Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit bei einem Unfall zu sterben?

Es begleitet uns das ganze Leben, vom ersten bis zum letzten Atemzug: das Risiko. Unausweichlich nimmt es uns an die Hand und ist uns ein treuer Weggefährte, den wir bis zum Tod nicht mehr abschütteln können. Er macht uns Angst. Ihm fühlen wir uns ausgeliefert. Das ist manchmal berechtigt, manchmal nicht.

Berichte über Pandemien wie die Schweinegrippe und Terroranschläge lösen Panik und Schrecken aus. Studien zeigen uns, dass es fast keine Tätigkeit und keinen Stoff auf Erden gibt, der nicht das Risiko auf Krebs oder andere gefährliche Krankheiten erhöhen könnte. Doch wir müssen lernen, mit ihm zu leben, sagen die Experten. Denn so gefährlich ist das Leben gar nicht.

Dabei hat unser Herz noch nicht einmal begonnen, selbstständig zu schlagen und schon ist es da, das Risiko: Wenige Tage nach unserer Zeugung kann unser Leben wieder beendet sein. Die befruchtete Eizelle kann sich auf dem Weg Richtung Gebärmutter verirren. Schafft sie es dennoch, lauern die nächsten Gefahren, die ihr Wachstum beenden können, wie hormonelle Störungen der Mutter.

Etwa die Hälfte der befruchteten Eizellen überleben die ersten zwei bis drei Wochen nicht. Doch das gefährlichste Ereignis unseres Lebens steht uns erst bevor: die Geburt. Nie wieder ist die Chance so groß, die nächsten Stunden nicht zu überleben.

Unser Herz kann aufhören zu schlagen, die Nabelschnur kann sich um unseren Hals wickeln oder wir können im Geburtskanal stecken bleiben. Weltweit sterben etwa vier Millionen Kinder bei der Geburt, 98 Prozent davon in Entwicklungsländern.

Holen wir das erste Mal eigenständig Luft, atmen wir die Welt der Risiken mit ein: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes überleben etwa 2400 Säuglinge in Deutschland jährlich ihr erstes Lebensjahr nicht. Weltweit sterben 8,8 Millionen Kinder im Alter von null bis fünf Jahren. Jahr für Jahr, an Mangelernährung oder Krankheiten.

Sobald wir auf eigenen Beinen stehen, setzen wir uns neuen Gefahrenquellen aus: Wir können Fensterbänke hinaufklettern und aus den oberen Stockwerken fallen, spitze Gegenstände verschlucken, im Teich des Vorgartens ertrinken oder Spülmittel trinken. Besonders die Küche ist ein gefährlicher Aufenthaltsort für Kleinkinder: Etwa ein Drittel der jährlich vier Millionen Unfälle von Kindern in Deutschland ereignen sich an diesem Ort.

Verkehrsunfälle sind höchstes Risiko

Wenn wir etwas älter werden, sind Verkehrsunfälle unser größtes Risiko. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind sie die Ursache für zehn Prozent der Todesfälle in der Altersgruppe der Zehn- bis 24-Jährigen.

Auf Platz zwei der Todesursachen bei Jugendlichen folgen der Selbstmord mit 6,3 Prozent und darauf der Mord mit 6,0 Prozent. Im Jugendalter sind wir besonders anfällig für „falsche Gesellschaft“, geraten vielleicht in die Drogenszene, werden niedergestochen oder ausgeraubt, beenden die Schule ohne Abschluss, finden keinen Arbeitsplatz, stopfen aus Frust zu viel Essen in uns hinein und erhöhen damit das Risiko, an den Folgen unserer Fettleibigkeit zu sterben.

Immerhin sind heute zwei von drei deutschen Männern und etwa die Hälfte der Frauen übergewichtig. Wenn wir in den Urlaub fahren, können wir mit dem Auto von der Straße abkommen, mit dem Flugzeug abstürzen oder mit der Fähre sinken. Am Ferienort kann uns eine Strömung in das Meer oder ein Erdrutsch in die Tiefe ziehen. Vergifteter Alkohol oder Essen können unsere Existenz jäh beenden, genauso wie Viren, Bakterien oder Gifte.

