Was hat die apotheke für eine bedeutung in der wirtschaft

Zwischen Gesundheitsauftrag und Wettbewerb

Apotheken erfüllen einen staatlichen Auftrag in der Gesundheitsversorgung und müssen gleichzeitig betriebswirtschaftlich arbeiten. Sie sind gleichermaßen von Entwicklungen im Gesundheitswesen wie von Veränderungen im Einzelhandel betroffen. Dazu kommen branchentypische Herausforderungen wie Lieferengpässe bei bestimmten Arnzeimitteln, der wachsende Ärztemangel auf dem Land und die Konkurrenz durch europäische Versandapotheken.

Was hat die apotheke für eine bedeutung in der wirtschaft

Apotheker haben eine Doppelrolle. „Einerseits sind wir Heilberufler, andererseits Kaufmänner und -frauen“, sagt Friederike Habighorst-Klemm. Sie ist Inhaberin der „Stadtapotheke am Marktplatz“ in Emmendingen und Vorstandsmitglied im Landesapothekerverband Baden-Württemberg. „Nur in einem kleinen Segment können wir als Kaufleute handeln, weil wir auch den staatlichen Auftrag haben, die sachgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen.“
Für den Betrieb einer Apotheke gibt es daher eine ganze Reihe von Vorschriften, die in einer eigenen Apothekenbetriebsordnung festgeschrieben sind (siehe Infokasten auf Seite 9). Bei verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln, die den Großteil des Apotheken-Umsatzes ausmachen, ist die Vergütung durch einheitliche Honorare festgelegt; diese Medikamente unterliegen einer Preisbindung. Apothekerinnen und Apotheker sind somit stark von den Entwicklungen im Gesundheitswesen abhängig. Als Kaufleute haben sie aber auch mit all den Herausforderungen und Veränderungen zu tun, die den stationären Einzelhandel generell betreffen – von Mietpreisen über Internethandel und Digitalisierung bis zur Suche nach qualifiziertem Personal.

Jörg Weitbrecht leitet seit 1987 die „Apotheke am Theater“ in der Freiburger Innenstadt. Vor seiner Ladentür erstreckt sich der großzügige Platz der Alten Synagoge, der Blick geht auf Universitätsbibliothek und Stadttheater. Im Verkaufsraum der Apotheke stehen Ständer mit Hustenbonbons, in hellen Regalen präsentieren sich Kosmetikartikel, neben dem Verkaufstresen Nahrungsergänzungsmittel. „Der sogenannte Freiwahlbereich ist eine Visitenkarte der Apotheke“, sagt Weitbrecht. „Hier kann man eigene Schwerpunkte setzen.“
Seit einigen Jahren spezialisierten sich viele Apotheken in Innenstadtlagen zum Beispiel auf Produkte zur medizinischen Körperpflege und Naturkosmetika. In seiner Filialapotheke im Freiburger Öko-Stadtteil Vauban konzentriere er sich dagegen stärker auf Naturheilprodukte, Homöopathisches und Produkte für Schwangerschaft und Stillzeit, sagt Weitbrecht. Allerdings ist das Sortiment generell auf „apotheken­übliche Waren“ beschränkt – auch das ist per Verordnung festgeschrieben.

Was hat die apotheke für eine bedeutung in der wirtschaft

Trotz der individuellen Gestaltung des Verkaufsraums, auch Offizin genannt, seien alle Apotheken gleich aufgebaut, sagt Weitbrecht. „Apothekenpflichtige Medikamente stehen nicht im Zugriffsbereich des Kunden, sondern hinter der Theke.“ Deshalb heißen sie auch OTC-Arzneimittel, als Abkürzung für „Over the Counter“. Verschreibungspflichtige Medikamente schließlich werden überhaupt nicht offen gelagert, sondern in den typischen Apotheken-Schubladen – oder in den Fächern eines sogenannten Kommissionierautomaten: In Weitbrechts Apotheke steht schon seit 2007 eine solche Anlage im ersten Stock, gleich über dem Verkaufsraum. Alle vorrätigen Medikamentenpackungen sind digital erfasst; wählt eine Mitarbeiterin unten an der Theke per Computer eine aus, saust oben ein Wägelchen zum entsprechenden Lagerplatz, greift die Packung und befördert sie über einen Schacht direkt zum Verkaufsplatz einen Stock tiefer. Überzählige Packungen werden später wieder eingescannt, per Förderband zurück nach oben transportiert und automatisch eingelagert – so wie neu angelieferte Medikamente auch. „Das ist schon eine riesige Erleichterung“, sagt Weitbrecht.

