Wieso kann eine Hängebrücke durch Springen oder marschieren zum Einsturz gebracht werden?

Die Tacoma-Narrows-Brücke wurde am 01. Juli 1940 eröffnet. Mit 853 m Spannweite war Sie damals die drittlängste Hängebrücke der USA. Schon beim Bau gab es unter Experten Differenzen ob die äußerst schlanke Konstruktion der Hängebrücke genug Stabilität bieten würde.

Diese Schlankheit führte zu einer sehr niedrigen Steifigkeit und einem sehr niedrigen Gewicht. Zusammen mit einer aerodynamisch ungünstigen Form des Trägers machte das die Brücke sehr windempfindlich. Torsionsschwingungen der Brücke schon bei leichtem Wind bildeten hinter dem Träger eine Kármánsche Wirbelstraße, deren Wirbel sich mit annähernd der Eigenfrequenz der Brücke ablösten, so dass die Brücke in Resonanz geriet. Bald erhielt sie wegen ihres Auf- und Abschwingens den Spitznamen „Galloping Gertie“ und wurde zum Touristenmagneten. Manche Autofahrer kamen extra zum „Achterbahnfahren“, andere nahmen lieber weiter den zeitaufwändigen Umweg über Olympia im Süden in Kauf, den die Brücke eigentlich ersparen sollte.

Am 7. November 1940 zog ein leichter Sturm auf. Die Brücke geriet in einen verhängnisvollen Schwingungsmodus und führte jetzt Torsionsschwingungen aus. Bei diesem Modus handelte es sich, wie später festgestellt wurde, um eine so genannte selbsterregte Schwingung. Die Brücke sorgte ohne eine von außen vorgegebene Frequenz selbst dafür, dass sie sich immer weiter aufschaukelte. In gewisser Weise wäre das vergleichbar einem Menschen auf einer Schaukel, der immer im richtigen Moment einen Schild gegen den Wind hält oder wegklappt. Nach weniger als einer dreiviertel Stunde rissen bei einer Windgeschwindigkeit von 67 km/h (Windstärke 8) die Seile und die Fahrbahn stürzte mit zwei noch eilig verlassenen Autos und einem Cockerspaniel in die Tacoma Narrows.

Menschen kamen bei dem Unglück nicht zu Schaden. Kurios mag dem Betrachter aus heutiger Sicht die Gelassenheit der Passanten erscheinen die sich trotz der unglaublichen Torsionsschwingungen noch auf der Brücke aufhielten. Offenbar war man das Schauspiel gewohnt und glaubte nicht so Recht an ein Desaster.Bedeutendste Folge der Katastrophe war, dass seither neben der Statik auch die Dynamik bei der Konstruktion von Brücken berücksichtigt wird und dass sämtliche größeren Brücken als Modell im Windkanal getestet werden.

Die neue, im Jahre 1950 fertiggestellte, Tacoma Narrows Brücke wurde (mit neuen Pylonen) auf den Fundamenten der alten Brücke aufgebaut. Die Überreste der abgestürzten Fahrbahn liegen auch heute noch an Ort und Stelle unter Wasser; sie wurden 1992 unter Denkmalschutz gestellt. 

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Archiv

Statik.- In Oberhausen marschierte heute eine Truppe der Bundeswehr übe eine Brücke. Dabei handelte es sich nicht etwa um eine Demonstration militärischer Stärke. Forscher aus Bochum testeten, wie das Bauwerk auf Bewegung reagiert. Wissenschaftsjournalist Michael Böddeker erläutert im Interview die Details.

