Wer ist alles fachbesucher auf der leipziger buchmeses

„Unfassbar“ – die Jugend neigt zu sprachlichen Übertreibungen. Bei meinen Kindern ist alles „unfassbar“. So auch das, was ein Fachbesucher momentan – am 4. Februar 2016 – auf der Website der Leipziger Messe erlebt. Es könnte sich jeden Tag ändern, das ist das Schöne am Internet.

Die „Customer Journey“ eines Leipzig-Fachbesuchers beginnt, sechs Wochen vor Messe-Beginn, auf der Website der Leipziger Messe. Unter „Aktuelle Veranstaltungen“ ist die Buchmesse schnell auffindbar. Seit Anfang Februar muss man nicht mehr groß herumsuchen nach dem Link zum Aussteller-Verzeichnis, den Usern wurde endlich ein direkter Link zum Ausstellerverzeichnis 2015 – wie? 2015? – gegönnt.

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Dort „erfreut“ das Auge des Suchers eine Banner-Leiste mit Werbung – recht lieblos ohne grafisches Auge hineingeschoben, einige Schriften sind pixelig, einige unlesbar, vor allem am Mobilgerät. Konnte niemand die Inserenten beraten und ihnen diesen Auftritt ersparen? Der Banner kostet Ladezeit und nervt den Fachbesucher, der ja nur möglichst einfach an die Standnummern der Aussteller gelangen möchte, um seinen Weg durch die voraussichtlich wie immer gedrängt vollen Gänge zu optimieren.

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Als Mobilist muss er sich nach dem Suchvorgang erst mal durch allerlei Nichtssagendes hindurchscrollen, etwa durch den Einführungstext, den er schon längst gelesen hätte, wenn er relevant wäre. Oder durch die parametrisierte Suche, von der er noch gar nicht weiß, ob er sie überhaupt brauchen wird, er kennt ja das Suchergebnis noch gar nicht.

Dann kommt der ersehnte Suchtreffer mit dem überflüssigen Vermerk „Aussteller“ dahinter. Die Standnummer wird nicht etwa sofort angezeigt, sondern erfordert einen weiteren Klick/Fingertipp. Da ist sie – ist sie da?

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Nein, der Fachbesucher erfährt die genaue Firma, die Postanschrift, die Telefonnummer und wie er den Aussteller in dessen Backoffice per E-Mail oder im Internet erreichen kann. Die Standnummer erfährt er auch bei weiterem verzweifelten Klick auf den Verlagsnamen nicht – der verlinkt nämlich auf sich selbst.

Wie nun die Standnummer erfahren, um den Weg durch überfüllte Hallen zu optimieren? Es hilft alles nichts – einmal anrufen, um die Standnummer zu erfragen und dann nochmal anrufen, um den passenden Termin zu vereinbaren. Doppelte Arbeit – warum? Weil jemand am anderen Ende der Datenleitung sich zu wenig Arbeit macht.

Nun, vielleicht geht es ja im eingeloggten Zustand. Der Fachbesucher hat seine 496 Logins sauber im Password-Safe abgelegt. Leider funktioniert die E-Mail-Password-Kombination nicht mehr, aber es gibt ja den Hilfsklick auf „Logindaten erneut senden“.

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Wer ist alles fachbesucher auf der leipziger buchmeses

Das hätte in der Tat nicht passieren dürfen. Vor allem nicht zweimal im Wochenabstand in der vermutlich aktivsten Zeit des Jahres. Dafür wird beim Drübermausen gleich der „Schuldige“ angezeigt – warum? Dies ist nun wirklich ein Fall für eine anonyme Adresse wie „admin“ oder „webmaster“.

What a mess – die Buchmess’…

Vom 14. – 18. Oktober fand die Frankfurter Buchmesse statt. Ich war bisher nur auf dem Leipziger Pendant im März und kann jetzt vergleichen. Welche Buchmesse für welchen Typ?

Da ich bisher nur die Leipziger Buchmesse besucht hatte, bin ich geprägt. Es entwickeln sich gewisse Erwartungen und Vorstellungen vor und bei einer Visitation der Frankfurter Messe.

Schon die Lage bringt den ersten Unterschied. In Leipzig lief ich noch ein ganzes Stück von der Haltestelle auf das Messegelände. Es ist von weitem sichtbar und dadurch lässt sich viel simpler erahnen, wo man denn gleich hinmüsse. Mit einer Pressekarte bewaffnet gelangte ich durch einen gesonderten Presseeingang. Eine Extragarderobe hält mich vom späteren Stau auf dem Nachhauseweg fern. Die Abgabe der Utensilien kostet im Pressebereich auch nichts.

