Wer ist auf hitziges frieselfieber gestorben

Mit allen diesen Erklärungen gab sich der Heidelberger Privatdozent Dr. Dr. Aloys Greither nicht zufrieden. Mit wissenschaftlichem Eifer studierte er Dutzende von Mozart-Büchern, zeitgenössische Dokumente sowie Briefe des Vaters und der Verwandten Mozarts. Das Ergebnis dieser Arbeit ist eine erschöpfende Studie über »Mozart und die Ärzte, seine Krankheiten und sein Tod«, die kürzlich als der wohl unkonventionellste Beitrag zum Mozartjahr in der »Deutschen Medizinischen Wochenschrift« erschien.

Der Mediziner Aloys Greither zeichnet ein Bild, das von vielen Porträts des »göttlichen Mozart« grell absticht. »Mozart, das angestaunte Wunderkind«, schreibt er, »war nicht das heiter-glückliche Geschöpf, als das er allgemein gilt... Sein kurzes Leben war, in der Folge seines rastlosen, sich verzehrenden Schöpfertums, eine endlose Kette von Unpäßlichkeit, Übermüdung, Gehetztheit, Not, Sorge, Krankheit.«

Dann erkrankte der neunjährige Wolfgang Amadeus an einer schweren Krankheit, die von den Ärzten als »hitziges Fieber« bezeichnet wurde. Nach den Schilderungen, die der Vater mit geradezu ärztlichem Scharfblick gab, bestehe heute kein Zweifel, meint Dr. Greither, daß Mozart damals Unterleibstyphus (Typhus abdominalis) hatte. Bis zur Unkenntlichkeit abgemagert, überstand der Knabe die gefährliche Infektionskrankheit.

Im November 1766 mußte die große Konzertreise in München endgültig abgebrochen werden, weil das »Wolfgangerl« wieder an furchtbarem Gelenkrheuma litt. Und schon zu Anfang des Jahres 1768, auf der nächsten Reise nach Wien, zwang eine der schwersten Krankheiten der damaligen Zeit den Zwölfjährigen ins Bett: die Pocken. Es erschien der Familie wie ein Wunder, daß das schwache Kind auch diese Krankheit überlebte.

»Abgesehen von vielleicht schweren allgemeinen Schäden, hinterließ sie auch äußerlich ihre Spuren«, schreibt Dr. Greither. »Seine Schwester bemerkte später, daß er ursprünglich ein hübsches Kind war (die Eltern galten als das schönste Paar in Salzburg) und erst durch die Blattern verunstaltet wurde. Die Pockennarben erklären uns manches: Einmal den Umstand, daß keines der Mozart-Porträts ihn naturähnlich wiedergibt, das heißt, jedes ist leicht geschönt (wenn nicht frei erfunden), und zum anderen die schwere Depression und Gehemmtheit, die ihm seine verunstaltete Haut, aber auch seine kleine Gestalt und seine große Nase, verursachten.«

Im Jahr darauf machte Mozart in Salzburg schon wieder eine »schwere Krankheit« durch, von der erst viel später eine Notiz der Schwester berichtet. Aus einem Brief des Vaters schließt Dr. Greither, daß Mozart auf seiner ersten großen Italienreise (Anfang Dezember 1769 bis Ende März 1771) nicht nur an einem kurzen fiebrigen Infekt litt, sondern sich auch eine Erfrierung ersten Grades der Hände und vielleicht auch des Gesichtes zugezogen hatte. In Italien war er trotz aller Umsicht und Fürsorge mehrmals krank.

Von den nächsten Jahren, die Mozart auf Reisen und in Salzburg verbrachte, fehlen briefliche Berichte über Krankheiten. Erst während der Pariser Reise (1777) schrieb Mozart, damals 21 Jahre alt, von einer Grippe, aber Dr. Greither meint, es sei nicht anzunehmen, »daß dies seine einzige Krankheit während der Pariser Reise war«. Mozart habe jedoch zu jener Zeit andere Dinge im Kopf gehabt, als von seinen Unpäßlichkeiten zu berichten. Immerhin: Schon im November 1780 schilderte Mozart wieder einen »Katarrh«.

Vier Jahre später berichtete der Vater in einem Brief an seine Tochter erneut von einer schweren Erkrankung seines Sohnes. Dr. Greither bezeichnet das Schreiben als »alarmierend«. Der Vater zitierte nämlich einen Brief seines Sohnes, in dem es heißt: »Ich habe vier Tage nacheinander zur nämlichen Stunde rasende Kolik bekommen, die sich allzeit mit starkem Erbrechen geendet hat.«

Dieser Bericht des Vaters, meint Dr. Greither, sei überaus wichtig für die Aufklärung der Todesursache. »Für die Bedeutung der tödlichen Krankheit Mozarts, unter Berücksichtigung all der vorausgegangenen rheumatischen und grippösen Infekte, nimmt er eine Schlüsselstellung ein. Hier ist, durch die Koliken, auf das Organ hingewiesen, das seit Jahren (oder Jahrzehnten) latent krank ist, und der Vater, der gute Beobachter und gebildete Laie, weiß auch die Folgen abzuschätzen: Ein ,rheumatisches Fieber', gegen das man nichts tut, arte in Sepsis* aus. Die vier Tage sich wiederholenden ,rasenden Koliken' weisen mit Sicherheit auf die Nieren hin. Es muß eine auf chronische Entzündung sich auflagernde, fieberhafte und schmerzhafte Ausscheidungs-Pyelitis (Nierenbecken-Entzündung) gewesen sein...«

