Ab wie viel Grad ist Hitzefrei in Baden-Württemberg

Schüler können auf Hitzefrei hoffen. Doch bei ihren berufstätigen Eltern sieht es anders aus. Foto: dpa

Wenn die Temperaturen, wie diese Woche in Stuttgart, weit über 30 Grad steigen, ist das Bedürfnis nach „Hitzefrei“ groß. Doch welche Rechte haben Schüler und Arbeitnehmer?

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Stuttgart - Wenn die Temperaturen morgens um 11 Uhr über 25 Grad steigen, hoffen viele Schüler auf Hitzefrei. Diesen Wunsch kann in Baden-Württemberg der Rektor oder die Rektorin der Schule erfüllen. Entscheidet die Schulleitung, dass der Unterrichtserfolg nicht garantiert ist, kann nach der vierten Stunde das magische Wort „Hitzefrei“ fallen. Außen vor bleiben dagegen Oberstufen- sowie Berufsschülerinnen und Schüler. Sie müssen schwitzend im Unterricht verharren oder auf einen Ausflug zu einem Schattenplatz hoffen. Ebenso ist es in Ganztagesschulen, dort kann jedoch in Absprache mit den Eltern "Hitzefrei unter Aufsicht" gewährt werden.

Das Kultusministerium Baden-Württemberg hat online alle Kriterien veröffentlicht, unter denen Hitzefrei erteilt werden kann. Ein weiterer Faktor ist, dass Schülerinnen und Schülern, die nach dem Unterricht nach Hause fahren, bei Hitzefrei bis zur nächsten Gelegenheit zur Heimfahrt Aufenthaltsräume zur Verfügung stehen müssen. Benachbarte Schulen sollten sich zudem abstimmen und möglichst gleichmäßig entscheiden.

Ähnlich wie Oberstufenschülern geht es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, denn sie haben ebenfalls kein Recht auf einen freien Tag. Schutzlos die Hitze im Büro hinnehmen müssen sie allerdings auch nicht. Denn die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Regeln für Arbeitsstätten (ASR) legen die Bedingungen am Arbeitsplatz fest.

Welche Rechte haben Arbeitnehmer?

Generell gilt: Die Raumtemperatur sollte laut ASR nicht mehr als 26 Grad Celsius betragen. Wenn es im Sommer heißer wird, muss der Arbeitgeber für Schutzmaßnahmen sorgen. Dazu gehört vor allem der Sonnenschutz durch Jalousien, hinterlüftete Markisen oder andere Systeme. Arbeiten müssen Beschäftigte aber auch bei Temperaturen von mehr als 35 Grad.

Welche Möglichkeiten gibt es bei mehr als 30 Grad noch?

Steigt die Temperatur im Raum auf mehr als 30 Grad an, muss der Arbeitgeber weitere Maßnahmen treffen. Möglich ist, dass die Kleidungsregelung gelockert oder Getränke angeboten werden. Aber auch das Lüften am Morgen oder das Ausschalten elektrischer Geräte werden in den Regeln beispielhaft genannt.

Können Arbeitnehmer zu anderen Arbeitszeiten kommen?

Bei mehr als 30 Grad Lufttemperatur im Raum schlagen die ASR vor, die Arbeitszeiten bei einer Gleitzeitregelung zu verlagern. Ob das im einzelnen Fall möglich ist, sollte mit dem Arbeitgeber geklärt werden.

Für wen wird das Arbeiten dann gefährlich?

Wer schwere körperliche Arbeit verrichtet, undurchlässige Arbeits- und Schutzkleidung trägt, schwanger, stillende Mutter oder gesundheitlich vorbelastet ist, gilt als gefährdet. Ein ärztliches Attest kann von der Arbeit unter unzumutbaren Bedingungen befreien.

Temperaturen von teils über 40 Grad werden in dieser Woche in Deutschland erwartet. Bei solchen Temperaturen raten Expertinnen und Experten sich vor der Hitze zu schützen. Das heißt: Viel trinken, mit Sonnenschutzmitteln eincremen und möglichst im Haus bleiben. Letzteres ist aber nicht immer so einfach: Wie Arbeitnehmende oftmals dennoch den Weg zur Arbeit antreten müssen, bekommen auch Schülerinnen und Schüler in Deutschland nicht immer automatisch Hitzefrei. Wieso gibt es das hierzulande so selten? Und welche Temperaturen müssen erreicht werden, dass der Unterricht ausfällt? Ein Überblick.

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Hitzefrei: Kein bundesweites Hitzefreigesetz

In Deutschland gibt es kein bundesweites Hitzefreigesetz: Die Bundesländer können eigenständig entscheiden, ob und wann es in Schulen Hitzefrei gibt. Nur vereinzelt folgt man dabei Richtwerten.

Grundsätzlich gäbe es heutzutage, selbst bei drückender Schwüle und hochsommerlichen Temperaturen, immer seltener Hitzefrei, so Michael Gomolzig vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Baden-Württemberg. Verlässlichen Grund- oder Ganztagsschulen fehle der Spielraum: Entließen Schulleiter die Schüler wegen schwüler, drückender Hitze früher als nach Stundenplan, rufe garantiert eine aufge­brachte Mutter oder ein aufgebrachter Vater in der Schule an und beschwere sich darüber, dass schon wieder Un­terricht ausfalle, erklärt Gomolzig.

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Lasse der Rektor die Schüler jedoch bis zur letzten Stunde über ihren Büchern schwitzen, müsse er sich von anderen Eltern vorwerfen lassen, dass er kein Herz für Kinder habe. Fakt ist: Für Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind oder bei Alleinerziehenden wäre bei einem vorzeitigen Schulschluss die Beaufsichtigung der Kinder nicht gewährleistet.

Wann es Hitzefrei gibt, hängt vom Bundesland ab

Ob oder wann es Hitzefrei gibt, liegt zwar bei der Schulleitung – in einigen Bundesländern gibt es aber Richtlinien, denen man folgt.

Brandenburg: Für Grundschulen und die Sekundarstufe I, also die Klassenstufen eins bis zehn, gilt in Brandenburg laut dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS): “Werden um 10 Uhr 25 Grad Außentemperatur im Schatten oder um 11 Uhr an einem für die Raumlufttemperatur innerhalb des Gebäudes repräsentativen Ort 25 Grad Celsius gemessen, soll nicht länger als bis 12 Uhr unterrichtet werden, sofern in der Zwischenzeit keine wesentliche Abkühlung eingetreten ist.” Für Schüler der Sekundarstufe II, des zweiten Bildungsweges und der Fachschulen werde der Unterricht in der Regel dem Stundenplan entsprechend fortgesetzt.

Bremen: In Bremen kann ab einem Richtwert von mindestens 25 Grad im Schulgebäude der Unterricht beendet werden. Dabei darf die Temperatur allerdings nicht in einem Raum gemessen werden, der direkter Sonnenstrahlung ausgesetzt ist. Ausgenommen ist der Schwimmunterricht.

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Nordrhein-Westfalen: In Nordrhein-Westfalen gilt der Richtwert einer Raumtemperatur von mehr als 27 Grad Celsius. Die Schulleitung darf aber bereits ab 25 Grad die Schülerinnen und Schüler nach Hause schicken. Bei unter 25 Grad ist Hitzefrei in Nordrhein-Westfalen nicht zulässig.

Mecklenburg-Vorpommern: Hier sollen die Unterrichtsstunden nur im Notfall ausfallen – also, wenn die Wärme und Luftfeuchtigkeit nicht mehr zumutbar sind. Die Schulleitung prüft daher zunächst, ob der Unterricht in den Schulräumen durch hohe Temperaturen so stark beeinträchtigt ist, dass ein konzentriertes Arbeiten kaum möglich ist, heißt es beim Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung. Der Unterricht sollte zudem zu einer Zeit beendet werden, die dem Schluss der dritten oder vierten Unterrichtsstunde entspricht.

Saarland: Das saarländische Ministerium für Bildung und Kultur legt zwar fest, dass die schulische Betreuung an besonders heißen Tagen gewährleistet sein muss, allerdings muss jede Schule für das Wohl der Schüler und Lehrkräfte sorgen. Ist das Klassenzimmer zum Beispiel überhitzt, können stattdessen Ausflüge gemacht werden. Und: Ist die Außentemperatur bis 10 Uhr bereits bei 23 Grad im Schatten, dürfen in der Sekundarstufe I keine Klassenarbeiten mehr geschrieben werden. Auch Hausaufgaben für den nächsten Tag werden nicht erteilt.