Durch die Formalitäten gekommen, erreichte ich in Leipzig als erstes Halle 1, logisch. Hier hat sich eine ganze Subkultur breit gemacht. Kinder bis Dreißig scharwenzeln in teils obszönen Plastikkostümen durch die zwischen ganz viel Tinnef und chemischem Essen nur wenigen Bücher, die en gros aus Bildern bestehen und von hinten gelesen werden. Dabei lassen sich die Minderjährigen nur allzu gern von zumeist über 50-Jährigen Fotografen ablichten. Auch gern im Park zwischen den Messehallen. Cosplay nennt sich der Spaß und Sebastian Edathy gefällt das. Zumindest wirkt das alles im Verbund vereinzelt(!) etwas merkwürdig, wenn ziemlich junge Leute unreflektiert sexistisch einseitige Zeichnungen zum Leben erwecken, um sich in tief ausgeschnittenen und sehr kurzen Kleidchen, wie Playboy-Starlets vor der Kamera zu räkeln.

Durch dies und die Tatsache, dass die Leipziger Messe von Donnerstag bis Sonntag für alle geöffnet ist, vermisst die anwesende Alterspyramide keine einzige Etage. Die Messehallen sind durch jeweils zwei Glastunnel miteinander im Karree verbunden. In der Mitte warten das Blaue Sofa und andere Interviewformate von 3Sat oder der ARD nicht lange auf Publikum. Leipzig gestaltet sich auch für Neulinge als durchaus übersichtlich. Und gerade an Werktagen hält sich die Zahl der Besucher_innen noch in Grenzen, es bleibt angenehm.

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Najem Wali (“Bagdad”, Hanser Literaturverlage) auf dem blauen Sofa, interviewt von Marie Sagenschneider.

In Frankfurt gestaltet sich die ganze Show völlig anders und bisweilen weitaus spießiger. Die U-Bahn fährt direkt unter den Messe-Eingang. Sofort ins kalte Messewasser geworfen, bin ich sichtlich überfordert, wo es denn jetzt hier langgeht.

Auch eine Akkreditierung über ein Magazin befähigt hier noch lange nicht zur Pressekarte, erst recht nicht zur kostenlosen Garderobe. Ich bin Fachbesucher: in Frankfurt irgendeine Kaste zwischen Normalos und den richtigen Journalist_innen. Fachbesucher sind übrigens unter anderem alle Pädagog_innen, Schüler_innen, Student_innen. Für eine Pressekarte, die eigentlich nur am Dienstag, also einen Tag vor der Messe, wichtig wäre, hätte ich mich nochmal gesondert bis zum 5. Oktober anmelden müssen. Bürokratie genießt Priorität. Nur um mich mit noch mehr Leuten in eine Reihe zu stellen, die gern alles kostenlos bekommen, obwohl sie nicht zwingend geschäftlich hier sind, lohnt sich der Aufwand einfach nicht und es wäre auch ziemlich unfair all denen gegenüber, die hier hunderte Euro für eine Wochenkarte Fachbesucher Business zahlen.

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Anzug und Kostüm sind in Frankfurt häufiger vertreten als in Leipzig.

Apropos Messebeginn. An diesem Topos werden die Klassenunterschiede sichtbar. Die Presse darf schon am Dienstag hinein, Fachbesucher ab Mittwoch 9 Uhr. Normalen Menschen erlaubt man erst am Samstag und Sonntag die heiligen Hallen zu betreten. Einerseits würde es keinen Unterschied machen, wenn auch schon am Mittwoch alle Menschen Einlass erhielten, da die Leute, die das hier wirklich interessiert, sowieso Fachbesucher sind, die meistens an Werktagen nicht 8-10 Stunden woanders arbeiten müssen. Andererseits liegt der Fokus in Frankfurt auf einem ganz anderen Punkt. In Leipzig stellen vor allem kleine und große deutschsprachige Verlage aus. Die Autor_innen, die vielleicht noch nicht so bekannt sind, stehen im Mittelpunkt. In Frankfurt gestaltet sich alles internationaler. Hier geht’s ums Geschäft. Schon morgens um 10 Uhr – die Messe hat gerade erst eröffnet – sitzen Vertreter_innen eines ostasiatischen Verlags bei einem französischen und besprechen das Business – natürlich auf Englisch.

Ein Gang durch die Babel-Halle, wie ich sie aufgrund ihrer phonetischen Vielfalt liebevoll nennen möchte, entpuppt sich als besonders interessant. Zwar sind die Erkenntnisse über Sujets der Papierwerke für jemanden der Englisch, Latein und Russisch in unterschiedlichen Ausprägungen beherrscht, gerade im arabischen Abteil eher gering, doch die Gestaltungen spiegeln die jeweilige Kultur wider. Auch die Kleidungsstile der Verlagsangehörigen geben Aufschluss darüber. Hier trifft sich die Welt. Hier demaskiert sich die Staatsräson im Auftreten der Verlage. Bescheiden kommen kleine Staaten mit dennoch großem Angebot, wie der Kosovo, daher. Bombastisch selbstbewusst bis arrogant treten dagegen große Staaten oder beispielsweise die Vereinigten Arabischen Emirate auf, die eigentlich nur drei goldene Bücher ausstellen. Der Rest scheint mir zumindest unsichtbar oder nur holografisch, wie auf folgendem Foto.

