Wie nennt man die Bewohner von Belarus?

Selbst während der Olympischen Spiele 2016 bezeichnete man in Deutschland die Nation als Weißrussland. Doch nun wird immer häufiger der Name Belarus verwendet. Was es damit auf sich hat, erklärt das Video.

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Berlin.  Wie nennt man den Krisenstaat im Osten Europas richtigerweise: Belarus oder Weißrussland? Auf diese Frage gibt es eine klare Antwort.

  • In Deutschland nennen viele Menschen Belarus auch „Weißrussland“
  • Der überwiegende Teil der Belarussen lehnt den Namen „Weißrussland“ jedoch ab
  • Welcher Name ist korrekt? Und wie unterscheiden sich die beiden Begriffe geschichtlich voneinander?

Vielen erscheint das Wort noch etwas fremd, es will nicht recht über die Lippen: Belarus. Die meisten Deutschen sind daran gewohnt, den aktuell kriselnden Staat im Osten Europas als Weißrussland zu bezeichnen. Und auf den ersten Blick scheint es sich bei diesem Namen auch einfach um die Übersetzung des Begriffs „Weißrussland“ zu handeln. Bedeutet doch „bela“ weiß und „Rus“ Russland – so könnte man meinen.

Tatsächlich liegt der Ursprung des Namens in der mittelalterlichen Kiewer Rus, dem ersten ostslawischen Großreich. Aus diesem gingen mehrere Kulturen und Staaten hervor: Russland, die Ukraine und eben Weißrus(s)land.

Belarus – wie die Weiße Rus russisch wurde

Bis 1793 geriet das heutige Belarus vollständig unter russische Herrschaft. Russland bejubelte dies als eine Wiedervereinigung. Zarin Katharina die Große verkündete stolz nach dem Anschluss der Weißen Rus: „Ich habe das Entrissene zurückgeholt.“

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Bei der Auflösung der Sowjetunion 1991 wurde die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik unabhängig. Seither trägt sie den amtlichen Namen Respublika Belarus. Die Mehrheit der Menschen sieht sich auch als Belarussen, eigentlich müsste man sogar sagen Belarusen. Dafür plädiert auch die mit Historikerinnen und Historikern beider Länder besetzte Belarusisch-Deutsche Geschichtskommission.

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„Weißrussland“ betont die Nähe zu Russland

Der überwiegende Teil der Belarussen lehnt den Namen „Weißrussland“ ab, weil er assoziiert, dass das Land mit Russland gleichzusetzen oder gar ein Teil davon sei. Der Begriff liest sich wie die Bestätigung einer territorialen Verbindung zwischen beiden Ländern und betont zugleich eine russische Hegemonie.

Tatsächlich stehen sich Belarussen und Russen kulturell und geschichtlich nahe, dennoch fühlen sich die Belarussen als eigenständig – so wie die Ukrainer. Dies zeigte sich auch bei den Massenprotesten der vergangenen Tage, als die Demonstranten Fahnen in den alten belarussischen Farben weiß und rot schwenkten.

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Präsident Lukaschenko setzt auf sowjetische Symbole

Langzeit-Präsident Alexander Lukaschenko, der belarussisch eigentlich Aljaksandr Lukaschenka heißt, hatte dagegen auf sowjetische Insignien gesetzt und so die geschichtliche Nähe zu Russland betont. Das Staatswappen etwa zeigt bis heute den roten Stern.

Zu Beginn seiner Regentschaft träumte Lukaschenko von einer neuen Sowjetunion unter Einschluss Russlands, der Ukraine und Weißrusslands. Ausdruck dessen waren meist folgenlose Verträge wie jener über die Russisch-Weißrussische Union.

Die Beziehungen zu Russland haben sich mit Amtsantritt Wladimir Putins abgekühlt. Ein Wiederaufleben der Rus steht aktuell in Minsk nicht auf der Agenda. Der Begriff Belarus unterstreicht den Wunsch nach Unabhängigkeit. Die großen deutschen Medien und Nachrichtenagenturen verwenden den Namen ebenso wie das Auswärtige Amt.

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Wenn Alexander Lukaschenko am 9. August erwartungsgemäss die Präsidentschaftswahl gewinnen wird, wird man sich wieder fragen: Heisst sein Land nun Weissrussland oder Belarus?

