Aggressionen wenn man etwas süß findet

Kennt ihr das? Ihr haltet ein schnurrendes Kätzchen oder knuddelt ein süsses Baby – und vor lauter Entzücken verspürt ihr plötzlich das Verlangen, das schnucklige Wesen ganz fest zu drücken oder ihm ins Öhrchen zu beissen. Falls ihr diesen Drang häufig verspürt, könntet ihr an «Dimorphous Expressions of Positive Emotion» leiden, auch bekannt als «cute aggression» – niedliche Aggression. Das Phänomen ist zwar bislang weitgehend unerforscht, bekannt ist aber immerhin: Was im ersten Moment beängstigen mag, ist keineswegs Ausdruck irgendwelcher Gewaltfantasien.

Neurologische Ursache noch weitgehend unerforscht

Als bisher einzige Wissenschafterin hat Katherine Stavropoulos, Psychologin an der University of California Riverside, den neurologischen Hintergrund dieser «cute aggression» untersucht. Sie legte während eines Experiments 54 Probandinnen und Probanden Bilder von herzigen und weniger herzigen Wesen vor und mass deren Hirnaktivität. «Auch wenn wir nicht genau wissen, was beim Betrachten von niedlichen Tieren und Babies im Gehirn vorgeht, so zeigt sich doch, dass diese ungewöhnliche Art der Aggression eng mit dem Belohnungs- und Emotionssystem verknüpft ist», sagt Stavropoulos. Folglich lasse sich dieses Phänomen durch einen Überschuss an Emotionen und Belohnungsimpulsen erklären. Dies führe dazu, dass positive Empfindungen in ein aggressives Verhalten umgewandelt werden.

Ventil für Überschüssige Emotionen

Als Erklärung kommen evolutionsbiologisch mehrere Theorien infrage, so die Psychologin. «Niedliche Aggressionen» könnten als Ventil dienen, um von Emotionen überwältigte Menschen vor Ohnmacht zu bewahren und damit die Versorgung des Nachwuchses sicherzustellen. Sie wären also eine Art Korrekturprogramm, das sicherstellt, dass das süsse Kindchenschema das erfüllt, was es eigentlich erfüllen sollte: nämlich die Förderung des elterlichen Fürsorgeverhaltens. Eine weitere Hypothese lautet, dass «cute aggression» uns an unsere physische Überlegenheit gegenüber kleinen, fragilen Wesen erinnern und uns zu einem sorgfältigen Umgang mit ihnen sensibilisieren soll.

Doch wie dem auch sei: Selbst wenn wir noch so ergriffen sind, schaffen wir es dennoch meist problemlos, unsere Aggressionen zu beherrschen. Nicht so wie Lennie, die tragische Figur in John Steinbecks Novelle «Von Menschen und Mäusen»: Er erdrückte in Anfällen von Zärtlichkeit nicht nur Tiere, sondern auch eine Frau – was letztlich auch ihn das Leben kostete.

Aggressionen wenn man etwas süß findet

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Aggressionen wenn man etwas süß findet

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Aggressionen wenn man etwas süß findet

Wenn das Kindchenschema zu effektiv ist, kann das auch mal für Aggressionen sorgen. (Tomsickova / Fotolia)

Manche Dinge sind so süß, dass sie uns schon fast aggressiv machen. "Cute aggression" ist keine Störung, sondern ein evolutionär begründetes Phänomen.

Große Augen, ein süßes Lächeln und unfassbar weiche Backen - Kennen Sie das Gefühl, Babys so süß zu finden, dass sie am liebsten abbeißen würden? Um Ihre mentale Gesundheit brauchen Sie sich in diesem Fall keine Sorgen zu machen, denn die sogenannte "cute aggression" ist ein weit verbreitetes Phänomen.

Neuraler Prozess

An der University of California konnten Wissenschafter nun erstmals belegen, dass der Aggression gegenüber besonders süßen Lebewesen ein neuraler Prozess zugrunde liegt. Bei der Untersuchung bekamen die Studienteilnehmer Bilder von Tieren und Babys zu sehen. Sie mussten deren Niedlichkeit bewerten, während ein Elektroden-Helm die Vorgänge im Hirn maß.

Überwältigend süß

Demnach trat die Aggression vor allem dann auf, wenn ein Teilnehmer ein Bild so süß fand, dass er nach eigenen Angaben nicht damit umgehen konnte. Die Forscher vermuten dahinter einen Kniff der Evolution. Sollten wir ein Baby als so überwältigend süß empfinden, dass wir uns tatsächlich nicht mehr darum kümmern können, wäre das problematisch. Hier kommt die "cute aggression" als Ausgleich ins Spiel, um für Vernunft zu sorgen.

