So ein tag so wunderschön wie heute text

Die Mainzer Hofsänger (Text: Walter Rothenburg)

So ein Tag, so wunderschön wie heute

Der Tag mit euch war wunderschön,
Wir sagen gern auf Wiedersehn
Und hoffen, dass auch euch gefiel,
Was wir gebracht in unserm Spiel.

Schau die bunten Sterne
Am Firmament hier stehn, [Variante: Am Narrenhimmel stehn,]
Ach, ich blieb' so gerne,
Doch leider muß ich gehn.

So ein Tag, so wunderschön wie heute,
So ein Tag, der dürfte nie vergehn.
So ein Tag, auf den man sich so freute,
Und wer weiß, wann wir uns wiedersehn.

Ach wie bald entschwinden frohe Stunden, [Ach wie bald ist wieder Aschermittwoch,]
Und die Tage im Wind verwehn.
So ein Tag, auf den man sich so freute,
Und wer weiß, wann wir uns wiedersehn.

Ach wie bald entschwinden frohe Stunden
Und die Tage im Wind verwehn.
So ein Tag, so wunderschön wie heute,
So ein Tag, der dürfte nie vergehn.

Fürwahr kein Lied für Goethes komischen Zausel, der bei seiner berühmten Wette mit dem Teufel (Studierzimmerszene) folgende Bedingung für die Niederlage formulierte:

Werd‘ ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!

Faust gibt sich in diesen Versen als der Gierschlund zu erkennen, der er ist: ein Action-Junkie, der seinen Hals nie voll bekommt. Kaum ist das eine Begehren gestillt, geht es weiter. Als Konsument ein Superheld des Turbo-Kapitalismus, im Grunde aber doch nur ein unglücklicher Tropf! Wer So ein Tag, so wunderschön wie heute anstimmt oder mitsingt, ist dagegen in aller Regel höchst zufrieden mit sich und der Welt, nein, mehr als zufrieden – der ist glücklich (oder tut wenigstens so)! Er ist nicht nur einfach glücklich, sondern er weiß das auch und er weiß diesen Zustand zu schätzen. Er freut sich über sein momentanes Glückserlebnis nicht zuletzt deshalb, weil er dessen Fragilität nur zu genau kennt; mehr noch: Im Bewusstsein der Singenden mindert die Vergänglichkeit des schönen Augenblicks dessen Wert nicht, sondern steigert sie noch.

Unser Loblied auf den ,wunderschönen Tag‘ singt man nicht für sich allein, normaler Weise auch nicht zu zweit, ja nicht einmal zu dritt oder viert: Es braucht schon ein ansehnliches ,Kollektiv‘ – eine größere Geburtstagsrunde, einen Festsaal oder womöglich ein volles Fußballstadion –, das gemeinsam das Glück des Moments empfindet und diesem Gefühl auch gemeinsam Ausdruck geben will, um sich des gemeinsamen Glücks-Bewusstseins zu versichern, den schönen Augenblick im Gesang noch ein wenig länger festzuhalten und vielleicht auch für die Erinnerung zu speichern.

Die Mitglieder solcher Kollektive können miteinander bekannt, ja sogar befreundet sein, doch ist das keine zwingende Voraussetzung, wie das Beispiel der Fußball-Fans zeigt. Wichtiger als eine vorgängige Verbindung ist die spontan einsetzende ,Verschwisterung‘ (ich schreibe bewusst nicht ,Verbrüderung‘), die während des Singens dieser Glücks-Hymne zwischen den Mitsingenden erfolgt. Zur Abrundung des perfekten Tages fehlt nun nur noch der Topos, dass sich ,wildfremde Leute in die Armen fallen‘. Wir haben im deutschen Sprachraum eine Reihe ähnlicher Lieder, die ebenfalls positive Befindlichkeiten von Kollektiven artikulieren und Prozesse spontaner Vergemeinschaftung unterstützen: Ich erinnere nur an Schillers/Beethovens Ode An die Freude, das Weihnachtslied O du fröhliche, Julis Perfekte Welle oder, ganz eng bei unserem Lied, Tage wie diese von den Toten Hosen. Es bräuchte einen eigenen ethnologischen Essay, die – manchmal nur recht feinen – pragmatischen Differenzen all dieser Lieder zu klären. Sehr grob kann man vielleicht sagen, dass So ein Tag, so wunderschön wie heute ohne Symphonieorchester und das staatstragende Pathos von Schillers Ode, ohne einschränkende Bezüge auf eine religiöse Botschaft bzw. ein spezielles jugendliches Milieu und mit deutlich weniger Alkohol als das Glückslied der Hosen auskommt. Wenn es anlässlich großer Siege in Fußballstadien zelebriert wird, fehlt ihm der Gestus des Triumphs (wie bei We are the Champions von Queen), im karnevalistischen Kontext evoziert es eher Tränen der Rührung als solche des Lachens. Auf alle Fälle ist es das mit Abstand beliebteste ,Stimmungslied‘ der Deutschen.

Auch deshalb gehört es zu karnevalistischen Festen und wegen seiner Wehmut angesichts der Vergänglichkeit aller schönen Dinge von der Dramaturgie her natürlich an deren Ende. Die Veranstalter närrischer Großveranstaltungen wussten und beherzigten dies schon seit den frühen 1950er Jahren, indem sie die großen Finale ihrer Bühnenshows bevorzugt mit diesem Lied einleiteten, das von Lotar Olias 1951 für den Auftritt der Mainzer Hofsänger für die kommende Saison komponiert worden ist (vgl. Walter Moßmann und Peter Schleunig: Alte und neue politische Lieder. Reinbek bei Hamburg 1978, S. 269). Es markiert im zeitlichen Kontinuum eines Festes jene Phase, in der die Hochstimmung ihren Gipfelpunkt erreicht und überschreitet. Die Teilnehmer denken bereits an Aufbruch, Abschied, Trennung, an ihre Rückkehr in den mehr oder minder grauen Alltag. Aus dieser Situation einer gewissen Distanz zum – bereits gehabten, aber immer noch emotional wärmenden, ja erregenden – Glücks-Erlebnis entsteht seine Reflexion. Diese Reflexion der abflutenden Freude führt zum Wunsch nach ewigwährender Verlängerung des glücklichen Moments bei gleichzeitigem Bewusstsein der Nicht-Realisierbarkeit dieses Begehrens.

Zur oben angesprochenen Verschwisterungs-Leistung dieses Liedes trägt sein Perspektivenwechsel bei. Die Sprecherinstanz wechselt zwischen einem (eher) kollektiven „wir“ (Refrain, 4. Zeile), einem individuellen „ich“ (2. Strophe) und einem unscharfen „man“ (Refrain, 3. Zeile), was aber insofern vernachlässigt werden kann, als Individuum und Kollektiv ersichtlich im Gleichtakt ,ticken‘. Der mehrfache Wechsel von kollektiver Stimme und individuellen Sprechern fügt sich bestens zum Vortrag des Liedes durch einen Chor mit Solisten, wie es die ,Mainzer Hofsänger‘ jahrzehntelang ihrem Publikum vorgemacht haben. Mitglieder des Mainzer Konservatoriums hatten sich 1926 zu einem karnevalistischen Spaßchor zusammengefunden, der die Prunksitzungen lokaler Fassenachts-Vereine mit seinen Beiträgen bereicherte. Von 1952 an hatten die Hofsänger So ein Tag, so wunderschön wie heute in ihrem Programm, das ab 1955, mit Beginn der Fernsehübertragungen der großen Mainzer Prunksitzung Mainz wie es singt und lacht (ab 1973 unter dem Titel „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“), dann auch deutschlandweit ausgestrahlt wurde.

Der Titel wurde von Walter Rothenburg getextet, die Melodie hatte, wie oben schon erwähnt, Lotar Olias beigesteuert. Inwieweit sich Olias dafür von der Melodie der Internationale inspirieren ließ (so die These von Moßmann/Schleunig, s.o., S. 270), wage ich nicht zu beurteilen. Rotenburg (1889-1975) war eine mehr als schillernde Persönlichkeit im deutschen Unterhaltungsgeschäft: Der gebürtige Hamburger hatte seinen ersten Beruf bei der deutschen Kriegsmarine gefunden, in den zwanziger und dreißiger Jahren kannte man ihn als einen bedeutenden Boxpromoter, gleichzeitig betätigte er sich aber auch als freier Schriftsteller und Liedtexter. So stammt beispielsweise der Text von Freddys Junge, komm bald wieder ebenso aus seiner Feder wie der große Karnevalsschlager Oh, wie ist das schön.

Lotar Olias (1913-1990) war ebenfalls kein Unbekannter im Schlager- und Filmgeschäft der Nachkriegszeit; er textete und komponierte damals recht erfolgreich. Da sich Olias im Dritten Reich mächtig exponiert hatte, stand er nach dem Krieg zunächst im Abseits der Unterhaltungsbranche. Ab 1949 ging es für ihn dann aber wieder deutlich voran, bis in die mittleren 1960er Jahre komponierte er praktisch jedes Jahr gleich für mehrere Filme. So ein Tag, so wunderschön wie heute wurde 1954 in dem Unterhaltungsfilm Geld aus Luft (Regie: Géza von Cziffra, Sängerin: Lonny Kellner) eingebaut. Beim gebürtigen Königsberger und späteren Hamburger Olias gibt es, ähnlich wie bei Walter Rothenburg, eine auffällige Affinität zu Fernweh-Produktionen, bei denen Freddy Quinn als Schauspieler bzw. Sänger beteiligt war.

Hans-Peter Ecker, Bamberg