Sachsen-Anhalt: In Sachsen-Anhalt gilt für die Sekundarstufe I: An Tagen, an denen um elf Uhr im Unterrichtsraum 26 Grad Celsius oder mehr erreicht werden, kann der Unterricht beendet werden. Auch eine Einbeziehung der Jahrgänge 11 und 12 sei in Ausnahmefällen möglich.

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© Quelle: RND

Hitzefrei: Meistens entscheidet die Schulleitung

In den meisten Fällen entscheidet die Schulleitung, wann oder ob es Hitzefrei gibt. Das gilt für Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. In Bayern trifft das Ministerium die Entscheidung darüber, ob Schüler frühzeitig nach Hause gehen können, von der Situation abhängig: Kann der Unterricht zum Beispiel an kühlere Orte verlegt werden?

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In Berlin wird härter durchgegriffen. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie macht deutlich: „Schule ist Pflicht. Und der Ausfall oder das Versäumen von Unterricht muss die Ausnahme sein. Darum gibt es kein ‚Hitzefrei‘ ab einer bestimmten Temperatur mehr, sondern der Unterricht soll den Witterungsverhältnissen angepasst stattfinden.“

Kriegen Eltern eine Freistellung, wenn Kinder Hitzefrei haben?

Kriegen Kinder der Sekundarstufe I Hitzefrei, können Eltern, ähnlich wie bei Kinderkrankentagen, freigestellt werden, sofern sie keine andere Betreuung für den Nachwuchs finden. Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer die Fehlzeit dann aber nicht bezahlen – es sei denn, der Fall ist im Arbeitsvertrag als Sonderurlaub geregelt.

Hitzefrei im Büro und in der Ausbildung?

Was für Schülerinnen und Schüler gilt, sollte auch für Beschäftigte und Auszubildende gelten – oder? Fehlanzeige. Hitzefrei wie an Schulen gibt es nicht. Allerdings regelt die sogenannte Arbeitsstättenverordnung, was Arbeitgeber zur Raumtemperatur beachten müssen. So wird der Mindestwert der Lufttemperatur an dem Grad der Arbeitsschwere gemessen: Je schwerer die auszuführende Arbeit, desto niedriger der Mindestwert der Raumtemperatur. Die Schwere der Arbeit wird dabei an der meistgenutzten Körperhaltung und den vorrangigen Bewegungen gemessen.

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Doch ab wie viel Grad ist Arbeit unzumutbar? Wenn die Temperatur auf über 30 Grad steigt, greift das Arbeitsschutzgesetz. In diesem Fall muss die Temperatur am Arbeitsplatz “durch effektive Maßnahmen gesenkt werden”. Erst wenn die 35-Grad-Grenze überschritten wird, gilt ein Raum nicht mehr als Arbeitsraum.

Wie viel Grad ist es Hitzefrei?

Als Anhaltspunkt ist von einer Raumtemperatur von mehr als 27 Grad Celsius auszugehen. Beträgt die Raumtemperatur weniger als 25 Grad Celsius, darf Hitzefrei nicht erteilt werden.

Wie warm darf es in der Schule sein?

Blendung). Die Raumtemperatur an Arbeitsstätten muss unter Berücksichtigung des Arbeitsverfahrens, der körperlichen Beanspruchung und des Nutzungszweckes des Raumes gesundheitlich zuträglich sein. + 26 °C sollen in Unterrichträumen nicht überschritten werden.

Welche Klassen bekommen Hitzefrei?

Doch Achtung: Bei weniger als 25 Grad Raumtemperatur darf es kein Hitzefrei geben – das ist so in der „Bereinigten Amtlichen Sammlung der Schulvorschriften NRW“ (BASS) festgelegt. Grundsätzlich erhalten nur Schülerinnen und Schüler der Grundschulen sowie der Sekundarstufe I (5. bis 10. Klasse) Hitzefrei.

Ist Hitzefrei abgeschafft?

In Deutschland gibt es kein bundesweites Hitzefreigesetz: Die Bundesländer können eigenständig entscheiden, ob und wann es in Schulen Hitzefrei gibt.