Ralf Krauter: Weil sich mit massiven Konstruktionen aus Beton, Stahl oder Holz längst kein Architekturwettbewerb mehr gewinnen lässt, sind moderne Fußgängerbrücken in den letzten Jahren immer filigraner geworden. Schlankes und elegantes Design gilt als schick. Doch dummerweise reagieren solche Konstruktionen häufig recht empfindlich auf Schwingungen, hervorgerufen durch Personen, die über die Brücke gehen. Eine Brücke, auf die all das zutrifft war heute Schauplatz eines nicht alltäglichen Schwingungsversuchs in Oberhausen. Mein Kollege Michael Böddeker war bis heute Nachmittag dabei, sitzt jetzt bei mir im Studio. Herr Böddeker, was ist das für eine Brücke, wo Sie heute waren?

Michael Böddeker: Das war eine Fußgängerbrücke, die über eine Straße führt. Und die verbindet eine Straßenbahnhaltestelle mit dem früheren Gelände der Landesgartenschau. Vom Aufbau her sieht die Brücke so aus: Die ist ungefähr 100 Meter lang und wird getragen von zwei Pylonen aus Stahlbeton. Oben an diesen beiden Trägern sind Halteseile aus Stahl angebracht und die sind dann links und rechts an die Brücke gespannt. Und das Gewicht der Brücke, beziehungsweise die Masse, die da zum Schwingen gebracht werden kann, sind mehr als 30 Tonnen. Die Besonderheit bei dieser Brücke ist, dass die trotz dieses sehr hohen Gewichts sehr leicht in Schwingung versetzt werden kann - auch von ein paar Fußgängern. Das habe ich heute früh auch selbst ausprobiert - bevor das Experiment losging -zusammen mit drei Mitarbeitern aus der Arbeitsgruppe, die den versuch durchführt.

O-Ton Arbeitsgruppe: Auf eins, zwei, drei... Und dann bleiben wir mal in der Mitte stehen. Da merkt man schon was. Und wenn Sie sich gleich die Soldaten vorstellen, dann wird es noch um einiges mehr.

Böddeker: Das ist tatsächlich so. Man kann das am ganzen Körper fühlen, wie sich das die Brücke auf und ab bewegt - vor allem in den Beinen. Der Boden ist eben nicht fest, sondern das Ganz schwankt auf und ab. Das ist sehr ungewohnt.

Krauter: Da waren die Forscher der Ruhr-Uni Bochum zu hören, die mit ihm unterwegs waren. Was war das für ein Ticken? Hatten die eine Art Taktgeber dabei - in der Tasche?

Böddeker: Genau das. Das war so eine Art Metronom. Das brauchten wir, um den richtigen Rhythmus einzuhalten. Denn am stärksten kann man so eine Brücke zum Schwingen bringen, wenn man in der Eigenfrequenz der Brücke marschiert. Und die liegt bei dieser Brücke in Oberhausen bei ungefähr 1,8 Hertz, also 1,8 Schritten in der Sekunde. Das ist jetzt ziemlich ungünstig. Denn auch der durchschnittliche Fußgänger bewegt sich ungefähr mit dieser Geschwindigkeit, wie mir der Leiter des Experiments erklärt hat, Michael Kasperski von der Ruhr-Universität Bochum. Und dann passiert folgendes:

O-Ton Michael Kasperski: Der Fußgänger wird merken, dass die Brücke quasi unter seinem Fuß sich hinwegbewegt und er quasi in die Luft reintritt. Und das führt dazu, dass man das Gefühl hat, die Balance zu verlieren. Und fast alle Leute sagen: Ich fühle mich, als wenn ich betrunken wäre. Und dieses Gefühl, dass man das Gleichgewicht quasi verliert und sich nicht erklären kann, woran es liegt.

Böddeker: Später sind dann noch ungefähr 40 Soldaten über die Brücke marschiert, in Dreierreihen.

Krauter: Jetzt ist es ja normalerweise so: Soldaten sind auf Brücken angehalten, gar nicht im Gleichschritt zu marschieren, eben um solche Schwingungsphänomene, solche Resonanzphänomene zu vermeiden. Wie hat denn jetzt diese Brücke auf diese sehr ungewöhnliche und ungesunde Behandlung reagiert?