Aus Angst vor diesen Risiken könnten wir unserem Leben gleich ein Ende setzen. Gerd Gigerenzer ist Psychologe und Leiter des Harding Center for Risk Literacy in Berlin. Er sagt: „Wir brauchen den Mut, mit Unsicherheiten umzugehen. Wir sollten ihnen ins Auge sehen und lernen, mit ihnen umzugehen.“ Dafür können wir etwas tun. Gigerenzer ist der Überzeugung, dass viele Risiken uns nur deshalb so bedrohlich erscheinen, weil wir ihre Häufigkeit nicht richtig verstehen und interpretieren. Auch Ärzte, Journalisten und Politiker können die Statistiken von Pandemien oder die Risiken von Naturgefahren nicht immer korrekt einschätzen.

Statistischer Analphabetismus

Gigerenzer nennt das „statistischen Analphabetismus“. Er gibt ein Beispiel: Im Jahr 1995 gab das „Komitee für medizinische Sicherheit“ in Großbritannien eine Warnung heraus: Die Verhütungspille der dritten Generation würde das Risiko von Thrombosen extrem steigern – um 100 Prozent. Diese Information wurde an Ärzte und Apotheker in Großbritannien versandt, Medien schürten die Panik der Frauen.

Doch wie viel sind 100 Prozent? Die Studie, auf die sich die Warnung bezog, zeigte, dass eine von 7000 Frauen, die die Pille der zweiten Generation schluckten, eine Thrombose bekam, jedoch zwei Frauen von 7000, die die Pille der dritten Generation einnahmen.

Das absolute Risiko nahm um 1 in 7000 zu. Wohingegen das relative Risiko tatsächlich um 100 Prozent zunahm. Absolute Risiken sind meist kleine Zahlen, relative Risiken größere. „Daher finden wir Letztere meist in den Schlag?zeilen“, erläutert Gigerenzer. Hätte man damals die Warnung auf das absolute Risiko bezogen, hätten wohl nur wenige Frauen deshalb die Pille ab?gesetzt. Stattdessen kam es zu 13.000 zusätzlichen Abtreibungen.

Auch der Terroranschlag am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York führte zu einer absurden Umverteilung des Risikos: Aus Angst, in ein Flugzeug zu steigen, setzten sich Tausende Amerikaner lieber in ihr eigenes Auto. Wie Gigerenzer in einer Studie nachwies, haben in den zwölf Monaten nach dem Anschlag etwa 1500 Amerikaner, indem sie das Fliegen vermieden, ihr Leben gelassen: Sie starben bei Autounfällen.

"Überdiagnosen"

Bei Gesundheitstest werden nicht nur Erkrankungen frühzeitig erkannt – sie produzieren oft auch „Überdiagnosen“. Es wird etwa eine Abnormalität festgestellt, die vielleicht nie Symptome entwickelt hätte, wäre sie nicht erkannt worden.

Eine amerikanische Studie zeigte, dass 25 Prozent der Brustkrebsfälle, die mittels Mammografie entdeckt wurden, überdiagnostiziert waren. In einem Training von Gynäkologen in Risikokommunikation, das Gerd Gigerenzer durchführte, zeigte sich, dass nicht einmal 21 Prozent der Ärzte einschätzen können, wie hoch die Chance ist, dass eine Frau wirklich an Brustkrebs erkrankt ist, wenn ein positives Mammografie-Ergebnis vorliegt. Sie schätzten, dass eine Frau dann mit 80- bis 90-prozentiger Sicherheit Brustkrebs hat. Wie mehrere Studien zeigten, ist es aber nur etwa eine von zehn Frauen.

Ein amerikanischer Experte für Risikokommunikation, Peter Sandman, sagte einmal: „Das Risiko, das uns umbringt, ist nicht unbedingt das Risiko, das uns ängstigt.“ Der Ausbruch der Schweinegrippe versetzte im vergangenen Jahr die ganze Welt in Panik. Schreckensszenarien über die Pandemie nahmen kein Ende.

Doch bislang sprechen die Statistiken eine klare Sprache: Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wurden bislang 254 Todesfälle in Zusammenhang mit dem H1N1-Virus gemeldet. An der normalen Grippe sterben jährlich etwa 8000 bis 11.000 Menschen in Deutschland.

