Viele Männer wollen keine Beziehung mehr

Bindungsangst: Weil Generation 'Tinder' lieber Single ist. Unsere Autorin versteht Menschen mit Beziehungsängsten und fragt sich: Wo liegen die Ursachen und ab wann ist man eigentlich zusammen? 

Immerhin sind wir doch alle verbunden in unserer Angst davor, verloren zu gehen.

Maria Preuß

Bindungsangst: Er will keine Beziehung

Vier Jahre dauerte das, was wir nie Beziehung nennen wollten. Wir lernten uns im Auslandsemester kennen, ich kam aus Deutschland, er aus einem anderen Land. Wir wussten, das kann nicht für immer sein, wenn wir wieder in unsere Heimatländer zurückkehren. Beenden wollten wir es aber auch nicht. Also hatten wir alles, was das Beziehungsform-Portfolio hergibt: Fernbeziehung, offene Beziehung, monogame Beziehung, Freundschaft, Funkstille, alles im Wechsel. Nach spätestens drei Jahren war ich müde davon, nicht zu wissen, wo ich hingehöre. Er schwankte zwischen: „Ich will mein Leben mit dir teilen“ und „Ich weiß noch nicht, was ich in zwei Jahren will“. Als er sich auch nach etlichen Gesprächen nicht festlegen konnte, gab ich auf. Besser keine Beziehung als dieses Hin und Her.

Beziehung erfordert Nähe und Commitment

Das Problem war, dass ich ihn auch verstehen konnte. Ich konnte ihm keinen richtigen Vorwurf machen, denn ich wollte mich eigentlich auch nie binden. Hätten wir das, was uns verband, „Beziehung“ genannt, hätte auch ich einen belastenden Erwartungsdruck gespürt. Denn wer in einer Beziehung ist, muss auch Weihnachten zusammen verbringen. Oder zusammen zur Hochzeit des Bruders gehen. Auf jeden Fall zu zweit in den Urlaub fahren. Und sich auf keinen Fall in andere Menschen verlieben! Dabei glaube ich nicht, dass eine Liebe weniger wird, nur weil man auch Gefühle anderen gegenüber empfindet. Und mache viele Dinge gern allein, ohne Partner. Ich glaube vor allem, dass Menschen gut miteinander reden müssen. Das erfordert – auch wenn es widersprüchlich erscheint – besonders viel Commitment.

Ich bin nicht die einzige Person, die mit Anfang 30 noch nicht in einer langjährigen Beziehung angekommen ist.

Maria Preuß

Um eine Partnerschaft einzugehen bedarf es des Mutes, sich auf etwas ein- und gleichzeitig loszulassen. Ich habe das Gefühl, dass es genau an diesem Mut fehlt. Ich bin nicht die einzige Person, die mit Anfang 30 noch nicht in einer langjährigen Beziehung angekommen ist. Offenbar verbindet uns alle eine gewisse Angst. Davor, sich nur auf eine Notlösung einzulassen. Wir haben schon Beziehungen probiert, Zeit und Gefühle investiert, in etwas, das dann doch nicht geklappt hat. Wir haben geliebt, sehr sogar. Und doch sind wir jetzt allein. Was könnte uns jetzt noch garantieren, dass es das nächste Mal klappt?


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Wenn man sich trotzdem wie ein Paar verhält

Sich nicht fest auf eine Bindung einlassen zu wollen, wird oft auf originelle Art erklärt: „Wir haben zu vielen Menschen Beziehungen und lieben alle auf verschiedene Weise“ oder „Ich hab schon Lust auf eine Beziehung, aber die Gefühle haben nie ausgereicht“. Meine ist: „Ich bin so gern allein.“ Allein in Schottland wandern, auf Konzerte gehen, sogar Silvester allein feiern: Finde ich befreiend. Aber ab einem bestimmten Punkt merke auch ich, dass das Alleinsein nur in Maßen zu genießen ist. Irgendwann fehlt die Nähe. Vor einiger Zeit habe ich einen Mann kennengelernt, mit dem ich viel schöne Zeit erlebt habe. Ich hatte ein paar Mal bei ihm übernachtet, er hat mir Frühstück ans Bett gebracht, und wenn wir zusammen unterwegs waren, hielten wir Händchen. Nach ein paar Treffen sagte er, dass er sich keine Beziehung vorstellen kann. Ich habe mich trotzdem weiter mit ihm getroffen. Weil er ein respektvoller und liebevoller Mann ist und ich gern Zeit mit ihm verbringe. Irgendwann wusste ich aber nicht mehr, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Wie sehr sollte ich an seinem Leben teilhaben? Wie ehrlich konnte ich ihm von mir erzählen? Sollte ich rund um die Uhr das Bild einer unkomplizierten, gut gelaunten Bekanntschaft vermitteln?


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Auf der Suche nach dem perfekten Partner

Um zu verstehen, warum er keine feste Bindung eingehen wollte, habe ich mich gefragt, woran es bei mir lag, wenn ich mich nicht auf eine Beziehung einlassen wollte, auch wenn Gefühle der Verliebtheit da waren. Meistens daran, dass wir nicht dieselbe Zukunftsvision teilten. Ich habe eine ungefähre Idee, wie ich mal leben möchte, in einer Großstadt zum Beispiel. Wenn dann jemand eine Kleinstadtidylle zum Ziel hat, wird das langfristig nicht gut gehen. Das mag zu berechnend und zu verkopft sein, mir ist meine selbstbestimmte Lebensgestaltung aber wichtig.

Ich glaube, die Menschen, die sich nicht auf eine Beziehung festlegen wollen, haben Angst vor beidem. Sie wollen weder allein sein noch zu viele Kompromisse eingehen.

Maria Preuß

Vielleicht sind wir alle zu festgefahren in unseren Vorstellungen. Vielleicht haben wir zu viele Filme gesehen, in denen am Ende der perfect match auftaucht. Oder zu oft in Dating-Apps unsere Sucheinstellungen angepasst. Vielleicht ist uns Individualität zu wichtig. Nach dem Motto: Nur eine ernsthafte Beziehung, wenn sie nicht meiner Selbstverwirklichung im Weg steht! Aber was ist die Alternative? Den Traum vom Großstadtleben aufgeben, weil der Partner es lieber überschaubarer mag? Was wiegt schwerer: die Einsamkeit oder die Selbstverleugnung?

Keine Kompromisse für die Partnerschaft

Ich glaube, die Menschen, die sich nicht auf eine Beziehung festlegen wollen, haben Angst vor beidem. Sie wollen weder allein sein noch zu viele Kompromisse eingehen. Die Psychologin Lisa Fischbach glaubt, das dies vor allem auf Kinder aus „pädagogisch anspruchsvollen“ Familien zutrifft, die schon früh gelernt haben, dass ihre Bedürfnisse heilig sind. Ist die Ursache unserer Beziehungsangst also, dass wir alle verwöhnt sind? Sind wir so daran gewöhnt, uns ausleben zu dürfen, dass wir verlernt haben, uns anzupassen? Mir ist der Gedanke auf jeden Fall nicht fremd, dass ich mich verlieren könnte, wenn ich einen Kompromiss eingehe: Wer bin ich, wenn ich mich nicht klar positioniere? Wer bin ich, ohne meine erfüllten Bedürfnisse? Vielleicht einfach ein Teil von etwas Größerem, einer Gemeinschaft, einer Menschheit. Immerhin sind wir doch alle verbunden in unserer Angst davor, verloren zu gehen.


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Warum will keiner mehr eine feste Beziehung?

Der Grund für diese „Nicht-Beziehung“ ist so einleuchtend, wie erbärmlich: Man muss sich nicht festlegen. Denn die derzeit junge Generation leidet an „Fear Of Missing Out“ – der Angst, etwas zu verpassen. Deshalb gilt auch in Beziehungsfragen die Devise: Liebe lieber unverbindlich.

Wie viele Männer bleiben für immer Single?

Bei den über 35-jährigen gibt es sogar mehr alleinlebende Männer als Frauen. Von diesen Männern zwischen 35 und 64 waren 60 Prozent niemals mit einer Frau verheiratet – das Statistische Bundesamt spricht daher hier von „echten Junggesellen“. Insgesamt sind rund 7 Millionen deutsche Männer allein.

Wie viele Männer hatten noch nie eine Beziehung?

15 Prozent der Befragten hatten noch nie eine Beziehung, wobei es Altersunterschiede gibt. Bei den unter 30-Jährigen betrifft dies 40 Prozent. "Dass fast jeder zweite Single unter 30 Jahren noch keine Beziehungserfahrung hat, ist bemerkenswert. Es scheint, dass die Jungen sich Zeit lassen und erst später binden wollen.

Warum wollen Männer keine feste Beziehung mit mir?

Häufige Gründe, warum Männer keine Beziehung möchten: Angst vor dem emotionalen Commitment. Nicht jeder ist bereit, die emotionale Verantwortung für eine andere Person zu übernehmen – da zu sein. Er ist sich einfach nicht sicher bei dir.