Seit 1991 trägt die ehemalige "Weissrussische Sozialistische Sowjetrepublik" nämlich die offizielle Bezeichnung "Republik Belarus". Im deutschen Sprachraum hat sich diese Bezeichnung aber trotzdem noch nicht ganz durchgesetzt.

Doch bedeuten die beiden Namen nicht schlicht das Gleiche?, könnte man fragen. Immerhin geht die Bezeichnung der Region auf den seit dem Hochmittelalter belegten Namen "Weisser Rus" zurück. "Rus" wurde ursprünglich das Herrschaftsgebiet der vermutlich aus Skandinavien stammenden Waräger im nördlichen Osteuropa genannt, das unter anderem als die Wiege Russlands gilt. Für historisch Interessierte dürfte auch das Reich des "Kiewer Rus" bekannt sein.

Warum das Gebiet des heutigen Weissrussland - das bis zum 18. Jahrhundert mit dem Grossfürstentum Litauen und dem Königreich Polen deutlich enger verbunden war als mit Moskau - überhaupt "weiss" genannt wurde, ist umstritten.

Neben diversen poetischen Erklärungen, die sich auf die Kleidung der Bewohner oder die Farbe des Schnees beziehen, dürfte die plausibelste wohl der Gebrauch von "weiss" als Synonym für "im Westen gelegen" sein. Nach einer weiteren Theorie bezeichnete der "Weisse Rus" jene Gebiete, die gegenüber den Mongolenherrschern der Goldenen Horde nicht tributpflichtig waren.

"Rus" hiess "ostslawisch"

In älteren deutschsprachigen Publikationen wurde die Region auch Weissruthenien oder Weissreussen genannt, in Eindeutschung des lateinischen Namens "Ruthenia alba". Ruthenien, abgeleitet von Rus, bezeichnete ursprünglich unterschiedslos die ostslawischen Gebiete respektive deren Bevölkerung ("Ruthenen").

In neuerer Zeit verengte sich im Deutschen diese Bezeichnung auf die ukrainischsprachige Bevölkerung der Karpato-Ukraine. Zudem wurde die Bezeichnung "Weissruthenien" im Zweiten Weltkrieg durch die Verwendung in der NS-Verwaltung des "Reichskommissariats Ostland" (Estland, Lettland, Litauen, Teile Weissrusslands) als "Generalbezirk Weissruthenien" mit Sitz in Minsk derart diskreditiert, dass sie heute auch im historischen Kontext praktisch nicht mehr verwendet wird.

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"Belarus" seit Ende 19. Jh.

Mit der Eigenbezeichnung "Belarus" wurde im Zuge des nationalen Erwachens Ende des 19. Jahrhunderts auf einen Namen zurückgegriffen, der zwar schon seit dem Mittelalter als Kurzversion von "Bjelaja Rus" (Weisser Rus) existierte, historisch aber eher für die östlichen Gebiete des heutigen Weissrussland verwendet wurde, schreiben der Politologe Vitali Silitski (Witali Silitzki) und der Historiker Jan Zaprudnik in ihrem Buch "The A to Z of Belarus".

Für den Westen war demnach aufgrund der historischen Zugehörigkeit zum Grossfürstentum Litauen hingegen "Litwa" gebräuchlich. Erst mit der Verbreitung eines modernen weissrussischen ethnisch-nationalen Bewusstseins setzte sich der Eigenname "Belarus" im gesamten Gebiet durch.

Gewaltsame Russifizierung

Nach der vollständigen Annexion durch das zaristische Russland in der dritten Teilung Polens 1795 wurde das Gebiet mit massiven Russifizierungsbestrebungen konfrontiert - galt ja im russischen nationalen Denken "Weissrussland" lediglich als ein Teil Russlands.

Die Unterdrückung der weissrussischen Sprache und Kultur schien im 19. Jahrhundert zunächst erfolgreich, schreibt James Minahan in "Miniature Empires: A Historical Dictionary of the Newly Independent States". Das Wiedererwachen von weissrussischer Sprache und Nationalbewusstsein ging daher erst relativ spät, um 1900, insbesondere von den Intellektuellen der unterdrückten katholischen Minderheit aus.

