99 prozent aller tierarten sind ausgestorben

Seitdem es Menschen auf der Erde gibt, sind noch nie so viele Tiere und Pflanzen ausgestorben wie jetzt. Der Bericht des Weltbiodiversitätsrats, der am Montag in Paris vorgestellt wurde, lässt keinen Zweifel daran, dass sich auf der Erde gerade ein gigantisches Artensterben ereignet, vergleichbar dem Tod der Dinosaurier vor etwa 65 Millionen Jahren.

Es ist die erste globale Studie seit 14 Jahren, die untersucht, wie es den Tieren und Pflanzen auf der Erde geht und in welchem Zustand sich ihre Lebensräume befinden. Mehr als 150 Experten aus 50 Ländern haben für den Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) drei Jahre lang Tausende Studien ausgewertet. Ihr Bericht ist in der trockenen Sprache der Wissenschaft verfasst. Doch ihr Fazit liest sich trotzdem erschreckend. Drei Viertel der Erdoberfläche habe der Mensch bereits "stark verändert" - nicht eingerechnet die Ozeane.

Etwa eine Million der geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten, die es auf der Welt gibt, seien vom Aussterben bedroht. Im Tierreich geht es dem Bericht zufolge den Amphibien, also etwa Kröten, Fröschen und Molchen, am schlechtesten. 40 Prozent dieser Unterart der Wirbeltiere drohen zu verschwinden. Nur geringfügig besser ist die Lage der Korallen, von denen fast ein Drittel mit dem Überleben kämpft.

Wie viele Insekten bedroht sind, ist den Autoren zufolge eine "Schlüssel-Unsicherheit". Dies ist also nicht zu ermitteln, obwohl es wichtig wäre. Viele Kerbtiere bestäuben Pflanzen und spielen eine zentrale Rolle für das Leben auf der Erde. Schätzungen zufolge sind ungefähr zehn Prozent aller Insekten vom Aussterben bedroht - ein gewaltiges Ausmaß angesichts der Tatsache, dass fünfeinhalb Millionen der acht Millionen bekannten Tier- und Pflanzenarten zu dieser Tierklasse gehören.

Im Pflanzenreich steht es besonders schlecht um die Palmfarne, das sind lebende Fossilien, zu denen etwa die Sago-Palme gehört. Mehr als 60 Prozent sind dem Bericht zufolge bedroht; bei den Koniferen, also den Nadelhölzern, sind es gut 30 Prozent. Mehr als 500 000 Arten bezeichnen die Autoren als "dead species walking". Gemeint sind Tiere und Pflanzen, deren Lebensräume so stark verändert oder zusammengeschrumpft sind, dass sie langfristig keine Chance haben zu überleben.

Schuld an all diesen negativen Entwicklungen ist der Mensch, daran lässt der Weltbiodiversitätsrat keinen Zweifel. Vor allem deshalb, weil er immer mehr Fläche für sich beansprucht, die anderen Lebewesen dann fehlt. In den vergangenen 50 Jahren habe sich diese Entwicklung dramatisch beschleunigt. Beispiel Landwirtschaft: Allein in den Jahren zwischen 1980 und 2000 wurden dem Bericht zufolge 100 Millionen Hektar intakter Wald gerodet, das ist fast dreimal die Fläche Deutschlands, unter anderem, um dort Vieh weiden zu lassen (wie in Lateinamerika) oder Plantagen für Ölpalmen anzulegen (wie in Südostasien). Beispiel Städtebau: Die Fläche, die menschliche Behausungen auf der Erde einnehmen, hat sich nach Angaben der Studienautoren seit 1992 verdoppelt.

Dodos, Mammuts, Dinosaurier, tasmanische Beutelwölfe — die Liste ausgestorbener Tierarten ließe sich nahezu endlos weiterführen.

Vermutlich 99,9 Prozent der Tierarten, die jemals auf der Erde zu finden waren, sind nun ausgestorben. Schon bald wird die Liste möglicherweise aber um eine weitere Spezies ergänzt: den Menschen — und das bereits in 100 Jahren.

Schuld daran soll weder ein Vulkanausbruch noch ein Meteorit sein — sondern der Mensch selbst. So schreibt zumindest Frank Fenner, Wissenschaftler an der Australian National University in einem im Wissenschaftsjournal „Phys Org“ veröffentlichten Bericht.