Böddeker: Man konnte tatsächlich sehen, wie sich die Brücke in Wellenbewegungen auf und ab bewegt hat, wie die richtig geschwungen ist. Und das konnten auch die Soldaten spüren. Und einige in den hinteren reihen sind dabei auch schon leicht ins Stolpern gekommen. Das ist ganz richtig, normalerweise marschieren die auf Brücken nicht im Gleichschritt. Das ist sogar verboten laut Straßenverkehrsordnung. Dann anschließend - und das war dann das eigentliche Experiment - ging es in kleineren Gruppen über die Brücke. Erst mit drei Soldaten, dann sechs, dann neun und so weiter. Und dabei wurde dann wiederum in der richtigen Geschwindigkeit marschiert. Also in der Geschwindigkeit, die diese Brücke zum Schwingen anregt: 1,8 Schritte pro Sekunde. Und sobald dann die Soldaten diese Schwingung bemerkten, sollten sie an der entsprechenden Stelle eine Markierung fallen lassen, nämlich einen mit Sand gefüllten Luftballon. Das war dann auch der eigentliche Versuch. Gleichzeitig haben die Mitarbeiter von Michael Kasperski die Beschleunigung der Brücke gemessen, also wie schnell sich die Brücke nach oben und nach unten bewegt. Damit soll dann später in der Auswertung des Versuchs berechnet werden, ab welcher Beschleunigung Menschen eine schwankende Brücke wahrnehmen. Denn dafür gibt es in Deutschland bislang noch keine Norm, die das festlegt, hat mir Michael Kasperski erklärt.

O-Ton Michael Kasperski: Und wenn Sie sich weltweit angucken, welche Vorschläge existieren, um diese Schwingamplituden nach oben zu begrenzen, dann stellt man fest, dass für diese Brücke die empfohlenen Werte 0,5 Meter pro Sekunde im Quadrat bis 2,5 Meter pro Sekunde im Quadrat sind. Und das würde heißen, wenn Sie auf der Brücke passiv stehen, würde in dem einen Augenblick der Schwingphase Ihr Gewicht um ein Viertel reduziert und in der Gegenphase um ein Viertel zunehmen. Und das sind schon sehr große Schwingamplituden, die Sie deutlich ich denke als unangenehm empfinden werden.

Warum dürfen Soldaten nicht im Gleichschritt über eine Brücke laufen?

Zumindest wenn man in einem Bataillon mitläuft. Denn Singen kann zu Gleichschritt führen und das kann eine Brücke zum Einsturz bringen. Deshalb ist das Marschieren im Gleichschritt auf Brücken laut Straßenverkehrsordnung untersagt.

Warum ist die Tacoma Brücke eingestürzt?

Einsturz der Brücke von 1940 Am 7. November 1940 stürzte die Brücke aufgrund einer starken Torsionsschwingung ein. Diese Schwingung kam durch aerodynamisches Flattern (eine selbsterregende Schwingung) zustande, welches durch starken Wind verursacht wurde.

Was kann man tun um eine Resonanzkatastrophe zu verhindern?

In Erdbebengebieten richtet man sich dabei nach den lokal typischen Schwingungsfrequenzen der Erderschütterungen. Um Schäden an Kirch- bzw. Glockentürmen, deren Eigenresonanz von schwingenden Glocken angeregt wird, zu vermeiden, ist es technisch möglich, entgegengesetzt zur Glocke schwingende Massen einzubauen.

Was versteht man unter einer Resonanz?

Resonanz (von lateinisch „widerhallen") bezeichnet die Beziehung zwischen zwei schwingungsfähigen Systemen. Ein Schwinger bringt ein anderes System dazu, in dessen Eigenfrequenz mitzuschwingen. Re-Sonanz steht im lateinischen für «resonare» und bedeutet in Deutsch «Widerhallen, Mitschwingen».

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