Wer ist besonders anfällig für Essstörungen?

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Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI) haben ein Molekül in der Plazenta identifiziert, das dafür verantwortlich sein könnte, dass Nachkommen, deren Mutter während der Schwangerschaft Stress ausgesetzt waren, an Magersucht erkranken.

Die Anfälligkeit für Essstörungen wurde oft mit Stress in der frühen Kindheit in Verbindung gebracht. Stress allein führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer Essstörung, es ist vielmehr eine Kombination aus Veranlagung und einer Vielzahl von Faktoren aus dem frühen Leben, die zur Erkrankung führt.

Modell bildet aktivitätsbasierte Magersucht nach

In einer Studie, die kürzlich veröffentlicht wurde, liefern Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie entscheidende biologische Einblicke in diese Krankheit. Mariana Schroeder, Autorin der Studie und Projektgruppenleiterin im Team von Alon Chen, dem Geschäftsführenden Direktor des MPI, ging davon aus, dass die Anfälligkeit für Anorexie bereits im Mutterleib entsteht. Sie testete heranwachsende Mäuse mit einem Modell, das aktivitätsbasierte Magersucht nachbildet, indem es den Tieren die Wahl zwischen Bewegung und Fressen lässt. Im Ergebnis zeigten weibliche Mäuse eine hohe Anfälligkeit für aktivitätsbasierte Magersucht, sie zogen die Bewegung dem Fressen vor. Schroeder ergänzt: „Interessanterweise haben sich die weiblichen Mäuse in zwei Gruppen geteilt, wenn sie dem Aktivitätsmodell ausgesetzt wurden. Ungefähr 40 Prozent wurden magersüchtig, die anderen 60 Prozent nicht. Die Männchen waren weitgehend resistent.” Schröder fährt fort: „Erstaunlicherweise unterband pränataler Stress diese Anfälligkeit.”

miR-340 stach besonders hervor

Im nächsten Schritt wollten die Wissenschaftler den molekularen Mechanismus identifizieren, der dieser Programmierung in der Schwangerschaft zugrunde liegt. Dazu untersuchten sie die micro-RNA-Niveaus in der Plazenta. Eine micro-RNA stach besonders hervor, die so genannte miR-340. Diese war bei Weibchen hochgradig variabel, während sie in der Plazenta männlicher Nachkommen kaum nachweisbar war.

Die Forscher manipulierten die Expression dieser micro-RNA künstlich, um ihren Anteil in der Plazenta zu erhöhen. Daraufhin stieg die Anfälligkeit für Magersucht sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Mäusen an. MiR-340 beeinflusste den Nährstofftransfer von der Mutter auf den Fötus indirekt und veränderte dabei das Gehirn des Fötus.

Chen, folgert daraus: „Diese Studie liefert bedeutsame Einblicke in die frühe Entstehung dieser kaum verstandenen Essstörung.”

Frauen häufiger betroffen

Magersucht, lateinisch anorexia nervosa, ist eine Essstörung, die durch selbstauferlegtes Hungern geprägt ist. Sie tritt häufig erstmals im Teenageralter oder im jungen Erwachsenenalter auf und zwar etwa zehnmal so oft bei Frauen wie bei Männern. Von allen psychischen Erkrankungen zeigt sie die höchste Sterblichkeitsrate. Trotzdem weiß man wenig darüber. Ihre Behandlung führt daher auch nur selten zur vollständigen Genesung. (MPI Psychiatrie, red)

Literatur:

Schroeder M, Jakovcevski M, Polacheck T, et al.: Placental miR-340 mediates vulnerability to activity-based anorexia in mice. Nature Communications, 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-03836-2.

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Anorexie erfordert eine starke Willenskraft und Selbstdisziplin. Betroffene weisen h�ufig einen hohen Perfektionismus auf. Foto: iStockphoto

Bei der Entwicklung einer Essst�rung spielen verschiedenste Faktoren eine Rolle. Die Pers�nlichkeitsmerkmale des Betroffenen haben dabei einen oft untersch�tzten Einfluss, der bei Diagnose und Therapie ber�cksichtigt werden sollte.

Essst�rungen haben in der Regel vielf�ltige Ursachen, zum Beispiel Pers�nlichkeitsmerkmale. Sie gelten als angeboren und weitgehend unver�nderlich. Wie stark und in welche Richtung sie ausgepr�gt sind, h�ngt aber nicht nur von der genetischen Disposition, sondern auch von den individuellen Lernerfahrungen und den Einfl�ssen der Umwelt ab.

Bei Bulimie (Ess-/Brechsucht) gehen kanadische Psychologen der University of New Brunswick davon aus, dass Neurotizismus ein besonders einflussreiches Charaktermerkmal ist. Ein stark ausgepr�gter Neurotizismus zeichnet sich durch Nervosit�t, Unsicherheit, Stimmungsschwankungen und Stressanf�lligkeit aus. Neurotizistische Personen klagen zudem oft �ber Schmerzen, �rger und �ngste, sind launisch und neigen zu negativen Verstimmungen. Eine Facette des Neurotizismus ist Impulsivit�t, also die mangelnde F�higkeit, Impulse zu kontrollieren und Selbstdisziplin zu zeigen. Dies erkl�rt das Unverm�gen von Bulimikern, den starken Drang zu essen und zu trinken zu unterdr�cken, aufzuschieben oder einzuschr�nken. Die Tendenz zu negativen Gef�hlslagen f�rdert zudem die Nahrungsaufnahme, um Frustration abzubauen und sich zu beruhigen. �Ausgepr�gter Neurotizismus ist ein Risikofaktor f�r Essst�rungen, vor allem f�r Bulimie�, so die Wissenschaftler.

Psychologen der Duke University fanden heraus, dass Neurotizismus auch bei der Binge-eating- und Binge-drinking-St�rung (Hei�hunger- und Durstanf�lle mit Verlust der bewussten Kontrolle �ber das Ess- und Trinkverhalten) eine wesentliche Rolle spielt. Personen, die zu diesen Essst�rungen neigen, sind wie Bulimiker pers�nlichkeitsbedingt kaum in der Lage, Impulse zu kontrollieren. Hoher Neurotizismus geht dar�ber hinaus mit einer �berm��igen Unzufriedenheit mit K�rper und Figur einher und kann daher auch auf indirektem Weg Essst�rungen ausl�sen und aufrechterhalten.

Im Gegensatz dazu erfordern Anorexie (Magersucht, starkes Untergewicht), gez�geltes Essen und Di�tverhalten ein hohes Ma� an Selbstdisziplin und Impulskontrolle. Dies spiegelt sich im Charakterprofil anorektischer Patienten wider: Sie weisen in der Regel einen m��ig ausgepr�gten Neurotizismus, daf�r aber hohen Perfektionismus und eine starke Gewissenhaftigkeit auf. Gewissenhaftigkeit geht mit Durchhalte- und Organisationsverm�gen, Genauigkeit, Gr�ndlichkeit, Zielorientierung und Impulskontrolle einher � alles Eigenschaften, die eingesetzt werden k�nnen, um das Essverhalten und K�rpergewicht streng zu reglementieren.

Bei Adipositas (Fettsucht, starkes �bergewicht) kommt es auf Pers�nlichkeitsmerkmale im Zusammenspiel mit Verhaltensausl�sern an. Zu diesem Ergebnis kamen Psychologen um Kristina Elfhag vom Karolinska University Hospital in Stockholm. Sie fanden heraus, dass �bergewichtige, die versuchen, negative Verstimmungen, Stress und starke Emotionen durch �berm��iges Essen zu regulieren, ausgesprochen neurotizistisch und impulsiv sind, kaum Selbstdisziplin zeigen und wenig gesellig und selbstbewusst sind. �Auch Betroffene, die haupts�chlich durch �u�ere Reize, wie zum Beispiel Essensger�che, verlockende Nahrungsangebote oder regelm��ige Essenszeiten, zur Nahrungsaufnahme angeregt werden, verf�gen kaum �ber Impulskontrolle und Selbstdisziplin�, wei� Elfhag.

Pers�nlichkeitsmerkmale erm�glichen es, Essgest�rte in Subgruppen zu unterteilen. So konnten Psychologen der Ghent University zeigen, dass man den Behandlungserfolg bei adip�sen Kindern und Jugendlichen schon im Vorfeld der Therapie anhand bestimmter Pers�nlichkeitsmerkmale und Psychopathologien absch�tzen kann. Zu �hnlichen Ergebnissen kamen Wissenschaftler aus den USA, den Niederlanden und Schweden, die die Langzeitwirkung und die R�ckfallgefahr nach gewichtsreduzierenden Ma�nahmen bei verschiedenen Subgruppen erwachsener Adip�ser bestimmten. Die Unterteilung in Subgruppen erlaubt es, auf die jeweiligen Subgruppen zugeschnittene Interventionen zu entwickeln.

Kanadische Wissenschaftler, die sich mit dem Zusammenhang von Pers�nlichkeit und Essst�rungen besch�ftigen, machen darauf aufmerksam, dass Pers�nlichkeitsmerkmale einen einflussreichen, bisher aber noch zu wenig beachteten Faktor darstellen. Ihrer Meinung nach kann die st�rkere Beachtung und Einbeziehung von Pers�nlichkeitsmerkmalen in die Diagnose und Behandlung dazu beitragen, Essst�rungen besser zu verstehen und effizienter zu behandeln.

Wer ist am häufigsten von einer Essstörung betroffen?

Nach wie vor sind vorrangig Mädchen und junge Frauen von Essstörungen betroffen, wenn- gleich ein nicht unerheblicher Anteil von männli- chen Jugendlichen Frühzeichen dieser Störungen aufweist.

Wer ist anfällig für Magersucht?

Experten gehen davon aus, dass weltweit rund ein halbes Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 35 Jahren magersüchtig sind. Es sind deutlich mehr Frauen als Männer betroffen. Oft beginnt die Krankheit im Teenager- oder frühen Erwachsenenalter.

In welchem Alter treten Essstörungen am häufigsten auf?

Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Das typische Alter, in dem eine Anorexie auftritt, ist die Adoleszenz – sie kann aber auch bis ins höhere Lebensalter auftreten. In der Regel liegt der sichtbare Beginn der Essstörung zwischen zwölf und 14 Jahren.

Was sind die Gründe für Essstörungen?

Familiäre Ursachen, z.B. Essstörung oder andere psychische Erkrankung eines Elternteils, Fehlen positiver Vorbilder in Bezug auf Essverhalten oder Figur, fehlende Streitkultur, Unterdrückung von negativen Gefühlen, problematische Ablösungsprozesse (übermäßige Kontrolle durch die Eltern oder Übernahme von zu viel ...