Raucher und Nichtraucher

Dass Raucher gefährlicher leben als Nichtraucher – auch darin sind sich die Experten einig. Nach Schätzungen der WHO dürften die Todesfälle, die mit dem Rauchen zusammenhängen, von 5,4 Millionen in 2005 auf 8,3 Millionen in 2030 weltweit steigen. Aber auch die Todesfälle unter Passivrauchern.

Allein im Jahr 2009 starben etwa 600.000 Menschen an den Folgen des Passivrauchens. In einer anderen Umfrage zur Risikoeinschätzung gaben 69 Prozent der Befragten an, dass sie sich vor dem globalen Klimawandel fürchten. Rauchen bewerteten aber nur 48 Prozent als gefährlich.

Warum haben wir solche Probleme, Risiken richtig einzuschätzen? Unsere Wahrnehmung solcher Gefahren wird stark davon beeinflusst, wie sie kommuniziert werden. „Heute verbreiten sich Risiken deutlich schneller in unserer Gesellschaft“, sagt Juliana Raupp, die an der Freien Universität Berlin Risiko- und Krisenkommunikation erforscht.

„Wir leben in einer globalisierten Welt, unsere Gesellschaft ist sehr komplex, sehr dicht. So entsteht auch das Gefühl von Bedrohung leichter. Und wir haben als Öffentlichkeit eine gewisse Erwartungshaltung, ernst genommen und informiert zu werden.“

Die Risikokommunikation selbst sei zunächst wie Aufklärung. Man müsse die richtigen Leute erreichen, Vertrauen schaffen, und die Experten müssten sich in die Lage der Laien hineinversetzen, um die Gefahren entsprechend zu kommunizieren. „Das Problem ist, dass die Massenmedien erst dann aufspringen, wenn die Themen schon gestreut sind, wenn der Katastrophenfall schon eingetreten ist. Dann aber ist es oft schon zu spät“, sagt Raupp.

Entscheidend sei auch, ob uns die Gefahr unmittelbar bedroht. Blicken wir einem tödlichen Risiko direkt ins Auge, dann wissen wir, es geht in diesem Moment um Leben und Tod. Genauso gibt es aber Risiken, die wir freiwillig in Kauf nehmen. Niemand zwingt uns beispielsweise dazu, zu rauchen oder Drogen zu konsumieren.

Trotzdem tun wir es. Wir setzen uns bewusst Risiken aus, die unsere Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben, erhöhen. Aber eben nur die Wahrscheinlichkeit. Früher oder später werden manche Menschen an den Gesundheitsfolgen sterben. Doch es ist nicht klar, wann und wer. Solange wir in der Situation selbst keinen Schaden nehmen, setzen wir uns „scheibchenweise“ einer Gefahr aus. Es geht um einen statistischen Tod, die Summe von Wahrscheinlichkeiten.

Außerdem neigen wir dazu, Risiken, die wir nicht kontrollieren können, wie eine Lawine, eher zu überschätzen, dagegen ein Risiko, das wir selbst in der Hand haben, zu unterschätzen. Viele Menschen fahren lieber Auto, da sie den Eindruck haben, dann die Situation selbst im Griff zu haben, während sie sich bei einem Flug dem Piloten ausgeliefert fühlen.

„Weil wir glauben, dass wir gewisse Risiken kontrollieren können, nehmen wir sie nicht so ernst“, sagt Walter Krämer, Statistiker von der Technischen Universität Dortmund. „Wichtig ist auch, ob wir den Mechanismus der Gefahr verstehen oder nicht.“ Das scheint bei Krebs komplexer zu sein als bei anderen Erkrankungen. „Deshalb haben die Menschen mehr Angst vor Krebs als vor Herz-Kreislauf-Leiden, obwohl Letztere doppelt so gefährlich sind“, sagt Krämer, Autor des Buchs „Die Panikmacher“.

Manchmal häufen sich auch Risiken, die wir kaum einordnen können. Ein Mann, der sich morgens entscheidet, ausnahmsweise mal das Fahrrad statt die Bahn zu nehmen, entgeht mit dieser zufälligen Entscheidung einem katastrophalen Bahnunglück – genau mit der Bahn, die er üblicherweise nehmen würde. Er entkommt dem Risiko.