Am 14. August 1790 schreibt Mozart, er habe vor Schmerzen nicht schlafen können. »Ich muß mich gestern vom vielen Gehen erhitzt und dann unwissend erkältet haben. Stellen Sie sich meine Lage vor: krank und voll Kummer und Sorge.«

Es war das letztemal, daß er eine Krankheit in einem Brief erwähnte. »In der nicht mehr abreißenden äußeren Not sind die Krankheiten für ihn nicht mehr erwähnenswert«, schreibt Dr. Greither, »zumal, da er sich daran gewöhnt hat, krank zu sein, und auch seinen eigenen Tod seit dem Sommer 1791 mit einer Sicherheit ahnt, die sich ihm nicht mehr ausreden läßt.«

Unter der Zwangsvorstellung seines baldigen Todes arbeitete er fieberhaft den ganzen Sommer hindurch. Im September vollendete er die »Zauberflöte«, dirigierte die Uraufführung und auch noch etwa zehn Wiederholungen. Mitte November konnte er das Bett nicht mehr verlassen. Hände, Füße und auch der Leib begannen zu schwellen, Erbrechen trat ein.

Bis kurz vor seinem Tode arbeitete er noch an seinem »Requiem«, und als ihm die zunehmende Schwäche das nicht mehr gestattete, gab er seinem Schüler Süßmayer Anweisungen, wie das Werk nach seinem Tode zu vollenden sei.

»Betrachtet man diese letzte, tödliche Krankheit mit dem Wissen um die lange Vorgeschichte seiner Leiden«, meint Dr. Greither, »so fällt die Diagnose nicht schwer.« Mozart sei seiner chronischen Nierenkrankheit nach einem langen Siechtum im urämischen Koma erlegen*.

Der Nierenschaden, urteilt Dr. Greither, sei »wohl komplexer Natur« gewesen. Den wichtigsten Anteil habe eine chronische Nierenentzündung gehabt, die in eine Schrumpfniere übergegangen sei. »Als Auslösung sind hier seine rheumatischen Schübe und die vielen Fokal-Infektionen der Mundhöhle** (seine Anginen, Zahnschwellungen, seine sogenannten Schnupfen, die oft Halsentzündungen waren) zu nennen. Zu der Schrumpfniere passen klinisch: Mozarts gelblich blasse Farbe in den letzten Lebensjahren, seine Kopfschmerzen, seine durch viele Jahre sich hinziehende Schläfrigkeit und Abgeschlagenheit Dafür spricht auch die leichte Gedunsenheit Mozarts, die auf den Bildnissen von Posch 1786 und Dora Stock 1789 bezeugt ist.«

Daneben scheine Mozart an einer Nierenbecken-Entzündung (Pyelitis) mit Steinbildung gelitten zu haben. Jedenfalls aber sprächen die Symptome seiner letzten Krankheit gegen die Hypothese, daß Mozart vergiftet wurde.

»Nicht immer ist die wissenschaftliche Erkenntnis Gewinn«, konstatiert Dr. Greither. Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse enthalten beispielsweise auch »eine realistische medizinische Erklärung« für die Überlieferung, daß Mozart noch mit seinen letzten Atemzügen Anweisungen für die Verwendung der Pauken in dem unvollendeten »Requiem« gegeben habe. »Im urämischen Koma«, erläutert Dr. Greither, »im Gefolge der stockenden ... Atmung (des Todeskampfes) mit den vernehmlichen Lippen- und Wangenbewegungen kam das Phänomen zustande, daß die Augenzeugen so liebenswert mißdeuteten.«

* Sepsis (griechisch): Fäulnis in der Medizin Bezeichnung für eine allgemeine bakterielle Vergiftung des Blutes (Blutvergiftung).

* Urämie: Harnvergiftung. Koma (griechisch):

fester Schlaf. Ein bei verschiedenen Krankheiten vorkommender Zustand tiefster, durch äußere Reize nicht zu unterbrechender Bewußtlosigkeit.

* Fokal-Infektion: Herdinfektion, Infektion durch Mikroben, die über längere Zelt von einem Ausgangsherd in den Kreislauf abgegeben werden.

Mozart-Bildnis von Dora Stock

Krankheitssymptome sind erkennbar

Wie starb WA Mozart?

5. Dezember 1791Wolfgang Amadeus Mozart / Sterbedatumnull

Wer ist der Mörder von Mozart?

Antonio Salieri (1750 bis 1825) muss als legendärer Mozart-Mörder weiterhin den Buhmann der Musikgeschichte geben.

War Wolfgang Amadeus Mozart taub?

Mozart war ein Wunderkind. Bereits mit drei Jahren fing er an, Klavier zu spielen, mit vier Geige, mit fünfeinhalb gab er sein erstes öffentliches Konzert. Sein Gehör war absolut. Schon als Vierjähriger konnte er hören, wenn eine Geige um einen Viertelton verstimmt war.

Was ist ein hitziges Frieselfieber?

Die beiden verlassenen Krankheitsbezeichnungen „rheumatisches Entzündungsfieber“, „hitziges Frieselfieber“ werden häufig genannt: Die erste ist in umstrittenen Dokumenten (zum Beispiel Totenschauprotokoll, Sterberegister) zu finden und meint eine akute Polyarthritis, deren Komplikationen und/oder Behandlungsfolgen zum ...