ERSTELLUNGSDATUM

11.12.2018

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Aggressionen wenn man etwas süß findet
Cute Aggression: Daran liegt es, dass du deinen und zerdrücken könntest vor Liebe. Foto: IMAGO / Westend61

Überkam dich auch schon mal das Gefühl, einen Hundewelpen so richtig doll drücken zu müssen, weil er so süß ist? Vielleicht hast du dabei eine Anspannung in deinem Körper gespürt, die dich regelrecht davon zurückhalten musste, das arme Tier zu zerquetschen. Was sich hier ziemlich brutal liest, nennt sich Cute Aggression und wurde mittlerweile in zahlreichen Studien untersucht. Was die ergaben und warum wir zu einem solchen Verhalten neigen, erfährst du hier.

Was ist die Cute Agression?

Der Begriff der Cute Aggression oder auch der Playful Aggression bezeichnet eine Verhaltensweise, die auftritt, wenn man etwas verdammt Süßes sieht – zum Beispiel ein Baby oder einen Hundewelpen. In diesen Momenten werden manche Menschen von ihren Gefühlen dermaßen übermannt, dass sie beispielsweise die Zähne zusammenbeißen müssen, gar die Fäuste ballen oder das Gefühl bekommen, sie müssten das süße Ding ganz feste drücken.

Aggressionen wenn man etwas süß findet
Vor allem, wer sehr überbordende Gefühle hat neigt besonders zur Cute Aggression. Foto: Scopio via camva.com

Wichtig ist dabei, dass man weder dem Baby noch dem Welpen etwas Schlechtes mit diesem Verhalten möchte. Es handelt sich hier um einen Gefühlsausbruch, dem sich Menschen einfach nicht erwehren können.

Wer hat dem Phänomen seinen Namen gegeben?

Erste Forschungsergebnisse zu diesem Phänomen wurden 2013 von Rebecca Dyer und Oriana Aragón an der Yale University erhoben und bei einem jährlichen Treffen für die Society for Personality and Social Psychology mit dem Begriff Cute Aggression vorgestellt.

2015 folgte das erste Paper zum Thema Cute Aggression, in dem aber vor allem der Terminus Playful Aggression Anwendung fand. Hierin heißt es:

Sometimes we say things and appear to be more angry than happy, even though we are happy. For example some people grit their teeth, clench their hands, pinch cheeks, or say things like „I want to eat you up!“ 

Aus dem Paper von Dyer und Aragón

Playful Aggression zeichnet sich demnach neben Handlungen auch durch Sprache aus. Menschen sagen dann Dinge, die sie wütend klingen lassen, obwohl sie glücklich sind. Zum Beispiel: „Ich möchte dich auffressen!“

Der erste Versuch zur Cute Aggression

In der Yale-Studie wurde den Proband:innen Luftpolsterfolie in die Hand gegeben. Anschließend wurden ihnen lauter süße Tierfotos gezeigt, die mal mehr und mal weniger süß waren. Das klare Ergebnis des Versuchs? Richtig süße Welpen und Tiere ließen die Luftpolsterfolie reihenweise platzen. Der Versuch konnte demnach feststellen, dass süße Tiere tatsächlich die Anspannung bzw. die Aggression erhöhen.

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Je süßer etwas ist, desto größere Emotionen löst es in uns aus. Foto: Viktorcvetkovic Getty Images Signature via canva.com

Was passiert im Gehirn bei der Cute Aggression?

Auch Psychologin Katherine Stavropoulus von der University of Kalifornia nahm sich dem Phänomen an.

Sie interessierte sich vor allem dafür, was im Gehirn der Proband:innen ihrer Versuchsreihe passierte. Dafür setzte sie ihnen Kappen mit Elektroden auf, die ihre Gehirnströme messen sollte. Auch sie bekamen süße Tierbabys zu sehen, die sie auf einer Skala nach ihrer Niedlichkeit einordnen sollten. Das Ergebnis des Yale-Versuchs konnte hier bestätigt werden: Je süßer das Tierbaby, desto größer der Ausschlag. Außerdem konnte entdeckt werden, dass vor allem das Belohnungszentrum im Gehirn an der Reaktion beteiligt ist.

Stavropoulus vermutet, dass die Cute Aggression evolutionär bedingt ist. So würde dieses Phänomen zeigen, dass Menschen bei süßen Babys besonders darum bemüht sind, das Nachkommen zu schützen. Erst recht, da Menschen sich im Vergleich zu Tieren seltener fortpflanzen.

Wie bedenklich ist die Cute Aggression?

Wesentlich für die Cute Aggression sind dimorphe Gefühle, also solche, die entgegengesetzten Reaktionen anzeigen. Dabei ist dieses Phänomen auf dem Gebiet der Psychologie nicht neu. Immerhin ist bereits das Phänomen bekannt, dass überwältigende Glücksgefühle Menschen zum Weinen bringen können.

Auch bei der Cute Aggression wird eine positive Erfahrung gemacht, die allerdings Ausdrücke hervorruft, die normalerweise mit negativen Gefühlen verbunden werden. Die Cute Aggression ist also eine natürliche Reaktion des Körpers, der versucht, die überwältigenden Gefühle zu verarbeiten. Verspürt man also das Bedürfnis, ein Baby zu Tode zu knuddeln, ist das kein Grund zur Sorge –vorausgesetzt man bekommt seine Gefühle in den Griff und lebt sie nicht aus.

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