Eltern allein zu haus frau busche

Ann-Kathrin Kramer (Sabine Schröder)Walter Sittler (Matthias Winter)Anna Schudt (Katrin Busche)Harald Krassnitzer (Bernd Schröder)Christina Große (Dr. Merz)Susanna Simon (Tanja Winter)Dominic Raacke (Dr. Thomas Wichers)Oliver Mommsen (Daniel Busche)Sven Gielnik (Eric)Tim Bergmann (Stefan Hartmann)Silja Von Kriegstein (Julia)Anton Rubtsov (Max)Patrick Mölleken (Jan Schröder)Andreas Windhuis (Herr Wilms)Walter Kreye (Hans Schütte)Birge SchadeBernd-Christian AlthoffSinje Irslinger (Marie Winter)

F�rs Patchworkfamilienalbum: Familie Busche. Katrin (Anna Schudt) und ihr Sohn Eric (Sven Gielnik), ihr Ex-Mann Daniel (Oliver Mommsen), seine neue Frau Julia (Silja von Kriegstein) mit ihrer gemeinsamen Tochter (Valeria/Veronika Zismann)

M�dchen f�r alle(s), Mutter, Gesch�ftsfrau und immer noch Single
Katrin Busche (Anna Schudt) hat das, was anderen Eltern, deren Kinder nach dem Abi fl�gge werden, noch bevorsteht, schon ein paar Jahre hinter sich. Sie ist l�ngst geschieden. Ihr Ex-Mann Daniel (Oliver Mommsen) hatte sich von ihr getrennt, um mit einer anderen Frau (Silja von Kriegsstein) eine Familie zu gr�nden. Das Verh�ltnis zwischen dem ehemaligen Paar ist einigerma�en freundschaftlich. Schon allein der gemeinsame Sohn Eric (Sven Gielnik) zwingt die beiden zur Vernunft. Doch nun ist dieser aus dem Haus – und Daniel m�chte sein idyllisches Stadth�uschen verkaufen, das er seiner allein erziehenden Ex-Frau mietfrei die letzten Jahre �berlassen hatte. Seine neue Partnerin ist das zweite Mal schwanger, und er braucht dringend das Geld, damit sie sich eine gr��ere Wohnung leisten k�nnen. Katrin kommt das alles reichlich ungelegen, hat sie derzeit doch gen�gend Baustellen: Sie steht kurz vor der Er�ffnung ihrer eigenen physiotherapeutischen Praxis, au�erdem muss sie sich mehr als ihr lieb ist um ihren Vater (Walter Kreye) k�mmern, dem ein Unfall nach dem anderen passiert. Und dann ist da noch dieser sympathische Anwalt Stefan Hartmann (Tim Bergmann), der ihr nicht aus dem Kopf geht. Dass er der Ehemann einer Patientin ist, der Paartherapeutin Sybille Merz (Christina Gro�e), wei� sie noch nicht einmal. Und als dann ihr Sohn Eric mit seiner Freundin Mia (Sonja Bruns) pl�tzlich wieder in Hamburg auftaucht, sind weitere Turbulenzen vorprogrammiert. Da ger�t der Verkauf des H�uschens bald an die hinterste Stelle – und Katrins Ex-Ehemann muss einsehen, dass nun er an der Reihe ist.

Eltern allein zu haus frau busche

Foto: Degeto / Georges Pauly

Gerade erst in Richtung D�nemark verabschiedet, steht Eric (Sven Gielnik) mit seiner schwangeren Freundin Mia (Sonja Bruns) schon wieder in Hamburg auf der Matte.

Fl�ssig & schl�ssig: eine F�lle an Figuren, eine Vielfalt an Problemen
Wenn die Kinder das Haus verlassen, beginnt auch f�r die Eltern ein neuer Lebensabschnitt. Die Trilogie „Eltern allein zu Haus“ erz�hlt von Beziehungen auf dem Pr�fstand, von eingeschlafenen Gef�hlen, von Ehen, bei denen „Reparaturen“ zu sp�t kommen oder noch etwas zu retten ist, von amour�sen Neuanf�ngen und die dritte Episode um eine patente Single-Mutter insbesondere davon, dass Eltern auch Eltern bleiben, selbst wenn sie l�ngst geschieden und ihre Kinder (fast) erwachsen sind. F�r „Frau Busche“ begibt sich Nina Bohlmann, die die Drehb�cher zu allen drei Filmen geschrieben hat, in den Mikrokosmos einer Patchwork-Familie. Da sind zwei, die schneller sind als andere Paare und ihre Beziehung nicht jahrelang aussitzen. Die Busches wirken wie Prototypen des modernen Gro�stadtmenschen, selbstst�ndig, flexibel, unabh�ngig. Doch mit der Unabh�ngigkeit ist das so eine Sache. Wer Beziehungen eingeht, wer Kinder hat, der hat auch Verpflichtungen. Der Film von Josh Broecker, der auch „Die Schr�ders“ und „Die Winters“ inszeniert hat, bringt das alles schl�ssig und erz�hlerisch fl�ssig auf den Punkt. Man hat nie den Eindruck, als wolle der Film nur seine Themen abhaken. In diesem Sinne ist die F�lle an Figuren und die Vielfalt an Problemen, die hier vor allem spielerisch ins Feld gezogen werden, hilfreich. „Interaktion“, ohnehin das dramaturgische Funktionsprinzip Nummer eins dieser lebensklugen Unterhaltungsfilm-Trilogie, spielt in „Frau Busche“ auch in den Geschichten die ganz zentrale Rolle. Die vielen Baustellen, die allseitige Vernetzung, machen das Leben der Titelfigur nicht nur kompliziert, sondern auch schwierig. Sie muss sich „rausnehmen“, um von der Gemeinschaft nicht erdr�ckt und um am eigenen Leben nicht gehindert zu werden.