Als er am Abend mit dem Fahrrad nach Hause fährt, wird er auf einer Straßenkreuzung von einem Laster erfasst und stirbt. Warum passiert so etwas? Ist das Zufall? „Genau das“, sagt Krämer. „Jede Woche stirbt in Deutschland ein Mensch, von dem ein anderer die Nacht zuvor träumt, dass er stirbt. Bei rund 2000 Todesträumen und Todesfällen ist das ganz normal“, sagt der Statistiker. „Ereignisse, die auf den ersten Blick äußerst unwahrscheinlich sind, gibt es öfter, als man denkt.“

Unvorstellbar war auch die Naturkatastrophe, die an Weihnachten 2004 auf die Menschen in Thailand zurollte. Fast niemand sah die Vorzeichen, die auf das hindeuteten, was passieren würde: der riesige Tsunami, der über Inseln, Strände und Hotelresorts hereinbrach und Hunderttausende Menschen in den Tod riss.

Der Meteorologe Gerhard Berz, seit 1974 Leiter des Bereichs „Elementargefahren“ der Münchener Rück, der größten Rückversicherung der Welt, sagt: „Die Katastrophe verlief geradezu beispielhaft.“ Bei diesem Ereignis sei ihm schlagartig bewusst geworden, „dass vieles von dem, was wir in den vergangenen Jahren an Prävention und Studien hervorgebracht haben, nicht die erhoffte Wirkung erzielt hat“, sagt Berz.

Damit meint der Meteorologe zum Beispiel die „Weltkarte der Naturgefahren“ der Münchener Rück. Sie hätte nicht dazu geführt, dass dieses Wissen wirklich angekommen ist beim Einzelnen, sagt Berz. „Das simple Wissen über Tsunamis hätte man schon längst im Schulunterricht unterbringen müssen. Wenn man das einmal erklärt bekommt, dann erkennt man es wieder, wenn es passiert, wie zum Beispiel, wenn sich nach einem Erdbeben das Meer sehr deutlich zurückzieht“, sagt Berz. Er hat die Tsunamiwelle zum Anlass genommen, das Buch „Aus heiterem Himmel“ über Naturkatastrophen zu schreiben.

Auch wenn Deutschland kein klassisches Land der Naturkatastrophen sei, seien die Schäden meist hoch. Es leben zu viele Leute auf engem Raum, die Werte sind hier konzentriert. Laut Berz müssen wir uns in Deutschland darauf einstellen, dass die Unwetter, vor allem in den Sommern, die immer noch heißer werden, größere Schäden anrichten.

„Und ich vermute auch, dass uns die häufigeren milden Winter mehr Stürme bringen“, sagt Berz. Fest steht jedenfalls: Durch die zahlreichen Naturkatastrophen hat sich unsere Einschätzung von Naturrisiken verändert. Eine Flutwelle jagt scheinbar den nächsten Orkan, ein Erdbeben folgt auf das andere.

Diesem Prinzip folgen wir bei allen Gefahren: Das, was gerade aktuell ist, löst Panik in der Bevölkerung aus. „An die Erderwärmung denkt bei Schnee im März niemand“, sagt Krämer. Aber solange das „Desaster der Schweinegrippe-Untergangspropheten“ noch präsent ist, bleibt die Angst.

Meist vergessen wir schnell, welche Panik uns kürzlich noch erfasst hat. Bis die nächste folgt. Doch wir sollten uns lieber eine gewisse „Risikomündigkeit“ erwerben, raten die Experten, und kritisch abwägen, wie groß das Risiko wirklich für uns ist – denn, wie schon der Schriftsteller und Kabarettist Joachim Ringelnatz schrieb: „Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“

Wie wahrscheinlich ist es beim Autounfall zu sterben?

Bei den Verletzungen fällt das Risiko deutlich größer aus: Bezogen auf die Personenkilometer ist das Unfallrisiko bei jeder Autofahrt gut 133-mal höher als bei einer Bahnfahrt.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit Ein Autounfall zu haben?

1 : 3 Millionen.

Was passiert wenn man bei einem Unfall stirbt?

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Was war der schlimmste Unfall auf der ganzen Welt?

Katastrophe von Bhopal: Der schlimmste Chemieunfall aller Zeiten.
Vor 25 Jahren kam es in der Fabrik des US-Chemieriesen Union Carbide zu einer schrecklichen Katastrophe. ... .
Durch das Gas Methylisozyanid wurden insgesamt mehr als eine halbe Millionen Menschen verletzt. ... .
Zugedeckte Leichen in den Straßen Bhopals..