Mein gott mein gott warum hast du mich verlassen

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Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: "Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46)

Als ich vor 19 oder 20 Jahren zum ersten Mal in der Matthäuskirche an einem Karfreitagsgottesdienst teilnahm, war ich bass erstaunt: Die Kirche war voll. Nun ja, nicht ganz, aber doch recht gut gefüllt. Ich hatte erwartet, dass an einem solch traurigen Tag, wo es um Sünde und Sühnopfer ging, nur die ganz treuen Kirchgänger da sein würden. Die, die immer da sind. Aber es waren wirklich viele Gemeindeglieder da, auch solche, die man sonst eher selten sieht. Warum?

Damals erklärte ich es mir so – und ich habe bis heute keine bessere Erklärung gefunden –, dass die Menschen, die an diesem Tag in die Kirche gekommen waren, tief in ihrem Inneren spürten, dass es Dinge in ihrem Leben gibt, die nicht in Ordnung sind, die sie selbst auch nicht wieder in Ordnung würden bringen können. Und Karfreitag ist vielleicht so ein Tag, an dem man das alles mal loswerden kann, den Ballast der ungesühnten Schuld abwerfen kann, weil er einem auch wirklich abgenommen wird. Vielleicht braucht man das dann bei aller modernen Abgeklärtheit doch ab und zu, dass einem das gesagt wird: „Dir sind deine Sünden vergeben.“ Aber was hat das mit dem Tod Jesu am Kreuz zu tun? War das etwa wirklich Gottes Plan und Absicht?

Viele Menschen heute hadern mit dem Gedanken, dass Gott so grausam sein könnte, seinen Sohn zu opfern als ein Sühnopfer für die Menschen. Und wenn man auf Jesu Ende sieht, wie er elend und verlassen am Kreuz hängt und schreiend betet: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, dann sieht es nicht wirklich nach einem guten Plan aus.

Sicher fragten sich auch Jesu Anhänger später: Welchen Sinn hatte das ganze eigentlich? In der religiösen Sprach- und Vorstellungswelt des Alten Testaments fanden sie keine bessere Erklärung als die, die sie vom Versöhnungstag, dem Jom Kippur, her kannten: Dass nämlich das Volk von seinen Sünden befreit wird dadurch, dass ein Opfertier getötet wird und dass die Sünden des ganzen Volkes einem Bock auferlegt werden, der dann in die Wüste gejagt wird, der sprichwörtliche Sündenbock. Wenn Jesu Tod nicht sinnlos gewesen sein sollte, war es da nicht naheliegend, in ihm das „Lamm“ zu erkennen, „das zur Schlachtbank geführt wird“ (Jes 53,7): „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jes 53,5) Von wem sollte da sonst die Rede sein, wenn nicht von Jesus? So bekam das ganze einen Sinn.

In diesem Jahr sind die Kirchen am Karfreitag leer, die meisten sind, so wie unsere Matthäuskirche, geschlossen. Viele Menschen fühlen sich alleingelassen, manche leiden auch, weil sie schwer erkrankt sind. Ihnen bleibt ihn dieser Stunde vielleicht nur das Gebet, das auch Jesus gesprochen hat: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.“ (Psalm 22,2) Weil Jesus so beten konnte, kann man sich auf diese Weise ihm verbunden fühlen: „Aber du, Herr, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen.“ (Psalm 22,20)

(FN)

Ausmalbild: „Die Kreuzigung Jesu.“ Holzschnitt von Paula Jordan, mit freundlicher Genehmigung des Concordia-Verlags Zwickau (https://concordiabuch.buchkatalog.de)

Wenn es sich bei dem „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ um den Beginn des Psalms 22 handelt, dann kann man natürlich nicht erwarten, dass Jesus am Kreuz den gesamten Psalm vorträgt. Aber der Psalm bleibt, wie viele Psalmen, nicht bei der ersten Hälfte stehen, sondern schlägt ab Vers 23 in das Gegenteil um, nämlich in das Vertrauen auf Gott.


Deshalb muss man den Bezug auf Psalm 22 so lesen, dass auch die zweite Hälfte des Psalms mitgemeint ist und Jesus in vollem Vertrauen auf das Wort Gottes stirbt. Er weiß dass wir durch unseren Glauben immer in der Gemeinschaft mit Gott sind, egal ob es uns gut oder schlecht geht und über den Tod hinaus in der Liebe Gottes sind.

Auslegung 2 von Pater Peter Knauer SJ:

Hierzu lesen wir im Markusevangelium 15,33-41:

Der Tod Jesu

33 Als die sechste Stunde kam, brach eine Finsternis über das ganze Land herein - bis zur neunten Stunde.

34 Und in der neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloï, Eloï, lema sabachtani?, das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

35 Einige von denen, die dabei standen und es hörten, sagten: Hört, er ruft nach Elija!

36 Einer lief hin, tauchte einen Schwamm in Essig, steckte ihn auf ein Rohr und gab Jesus zu trinken. Dabei sagte er: Lasst, wir wollen sehen, ob Elija kommt und ihn herabnimmt.

37 Jesus aber schrie mit lauter Stimme. Dann hauchte er den Geist aus.

38 Da riss der Vorhang im Tempel in zwei Teile von oben bis unten.

39 Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.

40 Auch einige Frauen sahen von weitem zu, darunter Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus dem Kleinen und Joses, sowie Salome;

41 sie waren Jesus schon in Galiläa nachgefolgt und hatten ihm gedient. Noch viele andere Frauen waren dabei, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen waren.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Bei dem auf aramäisch so beginnenden Psalm 22 ist es schwierig zu verstehen, warum diese Worte von den umstehenden als Ruf nach Elija gedeutet wurde (Mk 15,35).
Dies wird nur von seiner hebräischen Fassung verständlich. Diese Fassung ist die Grundlage von Mt 27,46 :
46 Um die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Der Psalm 22 enthält in Vers 11 (siehe Tabelle) in seiner hebräischen Fassung das Wort (in Lautschrift)
[eli attá] = „mein Gott du“, oder „du bist mein Gott“. Dies hört sich an wie aramäisch [elija ta] = „Elija, komm!“.

(zum Vergleich 1 Kor 16,22:  22 Wer den Herrn nicht liebt, sei verflucht! Marána thá - Unser Herr, komm!)

Lukas schreibt in seinem Evangelium in 23,46:
46 Und Jesus rief mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Mit diesen Worten hauchte er den Geist aus.
und zitiert damit den Psalm 31,6:
6 In deine Hand lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du Gott der Treue.

Auch dieser Psalm 31 enthält in Vers 15 das [eli attá]:
15 Ich aber, HERR, ich habe dir vertraut, ich habe gesagt: Mein Gott bist du.

Auch Psalm 63, dessen Beginn in Johannes 19,28 zitiert wird, enthält in Vers 2 das [eli attá]
Psalm 63:
2 Gott, du mein Gott, dich suche ich, /meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib / wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser.
Joh 19,28
28 Danach, da Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: Mich dürstet.

So war mit großer historischer Wahrscheinlichkeit, auch wegen der extremen Atemnot des Gekreuzigten, das bloße „Eli attá“ Jesu letzter Ruf. Er wird vom Evangelisten jeweils durch ein Zitat aus einem der wenigen Psalmen, in denen er vorkommt, ergänzt bzw. erläutert. Es handelt sich deshalb eher nicht um einen „Schrei der Verzweiflung“, wie man häufig zu meinen scheint, sondern um den Ausdruck letzten Vertrauens, eine Zusammenfassung des Glaubens.

Wo steht mein Gott warum hast du mich verlassen?

– 023.

Wie lautet der Psalm 22?

Ein Psalm Davids.] Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, / bist fern meinem Schreien, den Worten meiner Klage? Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; / ich rufe bei Nacht und finde doch keine Ruhe. Aber du bist heilig, / du thronst über dem Lobpreis Israels.

Was sagt Jesus am Kreuz?

Jesus ruft laut: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? “ (Mt 27,46). Hier tritt er in eine neue Dimension seiner tiefen Leiderfahrung ein. Von den Menschen wendet sich sein Blick nun auf Gott – auf Gott, der ihn verlassen hat.