Meinung

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Liebe Britinnen und Briten, begrabt den Traum vom Schweizer Modell!

Dieser Inhalt wurde am 21. Nov. 2022 publiziert 21. Nov. 2022 Den Schweizer Weg kopieren zu wollen, ist eine Schnapsidee. Ein offener Brief von Insel zu Insel.

Seit 1991 offiziell "Belarus"

1918 wurde als erster unabhängiger weissrussischer Staat die sehr kurzlebige "Weissrussische (offiziell: belarusische) Volksrepublik" unter deutscher Patronanz etabliert, die jedoch bereits am 1. Januar 1919 durch die "Weissrussische Sozialistische Sowjetrepublik" ersetzt wurde. 1945 wurden dann die bis dahin polnischen Gebiete östlich der "Curzon-Linie" der Sowjetunion und damit den weissrussischen und ukrainischen Sowjetrepubliken zugeschlagen.

In der sowjetischen Zeit wurde allgemein für die Weissrussische Sowjetrepublik die russische Bezeichnung "Bjelorussija" verwendet, international waren entweder russifizierte Formulierungen ("Byelorussia", "Biélorussie") oder Übersetzungen wie "Weissrussland" gebräuchlich. Bei der Unabhängigkeit 1991 wurde indes der Name "Republik Belarus" festgesetzt und damit erstmals die Eigenbezeichnung als offizieller Ländername verankert.

"Letzte Diktatur Europas"

Seitdem hat sich Belarus, trotz seiner prekären internationalen Position als "letzte Diktatur Europas" unter dem seit 1994 autoritär regierenden Lukaschenko, international um eine Verankerung des Ländernamens "Belarus" im diplomatischen Gebrauch bemüht. Die Verwendung dieses Namens soll dem Missverständnis entgegenwirken, wonach das Land bloss ein Teil Russlands sei. Gleichzeitig haben Moskau und Minsk bereits im Jahr 2000 einen bilateralen Vertrag über die Errichtung eines gemeinsamen "Unionsstaates" geschlossen, dessen Umsetzung jedoch seit Jahren stockt.

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Das Bestreben um die allgemeine Verwendung von "Belarus" ist Minsk zumindest in englischer Sprache gelungen, wo keine der älteren Bezeichnungen wie "Byelorussia" heute noch gebräuchlich ist. Im deutschen Sprachraum ist die Situation zwiespältig: Während die Aussenministerien konsequent "Belarus" und "belarusisch" (mit einem s) schreiben, ist in den Medien wie auch im allgemeinen Sprachgebrauch weiterhin "Weissrussland" dominierend.

Eine ähnliche Situation liegt in Russland vor, wo die Diplomatie "Belarus", die Medien hingegen das althergebrachte "Bjelorussija" verwenden. Wieder andere Länder lassen sich von solchen Erwägungen indes nicht beeindrucken: Frankreich oder Italien verwenden weiterhin ganz offiziell "Biélorussie" bzw. "Bielorussia".

Wie heißen die Menschen aus Belarus?

Die Belarussen (auch Belarusen oder Weißrussen, historisch Weißruthenen) bilden das Staatsvolk von Belarus (dort ca. 8,1 Millionen).

War Belarus früher russisch?

Russische Herrschaft Ende des 18./ Anfang des 19. Jahrhunderts kam das Gebiet nach und nach unter russische Herrschaft durch die sog. Teilungen Polens.

Wie spricht man Belarus richtig aus?

Worttrennung: Be·la·rus, kein Plural. Aussprache: IPA: [ˈbɛlaʁʊs], [ˈbeːlaʁʊs], [ˈbi̯ɛlaʁʊs], [bɛlaˈʁʊs], [beːlaˈʁʊs], [bi̯ɛlaˈʁʊs]

War Belarus Mal Deutsch?

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten im sowjetischen Teil des heutigen Weißrussland rund 8.500 Deutsche. Von diesen wurde 1941 ein Teil nach Kasachstan deportiert. Die verbliebenen Deutschen wurden 1943 größtenteils ins Deutsche Reich bzw. in die von Deutschland besetzten polnischen Gebiete umgesiedelt.