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Foto: Degeto / Georges Pauly

Bei der Abi-Feier hat die Paartherapeutin Frau Dr. Merz (Christina Gro�e) Katrin Busche (Anna Schudt) noch prophezeit, dass sie sich schon bald nach "frisch gestrandeten" M�nnern umschauen k�nne. Jetzt hat sie einen an der Angel – doch der ist noch verheiratet und (was beide nicht wissen) der Mann von der Merz...

Soundtrack: John Brion ("Knock Yourself Out"), Charles Trenet ("La mer")

Dramaturgisch dicht, temporeich, kluge Interaktion & der Alltag steht Pate
Die Figur Katrin Busche ist das Herzst�ck dieser Episode, die man wie die beiden anderen als Dram�die bezeichnen k�nnte, aber ebenso gut auch als Beziehungskom�die. „Frau Busche“ wirkt spielerischer, dramaturgisch dichter (auch deshalb, weil man die �berschneidungen der drei Geschichten nun vollst�ndig entschl�sseln kann), der Film besitzt auch ein h�heres Tempo als seine Vorg�nger und baut sogar ein paar Slapstick-Momente ein. Autorin Bohlmann versteht es, die vielen Geschichten und Subplots wunderbar zu strukturieren, sie nicht einfach aneinanderzureihen, wie es Kom�dien viel zu oft tun, sondern sie alltagsnah erscheinen zu lassen und zugleich spannungsdramaturgisch clever zu kombinieren. Da glaubt man, jetzt gibt es gleich den gro�en Beziehungsknall, als sich bei der Praxis-Er�ffnung der Ex, der neue Geliebte und dessen Frau die Klinke in die Hand geben, doch elegant und emotional effektiv wird eine andere Aufl�sung gew�hlt. �ber das konkret Erz�hlte hinaus entsteht so ein durchdachtes Interaktionsnetz, in dem man sich als Zuschauer gern verf�ngt. Das liegt auch am Ton, den die Charaktere anschlagen, den Dialogen und wie sie von den Schauspielern „gesprochen“ werden. W�hrend Sittlers Figur in „Die Winters“ zur Karikatur neigt und Krassnitzers �berzeugend gespielter Ehemann alter Pr�gung in seiner Ignoranz f�r den aufgekl�rten Zuschauer – zumindest „gef�hlt“ – eine Klischeefigur ist, wirken die Hauptfiguren von „Frau Busche“, bei aller Ausgedachtheit wie aus dem Leben gegriffen, authentisch, alltagsnah, w�hrend sich das Kom�dienhafte aus den Situationen ergibt.

Eltern allein zu haus frau busche

Foto: Degeto / Georges Pauly

"Frau Busche" ist der frischeste und modernste Film der Trilogie. Die Figuren bewegen sich auf dem Zeithorizont, sind weder verstaubte Intellektuelle wie "Herr Winter" noch Ehepartner nach dem alten Schlag – sprich: Rollenverst�ndnis – wie in "Die Schr�ders". Und auch ein bisschen Slapstick darf sein. Mommsen und Schudt

Der Trilogie-Faktor: die „gemeinsamen“ Szenen der drei Filme
„Eltern allein zu Haus“ sind drei Einzelst�cke, angesiedelt zwischen Kom�die & Dram�die, die nicht thematisch zusammengeh�ren und deren Geschichten auch konkret korrespondieren. So gibt es mehrere Szenen, beispielsweise die Abi-Feier, das Treffen in einem Konzert, im Fitnesscenter oder des �fteren im Krankenhaus, in denen Charaktere aller drei Filme sich begegnen. Die Perspektive wird jeweils bestimmt von den Titelgebern. Bei „Die Schr�ders“ registriert man den Trilogie-Faktor interessiert, bei „Die Winters“ sind die sich �berschneidenden Szenen schon ein bisschen aufschlussreicher und im dritten Film, „Frau Busche“, lassen sich dann auch die letzten dezenten Fragezeichen beantworten. Diese gef�hlten zehn, zw�lf „gemeinsamen“ Minuten eines jeden Films sind ein spielerischer Mehrwert f�r den Zuschauer. Wer nur eine Episode sieht, mag zwar etwas „verpassen“, ist sich dessen aber nicht bewusst; unverst�ndliche Momente gibt es f�r den „Einzelt�ter“ jedenfalls nicht. Besonders f�r den Unterhaltungssendeplatz am ARD-Freitag, an dem als Reihe bisher allenfalls „Hotel Heidelberg“ �berzeugen konnte, ist diese Format- und Themenidee doppelt wertvoll. Und so gibt es bei allen drei Filmen f�r das kluge Degeto-Konzept einen halben ttv-Stern obendrauf!

Eltern allein zu haus frau busche

Foto: Degeto / Georges Pauly

Eine tragikomische und respektvolle Aufl�sung dieser "Ich liebe den Mann einer guten Bekannten"-Situation. Christina Gro�e, Anna Schudt und Tim Bergmann

Schudt, Mommsen, Gro�e und die Balance zwi-schen Alltagston & Drama
Anna Schudt, so scheint es, legt ihren Charakter nicht anders an als bei einer Drama-Rolle. Bei Oliver Mommsen ist das nicht anders – auch wenn dessen Spiel immer etwas angenehm Saloppes besitzt. �berhaupt ist die stimmige Balance zwischen Alltagston und Drama, zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit das gr��te Plus dieses Films. Dass Anna Schudt und die in dieser Episode etwas st�rker in den Vordergrund ger�ckte Christina Gro�e als Paartherapeutin die komplexeste Haupt- und die komplexeste Nebenrolle von „Eltern allein zu Haus“ inne haben, d�rfte kein Zufall sein, besitzen doch beide Schauspielerinnen – schaut man auf ihre bisherigen Filme – ein enormes Potenzial, was sich an der Bandbreite ihrer Rollen und auch an der emotionalen Bandbreite innerhalb einer Rolle ablesen l�sst. Schudt muss in „Die Busche“ viele soziale Rollen �bernehmen: Mutter, Ex-Frau, Tochter, Freundin, Liebhaberin, Gesch�ftsfrau. Jedes (falsche) L�cheln, jede ironische Spitze, jede grantige Bemerkung, jede besorgte Geste, jeder Vorwurf sitzt. Sch�n, dass auch das finale Aufeinandertreffen dieser beiden „Rivalinnen“, die l�ngst keine Rivalinnen mehr sind, leise, respektvoll und mit Mitgef�hl (und nicht mit einem Kom�dieneffekt) aufgel�st wird. Am Ende der Szene steht ein Satz, der tief blicken l�sst: „H�ttest du dir nicht einfach eine J�ngere suchen k�nnen – dann h�ttest du mir nicht so deutlich vor Augen gef�hrt, dass du vor allem was ganz anderes willst.“

Eltern allein zu haus frau busche

Foto: Degeto / Georges Pauly

Katrin (Anna Schudt) macht das schon; deshalb nehmen sie alle so gern in Beschlag. Doch irgendwann muss Frau Busche auch mal an sich selbst denken!

Einladung zur Selbsterkenntnis – spielerisch, hoffnungsfroh, unverkrampft
Alltagsn�he ist die Rezeptur dieser ARD-Trilogie. Damit besitzen ihre Geschichten f�r die meisten Zuschauer einen gro�en Wiedererkennungswert und eine au�erordentlich hohe Anschlussf�higkeit. Erfreulicherweise funktionieren die drei Filme nur bedingt �ber das Muster Sympathie/Antipathie. Statt dessen darf man als Betrachter den Protagonisten von h�herer Warte aus, mit launiger Distanz, bei ih-ren tragikomischen Kommunikationsproblemen zuschauen. Und dabei definiert weniger die Psychologie des Einzelnen als vielmehr das allgemeine Interaktionsmuster die Beziehung. �ber allen drei Episoden von „Eltern allein zu Haus“ steht die altbekannte Psychotherapeuten-Weisheit: Zu jeder Beziehungskrise geh�ren immer zwei. Wird auch keine der Figuren von vornherein disqualifiziert (am wenigsten in der Patchworkfamilienkom�die „Frau Busche“), so d�rfte dennoch jeder Zuschauer seine „Favoriten“ haben. Das sagt – genauso wie die Pr�ferenz f�r einen der drei Filme (dem Kritiker gef�llt „Frau Busche“ am besten) – auch viel �ber die Neigungen und Erfahrungen des jeweiligen Zuschauers aus. Insofern l�dt diese mehr als respektable Trilogie spielerisch, unverkrampft und hoffnungsfroh zur Selbsterkenntnis ein. Und wer glaubt, ihn w�rde das alles nichts angehen, der wird auch seinen Spa� haben. (Text-Stand: 4.3.2017)

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Foto: Degeto / Georges Pauly

Mehr Kom�die als Dram�die. Wasser ist nicht ihr Element, aber mit Anwalt Stefan Hartmann (Tim Bergmann) geht es f�r Katrin Busche (Anna Schudt) zu neuen Ufern.

Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr