Stand: 12.11.2018 13:59 Uhr | Archiv
Die regelmäßige Einnahme von Medikamenten wie Ibuprofen oder Diclofenac kann das Herzinfarkt-Risiko erhöhen.
Medikamente aus der Wirkstoffgruppe der Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen oder Naproxen gehören zu den beliebtesten Schmerzmitteln. Sie sind in niedriger und mittlerer Dosis rezeptfrei erhältlich und werden vor allem bei Schmerzen und Entzündungen des Bewegungsapparates eingesetzt: Dass diese Arzneimittel auf Dauer Magenbeschwerden verursachen, ist vielen bewusst. Doch es kann noch zu vielen weiteren gefährlicheren Nebenwirkungen kommen, sogar zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenversagen.
Schmerzmittel nehmen Einfluss auf Enzyme
Der Nutzen und das Risiko der Medikamente liegen in der Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX). Es existieren zwei verschiedene Unterformen des Enzyms - die Cyclooxygenase-1 und -2. Sie haben eine zentrale Funktion in der Regulation von Entzündungsprozessen. Dabei sind sie auch für die Entstehung von Schmerzen verantwortlich. Sie beeinflussen außerdem die Blutgerinnung und sind für den Schutz der Magenschleimhaut und der Nieren zuständig. Wird das Enzym gehemmt, werden also gleich mehrere Prozesse beeinflusst.
Nicht jeder Wirkstoff erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gleichermaßen. Die Nebenwirkungen sind abhängig davon, welche Untergruppe der Cyclooxygenase gehemmt wird. Die Wirkstoffe Ibuprofen und Diclofenac hemmen sowohl die COX-1 als auch die COX-2. Daher kann die dauerhafte und hochdosierte Einnahme der Medikamente auch das Risiko von Magenblutungen und Nierenschäden erhöhen.
Warnung der europäischen Zulassungsbehörde EMA
Inzwischen warnt die europäische Zulassungsbehörde EMA bei Patienten mit Herzschwäche, koronarer Herzkrankheit, arterieller Verschlusskrankheit oder Gefäßerkrankungen im Gehirn vor dem Einsatz des Wirkstoffs Diclofenac und rät auch bei Rauchern sowie Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhten Cholesterinwerten zu erhöhter Vorsicht. Hintergrund sind unter anderem Erkenntnisse, dass NSAR eine bestehende Herzschwäche verschlechtern und die Wirkung blutdrucksenkender Medikamente beeinträchtigen können.
Große Unterschiede bei Wirkung der NSAR
Dabei gibt es zwischen den einzelnen NSAR durchaus Unterschiede, die Ärzte bei der Verordnung berücksichtigen sollten:
- So ist der Wirkstoff Naproxen besonders gefährlich für den Magen, was sich aber durch Kombination mit magenschützenden Substanzen (Protonenpumpenhemmer) nahezu aufheben lässt.
- Bei Diclofenac ist dagegen das Risiko für einen Herzinfarkt und andere Gefäßkomplikationen deutlich höher als bei Ibuprofen oder Naproxen. Laut einer dänischen Studie mit rund sechs Millionen Datensätzen birgt Diclofenac ein besonders hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Beschwerden, im schlimmsten Fall könne es zu einem tödlichen Herzinfarkt kommen. Hinzu kommen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wie ASS, dessen plättchenhemmende Wirkung zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Krankheiten durch NSAR eingeschränkt oder sogar aufgehoben werden kann.
- Wer auf beide Medikamente angewiesen ist, sollte ASS deshalb in möglichst großem zeitlichem Abstand vor dem NSAR einnehmen. Eine dauerhafte Anwendung von NSAR kann zudem Kopfschmerzen verursachen, die nicht mit NSAR behandelt werden dürfen, weil sie sich dann verschlimmern.
Diclofenac als Salbe und Tablette
Viele Schmerzmediziner und Rheumatologen wenden Diclofenac nur noch bei schweren Erkrankungen an, wenn keine alternativen Medikamente mehr zur Verfügung stehen. Auch als Salbe kann Diclofenac zu Problemen führen: Bei großflächiger und regelmäßiger Anwendung drohen ähnliche Risiken wie durch Diclofenac-Tabletten. Wer Diclofenac-Salbe jedoch nur gelegentlich bei akuten Schmerzen auf das betroffene Gelenk aufträgt, muss nicht mit Nebenwirkungen rechnen.
Anwendungsdauer und Dosierung möglichst gering halten
Experten empfehlen, die Anwendungsdauer und Dosierung von NSAR-Präparaten möglichst gering zu halten und bei erhöhtem Risiko auf andere Medikamente zurückzugreifen. Das Problem: Die schmerzlindernde Wirkung von Paracetamol ist gering, gleichzeitig besteht das Risiko von Leberschäden. Das verschreibungspflichtige Metamizol/Novaminsulfon kann eine gute Alternative bei starken Beschwerden sein, allerdings kann Metamizol in seltenen Fällen die Menge der weißen Blutkörperchen verringern.
Wenn möglich, sollten die Beschwerden vor allem mit nicht-medikamentösen Methoden wie Physiotherapie, Wärme, Kälte, Massagen oder Bewegungstraining bekämpft werden. Keinesfalls sollten Patienten wochenlang NSAR einnehmen, ohne der Ursache ihrer Schmerzen auf den Grund zu gehen und einen Arzt zu Rate zu ziehen.
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Experten zum Thema
Dr. Jan-Henrich Stork, Chefarzt
Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Krankenhaus Tabea GmbH & Co. KG im Artemed-Klinikverbund
Kösterbergstraße 32, 22587 Hamburg
(040) 866 92-0
www.tabea-fachklinik.de
Dr. Peer M. Aries, Rheumatologe
Rheumatologie
im Struenseehaus
Mörkenstrasse 47, 22767 Hamburg-Altona
(040) 77 18 50 20-0
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Dr. Matthias Janneck, Oberarzt
III. Medizinische Klinik (Nephrologie, Nierentransplantation, Rheumatologie, Endokrinologie/Diabetologie)
Zentrum für Innere Medizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52, 20246
Hamburg
www.uke.de
Dr. Marko Remmel, Oberarzt
Klinik und Poliklinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie
Universitäres Herzzentrum Hamburg GmbH (UHZ)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52, 20246
Hamburg
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Dr. Maja Falckenberg
Schmerzambulanz Alten Eichen
Hohe Weide 17B, 20259 Hamburg
(040) 54 04 060
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