermutet, dass die Juden bereits im babylonischen Exil im 6. Jahrhundert v. Chr. weit weg vom zentralen Heiligtum, dem Tempel in Jerusalem, Orte schufen, an denen sie gemeinsam beteten und studierten, und dass sie die Idee der Versammlungshäuser, eben der Synagogen, schon in der Zeit des Zweiten Tempels (ab dem 5. Jahrhundert v. Chr.) mit ins Heilige Land brachten. In der Antike gab es - wie archäologische Funde zeigen - auch in Europa schon Synagogen, beispielsweise jene in Ostia bei Rom.

Buchhinweis

Bob Martens, Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens: Virtuelle Stadtspaziergänge. Mandelbaum Verlag, 255 Seiten, nur noch antiquarisch.

Zerstörungen durch die Nazis

Bei den Novemberpogromen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden sehr viele Synagogen in Deutschland und Österreich von den Nationalsozialisten in Schutt und Asche gelegt. In Wien allein waren es rund 200 Synagogen und Betstuben, die zerstört wurden. Viele weitere jüdische Gotteshäuser in ganz Europa wurden während der Natziherrschaft und des Zweiten Weltkrieges zerstört. Nur wenige Synagogen blieben erhalten, darunter die gotische Altneusynagoge im Prager Stadtteil Josefov, das die Nazis zum „Museum der ausgelöschten jüdischen Rasse“ machen wollten.

Übersichtsartikel zum Judentum

  • Judentum
  • Jüdische Geschichte
  • Glaubensinhalte im Judentum
  • Jüdische Glaubenspraxis
  • Judentum in Österreich

Siehe dazu auch im ORF-Religionslexikon:

  • Thora

Links:

  • Synagogen-Internetarchiv
  • Tempelführungen der IKG Wien

Das Judentum kennt keinen Mittler zwischen Mensch und Gott.

Für den jüdischen Gemeindegottesdienst sind mindestens zehn im religiösen Sinne erwachsene jüdische Personen nötig. Dieses Quorum heißt „Minjan“. Im orthodoxen Judentumzählen nur Männer zum Minjan; im nicht-orthodoxen Judentum auch Frauen. Die Volljährigkeit tritt mit der Bar Mizwa bzw. Bat Mizwa ein. Ohne Minjan kann ein Gottesdienst zwar stattfinden; bestimmte Gebete jedoch können nicht gesprochen werden. Die Gebetsrichtung, in der auch meist die Sitzplätze einer Synagoge angeordnet sind, ist nach Jerusalem gerichtet. Die Gebete werden ausschließlich mit Kopfbedeckung gesprochen (Verlinkung zu Kippa).

Direkte Kommunikation mit Gott

Die Betergemeinschaft kommuniziert über das Gebet direkt mit Gott. Im Judentum gibt es keine Mittler zwischen Gott und den einzelnen Menschen. Ein Mitglied der Betergemeinschaft dient während des Gebets als sog. Abgesandter der Gemeinde („Schaliach Zibur“). Er spricht oder singt bestimmte Gebete laut. In der Regel sind alle Anwesenden verpflichtet, die Gebete ebenfalls zu sprechen. Jedes Mitglied der Betergemeinschaft kann die Aufgabe des Abgesandten übernehmen. Häufig wird eine dafür ausgebildete Person (Kantor oder Vorbeter) von der jüdischen Gemeinde dazu angestellt. Die Person betet mit der Gemeinde, aber nicht für sie.

Ein Rabbiner hat beim Gebet keine besonderen Aufgaben zu erfüllen. Er ist ein Gelehrter, der religionsrechtliche Entscheidungen trifft und seelsorgerisch arbeitet. Hierzulande erfüllt er aber auch oft die Funktion des Vorbeters. Üblicherweise hält ein Rabbiner die Predigt für den Gottesdienst. Allerdings ist eine Predigt kein Teil des Gebets und  für den Gottesdienstnicht erforderlich.

Zentrale Gebete

Im Judentum wird drei Mal täglich gebetet: Am Morgen, am Nachmittag und am Abend. Die Gebete ersetzen die Opfer, die seinerzeit im Tempel gebracht wurden. Am Schabbat und den Feiertagen betet man im Anschluss noch ein weiteres Gebet („Mussaf“, „Zusatz“). Es erinnert an das zusätzliche Opfer, das an diesen Tagen im Tempel geopfert wurde. Das Nachmittagsgebet wird oftmals kurz vor dem Abendgebet gesprochen und dadurch mit ihm vereinigt.

Zentral für alle Gebete zu den verschiedenen Tageszeiten ist das sog. „Achtzehngebet“ („Schmone Essre“, vom hebr. schmone essre, „achtzehn"). Das Gebet bestand ursprünglich aus 18, heute 19 Segenssprüchen. Es wird stehend gesprochen und daher auch als „Amida“ (hebr. „Stehen“) bezeichnet.

Vor der Schmone Essre wird im Morgen- und Abendgebet das „Schma Israel“ gesprochen, das grundlegende Glaubensbekenntnis der Juden („Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig", Deut. 6,4). An diesen Vers schließen sich die Verse 5 – 9, Deut. 11, 13 – 21 und Num. 15, 37 – 41 an.

Vorlesung aus der Tora

Am Schabbat-Morgen und -Nachmittag sowie im Morgengebet am Montag und Donnerstag wird in der Synagoge aus der Tora vorgelesen. Der Text der Tora ist in 54 Abschnitte geteilt. An jedem Schabbat wird ein neuer Abschnitt gelesen. Unter der Woche wird nur der erste Teil des nächsten Wochenabschnitts gelesen, der am folgenden Schabbat vollständig vorgetragen wird. Nach einem Jahr ist der Lesezyklus abgeschlossen (Verlinken zu Simchat Tora). Der Zyklus beginnt dann von Neuem.

Auch an den Feiertagen finden Toravorlesungen statt. Die jeweiligen Abschnitte beziehen sich in der Regel auf den Feiertag oder passen thematisch zu ihm. Der Toralesung folgt jeweils ein Text aus den Büchern der Propheten. Diese passt ebenfalls thematisch zum vorgetragenen Toraabschnitt.

Einzelne Mitglieder der Betergemeinschaft werden zur Toralesung aufgerufen. Sie sprechen entweder die einrahmenden Segenssprüche vor und nach der Toralesung oder lesen einen Teil des Toraabschnitts vor.

Besondere Gegenstände für das Gebet

Zu den Gegenständen, die man neben der Kopfbedeckung (verlinken zu Kippa) für das Gebet benötigt, gehören die Tfillin („Gebetskapseln“) und der sog. Tallit (Gebetsschal) (verlinken zu  Tfillin und Tallit). Beide werden im orthodoxen Judentum von Männern, in den nicht-orthodoxen Strömungen auch von Frauen angelegt. Der Tallit wird im Morgengottesdienst, an Schabbat und Feiertagen auch beim Zusatzgebet getragen. Beim Vorlesen der Tora und ganztägig an Jom Kippur wird der Tallit ebenfalls angelegt.

Angelehnt an: Heinrich Simon: Leben im Judentum, Verlag Hentrich & Hentrich und Centrum Judaicum Berlin, 2003