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Stand der VAE: Das blaue Hologramm baut sich alle 30 Sekunden neu auf.

Neben den Verlagen besuchen viele Leseratten eine Buchmesse, um Anregungen für das nächste Geschenk oder die eigene Lektüre zu bekommen. Auch in diesem Punkt hat die Seite wieder zwei Medaillen, wie Philosoph Mario Basler einmal aphorisierte. In Leipzig liegen TV-Interviews auf blauem (ZDF), rotem Sofa (3Sat) oder schwarzem Stuhl (ARD) nah beieinander, die enge Staffelung macht es nicht unmöglich aufeinanderfolgenden Autor_innen an verschiedenen Plätzen zu folgen. Leider lässt sich in Leipzig nicht so leicht ein guter Platz ergattern, da die Messe offener, dadurch etwas voller ist. In Frankfurt liegen die TV-Anstalten weit auseinander. Die ARD bekommt die ganze Festhalle neben dem Pavillon des Ehrengastes Indonesien. Das Blaue Sofa fristet sein Dasein auf einer Kreuzung zwischen den Hallen 4, 5 und 6. Der Weg zwischen beiden beträgt ungefähr einen Kilometer. Wenn die Rollbahnen nicht wären, würde ich es niemals von einem Interview zum nächsten Schaffen. Zusätzlich sind die Hallen zwar irgendwie im Karree angeordnet, die Führung der Täfelchen und im Allgemeinen lässt mich jedoch allzu häufig wieder umkehren, da ich mich verlaufen habe.

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Ohne die Rollbahnen, die man von Flughäfen kennt, bräuchte man ewig für die langen Flure.

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Leipziger Buchmesse im März der etwas größere Spaß ist. Sie ist jünger, hipper, abwechslungsreicher und Antiquariate verkaufen stinknormale Bücher zum Spottpreis. Letzteres gibt es in Frankfurt nur außerhalb der Messe auf irgendeinem Platz neben der Straßenbahnhaltestelle, ich hab es erst am letzten Tag bei der Abfahrt entdeckt. Die Buchmesse in Frankfurt ist vielmehr auf Fachleute ausgerichtet. Wer irgendwie dazu gehört, darf sich jedoch auf interessante Diskussionen von Autor_innen über die Themen der Zeit (Russland oder Flucht zum Beispiel) freuen. Auch die Interviews sind durch das etwas kleinere Publikum auf Sitzgelegenheiten länger auszuhalten, als sie es in Leipzig im Stehen gewesen sind.

Diskursinteressierte finden sich also eher in Frankfurt wieder. Ein abwechslungsreiches Wochenende gestaltet sich in Leipzig dagegen besser und vor allem günstiger, auch außerhalb der Messe. Frankfurts Messe ist am Ende doch irgendwie mehr (geistige) Arbeit als reines Vergnügen. Daher freue ich mich jetzt erstmal auf den März in Leipzig. Aber nicht nur wegen der kostenlosen Garderobe.

[Nachtrag 17.10.15: Der Samstag in Frankfurt ändert alles. Die Congress-Halle wird zur ComiCon, aber kleiner als in Leipzig. Endlich wird die Buchmesse jung und hipp. Und mit deutlich weniger pädophil anmutenden Fotografen. Einfach, weil die Messe eigentlich nicht für derarttige Subkulturen ausgerichtet ist, sie gehören jdoch irgendwie dazu. Wie in Leipzig ist es am Wochenende kaum auszuhalten. Gegenüber des taz.-Standes versperren 100 Leute den Gang, um Daniela Katzenberger beim Signieren zu begutachten, als sähen sie einen Gorilla im Zoo, der sich am Sack kratzt. Die Messe wird am Wochenende zum puren Stress. Mir wird die Leipziger Buchmesse am Werktag zum Sehnsuchtsort.]

Wer gilt als Fachbesucher Buchmesse?

Sie sind Fachbesucher*in, wenn Sie sich professionell mit Entwicklung, Herstellung, Produktion, Vertrieb, Vermittlung von gedruckten und elektronischen Medien sowie Kunst oder Antiquariat befassen oder im Bereich Bildung tätig sind.

Welche Autoren sind auf der Leipziger Buchmesse 2022?

Der israelische Schriftsteller Tomer Gardi, Sachbuch-Autorin Uljana Wolf und Übersetzerin Anne Weber bekamen den Preis der Leipziger Buchmesse 2022.

Wer kommt zur Buchmesse 2022?

Anders als in der vergangenen Woche angekündigt, wird Olena Selenska, Ehefrau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi, persönlich an der Veranstaltung BRIGITTE LIVE auf der Frankfurter Buchmesse teilnehmen.

Wie viele Besucher hat die Leipziger Buchmesse?

Besucher auf der Leipziger Buchmesse bis 2022. Im Jahr 2019 wurden rund 286.000 Besucher auf dem Messegelände in Leipzig gezählt und somit ein neuer Besucherrekord im betrachteten Zeitraum aufgestellt. In den Jahren 2020 bis 2022 musste die Leipziger Buchmesse aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden.