Kinderlosenzuschlag wenn kinder erwachsen

Blogbeitrag von Hannah Wadephul, Vorsitzende des Landesverbandsgerichts, zur geplanten Erhöhung des "Kinderlosenzuschlags"

Aktuell wieder in aller Munde: Der so genannte ‚Kinderlosenzuschlag‘ in der sozialen Pflegeversicherung. Er soll von 0, 25% auf 0, 35% des Bruttogehaltes erhöht werden. Das klingt erst einmal nach ‚nicht so viel‘, sorgt aber für emotionale und prinzipielle Diskussionen. Er betrifft Menschen, die sich in Diskussionsforen seriöser, überregionaler Zeitungen als die „Melkkuh der Nation“ bezeichnen; das sind ungewollt Kinderlose oder junge Menschen, die einfach ‚noch‘ keine Kinder bekommen möchten. Die Gründe für die Kinderlosigkeit sind dem 2005 eingeführten ‚Kinderberücksichtigungsgesetz‘ jedoch schlicht egal. 

Zunächst möchte ich einen Blick auf den Ursprung dieser Regelung werfen. Der Gesetzgeber hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt: Fühlen sich heute Menschen angegriffen, die den Zuschlag zahlen, wehrten sich damals Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit Kindern dagegen, ebenso hoch belastet zu werden, wie Mitglieder ohne Kinder. Eltern sollten also entlastet werden. Berechtigterweise, denn sie leisten mit ihren Kindern einen Beitrag für das System: Als zukünftige Einzahler, aber eben auch als zukünftig Pflegende oder zumindest Unterstützende ihrer eigenen Eltern – der aktuellen Beitragszahler. Auch mein (geringer) Zuschlag wird wohl kaum an das herankommen, was Eltern in ihre Kinder investieren: monetär und emotional. Damit möchte ich sagen: Ich stelle das System an sich nicht in Frage. Ich stelle auch nicht in Frage, dass Kinderlose wohl mehr zahlen müssen. Ich stelle aber das ‚wann‘ in Frage. 

Der Zuschlag wird gezahlt von Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung ab 23 Jahren. Dabei ist es egal, ob ich mich als Studentin selbst krankenversichere und mich damit noch ‚mitten in der Ausbildung‘ befinde oder ob ich gerade nach meiner abgeschlossenen Ausbildung in das Berufsleben gestartet bin: Es kommt schlicht nicht auf die Gründe an. Wenn ich mich aber in meinem sozialen Umfeld umschaue, dann hat kaum eine oder einer mit 23 Jahren ein Kind bekommen – anders als vor 40 Jahren vielleicht. Die Gesellschaft erwartet doch vielmehr, dass junge Frauen und Männer erst einmal im Beruf durchstarten oder zumindest ihre Ausbildung beenden, bevor sie eine Familie gründen. Die Realität ist, dass Frauen durchschnittlich mit ca. 30 Jahren ihr erstes Kind bekommen. Es besteht also eine Diskrepanz zwischen der festgelegten Altersgrenze und dem durchschnittlichen Alter, in dem eine Familie gegründet wird. 

Inkonsequent handelt der Gesetzgeber, wenn er zwar einen von mindestens 23-jährigen Kinderlosen einen Zuschlag für die soziale Pflegeversicherung erhebt, aber erst mit vollendetem 25. Lebensjahr ein Anspruch auf Leistungen einer Kinderwunschbehandlung besteht. Wenn der Gesetzgeber die Altersgrenze (entsprechend der Altersgrenze für die Familienversicherung, ab der diese für nicht erwerbstätige junge Erwachsene in der Regel endet) mit Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung begründet, dann genügt das nicht für eine zufriedenstellende Rechtfertigung. 

Während  der Kinderlosenzuschlag für Mutter, Vater, Stiefmutter und Stiefvater ein und desselben Kindes ein Leben lang entfällt, zahlen Kinderlose regelmäßig Jahre vor Familiengründung einen höheren Pflegeversicherungsbeitrag. Gerade in der Zeit, in der man sich ein Fundament baut, auf dem man seine Familie – auch finanziell – gründet. 

„Das ist doch ungerecht!“, „Unfair!“ und ähnliches hilft hier nicht weiter – auch wenn mir das selbst sofort in den Kopf schießt. Solidarität erfordert Gerechtigkeit im großen Ganzen. Der Zuschlag oder vielmehr die Entlastung für Eltern, die viel leisten und in unser Sozialsystem investieren, ist berechtigt. Aber ich wünsche mir, dass die Altersgrenze des Zuschlages an gesellschaftliche Realitäten angepasst wird, beispielsweise auf die Vollendung des 25. Lebensjahres angehoben wird, und der Kreis der Privilegierten kritisch in den Blick genommen wird.

Wenn Sie keine Kinder haben und älter sind als 23 Jahre, müssen Sie seit Januar 2005 mehr Pflegeversicherung bezahlen. Der Zusatzbeitrag für Kinderlose beträgt 0,25 Prozent. Am Zuschlag von 0,25 Prozentpunkten für Kinderlose werden die Arbeitgeber nicht beteiligt (§ 55 Absatz 3 SGB XI).

Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung beträgt somit für Kinderlose im Jahr 2019 1,775% (Sachsen: 2,275%).

Beitragssatz zur Pflegeversicherung 2021 ArbeitgeberanteilArbeitnehmeranteilZuschlag für KinderloseAlle Bundesländer außer Sachsen1,525%1,525%0,25%Sachsen1,025%2,025%0,25%

Den Beitragszuschlag zahlen nur Kinderlose ab 23 Jahren, nicht aber leibliche Eltern und Pflegeeltern. Das gilt auch für Adoptiv- und Stiefeltern. Adoptiv- und Stiefeltern müssen allerdings die Elternschaft übernommen und mit dem Kind in einem Haushalt gelebt haben, solange ihr Kind die Altersgrenzen für die Familienversicherung noch nicht überschritten hatte.

Wie viel ist Kinderlosenzuschlag?

Seit dem 1. Januar 2022 beträgt der Beitragszuschlag für Kinderlose 0,35 Prozent. Ausgenommen sind nur kinderlose Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1940 geboren sind, Mitglieder bis zur Vollendung des 23.

Wann zahlt man keine Pflegeversicherung?

Für die soziale Pflegeversicherung gilt die gleiche Beitragsbemessungsgrenze wie für die gesetzliche Krankenversicherung. Im Jahr 2022 liegt diese Einkommensgrenze, bis zu der Einnahmen für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge herangezogen werden, bei 58.050 Euro im Jahr (4.837,50 Euro monatlich).

Warum sollen Kinderlose mehr zahlen?

Kinderlose zahlen für die Pflegepflichtversicherung einen höheren Beitrag als Menschen mit Kindern. Dies wird damit begründet, dass Kinder das umlagefinanzierte Sozialversicherungssystem ermöglichen. Adoptiv- und Stiefkinder sind hier leiblichen Kindern gleichgestellt.