Innerhalb der nächsten Jahrzehnte sollen sich laut Fenner einige dramatische Veränderungen auf der Erde abspielen, die kaum aufzuhalten sein werden. Schuld daran soll unter anderem die stetig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sein, wie die britische Wochenzeitung „The Economist“ berichtet. In den USA beträgt die Anzahl der als arm geltenden erwachsenen Menschen bereits 15 Prozent — in Entwicklungsländern ist diese Anzahl weitaus größer, so das Wirtschaftsmagazin Forbes. Zahlreiche Menschen haben weder das Geld noch die Möglichkeiten, sich und ihre Familien zu ernähren. Die Zahl der Hungertoten ist jetzt schon auf einem dramatischen Niveau, wird in der Zukunft jedoch weiter steigen — und das, obwohl gleichzeitig viel zu viele Lebensmittel weggeschmissen werden und die Anzahl der an Fettleibigen stetig steigt. Doch beides schließt sich leider nicht gegenseitig aus.

Klimawandel sorgt für dramatische Veränderungen 

Nicht nur Hunger und durch Übergewicht verursachte Krankheiten führen zu zahlreichen Todesfällen — auch der Klimawandel leistet seinen Beitrag. Durch steigende Temperaturen und immer weniger Niederschlag trocknen Flüsse und Seen zunehmend aus, wie erst in diesem Sommer am Rhein ersichtlich wurde. Immer mehr Menschen werden an Küstenorte ziehen, die schon bald an einer Überbevölkerung leiden werden.

Immer wiederkehrende Dürreperioden führen dazu, dass Ernteerträge stetig geringer ausfallen werden und damit allgemein weniger Lebensmittel zur Verfügung stehen, als benötigt werden. Zudem könnte Wasser schon bald auch in Industrieländern zu einem Luxusgut werden. Doch nicht nur Menschen werden unter den zunehmenden Temperaturen und dem immer weniger werdenden Niederschlag leiden. Wie „The Guardian“ berichtet, werden bereits im Jahr 2050 zehn Prozent aller jetzigen Tier- und Pflanzenarten ausgestorben sein — darunter auch Elefanten und Nashörner.

Überfischung wird weitreichende Folgen haben

Wie Frank Fenner schreibt, ist das aber noch nicht alles. Wie er vermutet, wird die Menschheit in etwa 100 Jahren ausgestorben sein. Abholzung und eine voranschreitende Infrastruktur rauben Tieren und Pflanzen immer mehr Lebensraum — was in immer weniger Nahrung für den Menschen resultiert. „Lebensmittelknappheit wird der Grund für viele Kriege in der Zukunft sein“, so Fenner. Unter anderem sei die Überfischung dafür verantwortlich — ein Problem, das innerhalb der nächsten Jahre nicht besser werden wird, wie der „Telegraph“ schreibt.  Bereits im Jahr 2050, so wird vermutet, wird es keine kommerzielle Fischerei mehr geben. Allerdings sind drei Milliarden Menschen auf Fisch als Nahrung angewiesen.

Ob und wann sich diese Vorhersage bewahrheiten wird, ist unklar. Klar ist jedoch, dass es dringend an der Zeit ist, etwas zu ändern. Auch wenn es nicht für jedes Problem eine optimale Lösung gibt, kann jeder zumindest einen Teil dazu beitragen. Dazu zählt beispielsweise das Vermeiden von Plastik, der Verzicht auf Fleisch und Fisch oder der bewusste Umgang mit Konsumgütern.

Wie viele Tierarten sind 2022 ausgestorben?

Die IUCN listet bei diesen übrig gebliebenen Tierarten lediglich 5403 Arten auf, von denen 27 als ausgestorben gelten, eine Art als ausgestorben in der Wildnis, 291 Arten als kritisch bedroht und 371 Arten als gefährdet (Stand: 28. Juli 2022).

Wie viele Tiere sind in den letzten 100 Jahren ausgestorben?

In den letzten 100 Jahren sind bereits 543 Spezies ausgestorben, weitere 515 stehen aktuell am Rand des „Abgrunds“ – von ihnen gibt es nur noch weniger als 1.000 Exemplare. Diese Tierarten haben seit dem Jahr 1900 mehr als 237.000 ihrer Populationen verloren.

Wie viele Tierarten sind in den letzten Jahren ausgestorben?

In der Neuzeit ist der Mensch ein häufiger Grund für das Aussterben von Tieren - direkt durch Jagd sowie indirekt, zum Beispiel durch Lebensraumzerstörung. Der IUCN (International Union for Conservation of Nature) zufolge sind seit dem Jahr 1500 insgesamt 84 Säugetierarten und 159 Vogelarten ausgestorben.

Welche Tiere wird es 2050 nicht mehr geben?

Bis 2050 könnten weitere Tierarten wie der Sumatra-Orang-Utan oder der Amur-Leopard von der Bildfläche verschwinden. In der Erdgeschichte hat es bereits fünf Massenaussterben gegeben und zahlreiche Experten haben davor gewarnt, dass menschliche Aktivitäten zu einem sechsten Massenaussterben führen könnten.