Platz spart der Automat außerdem – und der wird gebraucht: Ebenfalls im ersten Stock liegt ein Aufenthaltsraum für Notdienste, hinter der Offizin im Erdgeschoss gibt es einen kleinen, abgetrennten Raum, in dem von Ärzten verschriebene Rezepturen wie etwa spezielle Salben individuell hergestellt werden können. Das für Apotheken ebenfalls vorgeschriebene Labor liegt noch einen Stock tiefer im Keller. Und in einem Rückraum hat Weitbrecht einen kleinen Onlineshop für Kosmetika eingerichtet.

Besonderheiten

Für Apotheken gilt eine ganze Reihe besonderer Regelungen und Vorgaben. Eine kleine Auswahl:

  • Die Apothekenbetriebsordnung legt unter anderem fest, dass eine Apotheke mindestens 110 Quadratmeter groß sein muss, auch bestimmte Räume wie ein Laboratorium und ein Nachtdienstzimmer sind vorgeschrieben.
  • Inhaber einer Apotheke muss ein persönlich haftender Apotheker sein. Neben seiner Hauptapotheke darf er höchstens drei Filialen führen.
  • In jeder Apotheke muss stets mindestens ein Apotheker anwesend sein, der die Aufsicht führt.
  • Medikamente werden durch pharmazeutisches Personal abgegeben, also zumeist die Apothekenleiterinnen, angestellte Apotheker oder pharmazeutisch-technische Assistenten.
  • Apotheken müssen bestimmte Medikamente und Medizinprodukte stets vorrätig halten, um die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
  • Apotheken sind verpflichtet, Notdienste zu leisten.

Zu seiner Apotheke am Theater gehören noch zwei Filialen, neben der im Stadtteil Vauban eine weitere im benachbarten Merzhausen. Beide hat er 2012 übernommen. Bis zu drei Filialen neben dem Hauptgeschäft darf ein Apotheker inzwischen besitzen, bis 2004 galt ein strenges Mehrbesitzverbot. „Die Filialen haben schon Vorteile“, sagt Weitbrecht. „Man hat mehrere Standbeine, kann Personal und knappe Produkte austauschen.“ Auch im Einkauf stehe man oft besser da. Die Innenstadtlage seiner Hauptapotheke sei toll – viel Laufkundschaft, Touristen und Studenten, viele Fachärzte in der direkten Umgebung und entsprechende Stammkundschaft. „Aber auch eine gut geführte Dorfapotheke kann sich lohnen“, sagt er.

Dennoch sieht Weitbrecht aktuelle Herausforderungen: Dass europäische Versandapotheken vielen nationalen Vorschriften nicht unterliegen, keine Nachtdienste machen und bei verschreibungspflichtigen Medikamenten Rabatte gewähren können, weil sie nicht an die deutschen Festpreise gebunden sind – das empfindet er als extrem unfair. Festgelegte Preise und Vergütungen seien „der Grund, dass Apotheken vor Ort funktionieren“, sagt er. „Sonst würden 50 Prozent nicht mehr existieren.“ Und das würde dann auch den Gesundheitsauftrag in der Fläche gefährden, den er so beschreibt: „Wer akut erkrankt ist, bekommt sein Medikament sofort – und zwar von qualifiziertem Fachpersonal, das sich die Verschreibung noch einmal anschaut.“ Neben kompetenten, freundlichen Mitarbeitern und einem ansprechenden Sortiment seien für die Zukunft die gesetzlichen Rahmenbedingungen entscheidend: „Apotheken wird es immer geben, die Frage ist nur, in welcher Form.“

Was hat die apotheke für eine bedeutung in der wirtschaft

Fragt man Verbandsvertreterin Friederike Habighorst-Klemm nach der Situation selbstständiger Apothekenleiterinnen und -leiter, sagt sie: „Momentan ist viel Sand im Getriebe.“ Als Stichworte nennt sie zum einen problematische Lieferengpässe für bestimmte Medikamente, die aus Kostengründen von nur einem Hersteller in meist asiatischen Produktionsanlagen hergestellt würden. Zum anderen mache der Ärztemangel auf dem Land den Apotheken vor Ort zu schaffen. Auch sie nennt die Konkurrenz durch europäische Versandapotheken. Und schließlich reichten die festgeschriebenen Apotheker-Honorare für rezeptpflichtige Medikamente immer weniger aus, sagt Habighorst-Klemm: „Oft trägt sich das nur durch eine Mischkalkulation mit Produkten aus dem frei verkäuflichen Bereich.“

Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ist die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland von 21.602 im Jahr 2008 auf 19.423 Ende 2018 gesunken. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Baden-Württemberg 2.450 Apotheken, damit lag ihre Dichte etwas unter dem Bundesdurchschnitt. Im Südwesten ist die Entwicklung allerdings uneinheitlich, wie IHK-Zahlen zeigen (siehe Kasten auf Seite 10): Während im ländlich geprägten Kammerbezirk Schwarzwald-Baar-Heuberg viele Apotheken verschwunden sind, hat ihre Zahl am südlichen Oberrhein, Hochrhein und Bodensee sogar zugenommen.

Im Sommer 2019 hat das Bundeskabinett auf die insgesamt sinkenden Zahlen reagiert und ein „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ beschlossen. Es soll unter anderem ausländischen Versandapotheken Rabatte auf rezeptpflichtige Medikamente untersagen. Außerdem sieht es mehr Geld für Nachtdienste und neue Dienstleistungen wie etwa Grippeschutzimpfungen durch Apotheker vor. Gegen das Rabattverbot regen sich allerdings europarechtliche Bedenken; ob und wann das Gesetz tatsächlich kommt, ist bisher offen.

Was hat die apotheke für eine bedeutung in der wirtschaft

qualifiziertem Fachpersonal beraten lassen – ohne einen Termin auszumachen und ein Honorar zu zahlen“, sagt Gernot Roth. Er leitet die Häfnet- und die Merian-Apotheke in Steinen im Wiesental, Landkreis Lörrach. Mehrmals pro Woche verweigere er die Ausgabe von Medikamenten oder halte vorher Rücksprache mit Ärzten, weil die Verschreibungen unklar seien oder zu Wechselwirkungen führen könnten. Diese Stärke des Gesundheitssystems sieht er bereits in Gefahr, gerade im ländlichen Bereich: „Seit etwa zehn Jahren ist die Branche unter Druck geraten, der staatliche Sparwille schlägt inzwischen auch auf die Versorgungssicherheit durch.“ Das zeigten nicht nur die Lieferengpässe bei Medikamenten, sondern auch die seiner Ansicht nach nicht ausreichenden Vergütungen.
Das Apotheker-Honorar für ein verschreibungspflichtiges Medikament setzt sich aus einem Festbetrag und drei Prozent des Einkaufspreises minus einem Krankenkassenrabatt zusammen. Für ein Rezept über eine 100 Euro teure Arznei zum Beispiel erhält ein Apotheker eine Vergütung von 9,06 Euro, plus 16 Cent für einen Nacht- und Notdienstfonds. Wenn immer mehr Hausärzte auf dem Land aufgäben und gleichzeitig die Konkurrenz der Versandapotheken wachse, bleibe für die Apotheke auf dem Dorf nur noch die Not- und Akutversorgung, sagt Roth: „Nachtdienste kann man ja nicht downloaden.“ Dafür sei der Betrieb einer Apotheke aber zu teuer und die gesetzliche Vergütung zu niedrig. Apotheker erschlössen sich zwar längst neue Einnahmequellen, eine Mitarbeiterin von ihm sei zum Beispiel zusätzlich Visagistin und Kosmetikerin. Doch entscheidend bleibe das Kerngeschäft mit Medikamenten: „Man muss uns einen gewissen Umsatz lassen – sonst funktioniert das System nicht.“

Verstärke sich das Apothekensterben, könne es wie der Ärztemangel auch zu einem Standortnachteil etwa bei der Suche nach Fachkräften werden, sagt Philipp Hilsenbek, Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. „Wenn eine Familie entscheidet, ob sie in eine bestimmte Region zieht, kann die Gesundheitsversorgung eine wichtige Rolle spielen.“ Hier sei Kreativität aller Akteure gefragt, um den ländlichen Raum zu stärken, die Ideen reichten von Prämienregelungen für Ärzte und Apotheker bis zu Genossenschaftsmodellen mit angestellten Ärzten. „Der Wettbewerb ist da, man kann sich ihm nicht entziehen – man muss sich aber auch nicht verstecken“, sagt er. „Die Kernkompetenz der Apotheken liegt in Beratung und Orientierung vor Ort, Herausforderungen wie die Digitalisierung bieten auch die Chance, hier neue Wege zu gehen.“

Was hat die apotheke für eine bedeutung in der wirtschaft

Oliver Oehrle ist schon dabei. Es ist später Vormittag in der Paracelsus-Apotheke, an jedem Verkaufsplatz der langen Theke sind Mitarbeiter in Gesprächen mit Kunden. Die Apotheke liegt im Erdgeschoss eines Ärztehauses am Marktplatz von Spaichingen (Landkreis Tuttlingen), Oehrle leitet sie und zwei Spaichinger Filialen gemeinsam mit seinem Vater, sie haben rund 40 Angestellte. Seine beiden Eltern sind Apotheker, seine Frau ebenfalls. Seit Ende vorigen Jahres nehmen Oehrles Apotheken an einem Pilotprojekt des Landes zum digitalen E-Rezept teil.

„Ich beschäftige mich gerne mit dem Thema Digitalisierung – auch wenn es viel Zeit kostet“, sagt Oehrle, der zusätzlich zum Pharmaziestudium noch ein Fernstudium in Gesundheitsökonomie absolviert hat. Bisher funktioniert das E-Rezept nur in Verbindung mit einer Onlinesprechstunde, in der ein Arzt über die App „Docdirekt“ einen Patienten berät und ihm anschließend einen elektronischen Schlüssel für ein Rezept aufs Handy schickt. Den kann der Patient dann an die Apotheke weiterleiten und sein Medikament dort abholen oder es sich per Bote bringen lassen.

„Das ist natürlich noch eine Nische“, sagt Oehrle, „aber wir können uns die Digitalisierung künftig zunutze machen.“ Sie sei ein Baustein, um die Stärken der Apotheken vor Ort auch in Zukunft zu nutzen. Auch ihn ärgere der „unfaire Wettbewerb“, wie er es nennt, mit den Versandapotheken. Dennoch scheue er die Konkurrenz nicht, sagt er selbstbewusst: „Wir können alles, was die Versandapotheke kann, inklusive Botendienst.“ Dazu komme gegebenenfalls noch eine Beratung an der Haustür. Und einen weiteren wichtigen Vorteil der Vor-Ort-Apotheken nennt Oehrle: „Hier kennen uns die Leute. Und wir kennen sie.“

Text: Thomas Goebel
Bilder: omar – Adobe Stock, ollo/Montage: Falkenstein, LAV/BW und Thomas Goebel

Zahlen

IHK-Bezirk Hochrhein-Bodensee
2009: 108 Apotheken
2019: 120 Apotheken

IHK-Bezirk Südlicher Oberrhein
2009: 194 Apotheken
2019: 264 Apotheken

IHK-Bezirk Schwarzwald-Baar-Heuberg
2009: 154 Apotheken
2019: 100 Apotheken

Welche Ziele verfolgt die Apotheke?

Die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln für jeden einzelnen Patienten steht im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Kundenzufriedenheit ohne jeden Abstrich und eine sehr hohe Kundenbindung sind das Ziel unserer Arbeit. Jeder Kunde soll die Apotheke zufriedener verlassen als es sie betreten hat.

Was für ein Unternehmen ist eine Apotheke?

Gleichzeitig sind die einzelnen Apotheken eigenständige Wirtschaftsunternehmen. Durch besondere Leistungen wie z.B. einen flächendeckenden Nacht- und Notdienstbereitschaft unterscheiden sich die Apotheken jedoch von anderen Einzelhändlern.

Was macht eine Apotheke aus?

Die Tätigkeit im Überblick. Apotheker/innen geben in der Apotheke Medikamente ab, verkaufen Medizin- und Pflegeprodukte und beraten Kunden sowie Angehörige medizinischer Berufe. Außerdem fertigen, entwickeln und prüfen sie Arzneimittel.

Ist eine Apotheke ein Geschäft?

Eine Apotheke ist kein normales Einzelhandelsgeschäft. Der Verkauf von Medikamenten ist mit einer hohen Verantwortung verbunden.