Wird man multiresistente Keime wieder los

Multiresistente Keime oder Erreger (MRE) sind vor allem in Ländern mit einem sehr hohen Antibiotikaverbrauch verbreitet. Auf Reisen in den Nahen Osten, nach China, Indien oder Thailand besteht ein hohes Risiko, sich einen multiresistenten Keim zu einzuhandeln.

Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um einen ESBL-bildenden Erreger. ESBL-Bakterien ("Extended Beta-Lactamase" oder "Betalaktamase mit erweitertem Spektrum") können mit einem Enzym die Betalaktamase-Ringe einer bedeutenden Wirkstoffgruppe von Antibiotika spalten und diese unwirksam machen. Am häufigsten kommen diese Enzyme bei typischen Darmbakterien wie Escherichia coli und Klebsiellen vor.

Die Übertragungsrate von ESBL-bildenden Bakterien ist hoch. Einzelne Studien zeigen, dass zum Beispiel ein Drittel aller Deutschen, die eine Reise in Länder mit hoher Resistenzrate unternommen haben, mit einem Keim zurückkehren. Bei Reiserückkehrern aus Indien sind es sogar bis 70 Prozent.

Wie gefährlich ist eine Besiedelung mit ESBL?

ESBL-bildende Bakterien siedeln sich im Darm an. Für Gesunde ist die Besiedelung meist beschwerdefrei und ungefährlich. Nach einigen Monaten sind die Keime meist nicht mehr nachweisbar. Gefährlich wird eine Besiedelung erst, wenn der Träger erkrankt und dabei die Schutzfunktion des Körpers vom Keim überwunden wird. Haben ESBL-Träger engen Kontakt mit abwehrgeschwächten Personen, sind diese gefährdet.

Dabei besteht das Risiko, dass die resistenten Darmbakterien an andere Körperstellen gelangen, zum Beispiel in die Harnwege. Dort können die Bakterien Infektionen auslösen. Je nachdem wie unempfindlich die Keime gegenüber Antibiotika sind, wird eine Behandlung der Infektion schwierig bis unmöglich.

Wie werden ESBL-bildende Bakterien übertragen?

Die genauen Übertragungswege bei ESBL-bildenden Bakterien sind noch nicht vollständig geklärt. Zu einer Übertragung der Erreger kommt es hauptsächlich über direkten Kontakt. So können Träger die Keime über ihre Hände an andere Personen abgeben. Auch mit Darmbakterien verunreinigtes Wasser oder verunreinigte Lebensmittel kommen als Übertragungsquelle in Frage.

Eine besondere Situation besteht, wenn sich Reisende in Risikoländern in ärztliche Behandlung begeben. Die Gesundheitseinrichtungen in Südostasien weisen hohe Resistenzraten auf. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe einer ärztlichen Behandlung einen resistenten Keim zu erwerben, ist daher hoch. Weil Träger ihre Bakterien unbemerkt an andere, abwehrgeschwächte Patienten abgeben könnten, fragen Krankenhäuser in Deutschland ihre Patienten vor der Aufnahme nach vorausgegangenen ärztlichen Behandlungen in Risikoländern.

Wie kann einer Besiedelung mit ESBL vorgebeugt werden?

Wer in Ländern mit hoher Resistenzrate unterwegs ist, sollte alles tun, um Durchfall zu vermeiden. Reise-Diarrhoe ist mit einem hohen Risiko verbunden, sich einen ESBL-bildenden Keim einzuhandeln. Dazu reicht es aus, die allgemeine Empfehlung beim Umgang mit Lebensmitteln in exotischen Ländern zu beherzigen: "Koch es, schäl es oder lass es liegen".

Außerdem wichtig: Eine gute Händehygiene. Sie vermeidet, dass ESBL-bildende Bakterien aus der Umgebung auf den Händen verbleiben und durch Hand-Gesichts-Kontakt über die Schleimhäute in den Körper gelangen. 

Antibiotika retten vielen Millionen Menschen das Leben. Doch das Schwert droht abzustumpfen – immer mehr Bakterien werden resistent. Ein neues Antibiotikum aus einem Bodenbakterium könnte sich als „immun“ gegen Resistenzen erweisen.

Multiresistente Bakterien können tödlich sein. Gegen sie hilft oft keines der gängigen Antibiotika. Besonders in Krankenhäusern werden sie immer häufiger zum Problem. Sei es auf Säuglings- oder Intensivstationen oder bei ganz gewöhnlichen Routineoperationen – multiresistente Keime und ihre gefährlichen Folgen begegnen uns regelmäßig in den Schlagzeilen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt: Würden die Anstrengungen in der Antibiotikaforschung nicht verstärkt, könnte bereits 2030 eine „Postantibiotikaära“ eintreten − also ein Zeitalter, in dem uns Antibiotika nur noch bedingt oder gar nicht mehr gegen Bakterien helfen werden.

Antibiotika aus der Natur

Produziert das Antibiotikum Teixobactin: das Bodenbakterium Elefhtheria terrae.

William Fowley, Northeastern University

Aber was sollte getan werden? „Zum einen sollte der Umgang mit Antibiotika verändert werden“, sagt Professorin Dr. Tanja Schneider vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Bonn. Zu häufig würden diese Mittel derzeit eingesetzt – auch wenn es gar nicht nötig ist. Zum anderen müssen neue Wirkstoffe her, um den bereits resistenten Keimen etwas entgegensetzen zu können. Doch das ist gar nicht so einfach. Schneider erklärt warum: „Viele der angewendeten Antibiotika werden von Mikroorganismen produziert. Sie dienen den Mikroorganismen selbst als Mittel im Konkurrenzkampf gegen Artgenossen. Um diese Substanzen für uns nutzbar zu machen, müssen die produzierenden Mikroorganismen zunächst im Labor kultivierbar sein. Derzeit gelingt uns das nur mit etwa einem Prozent aller Mikroorganismen in unserer Umwelt.“ Das könnte bedeuten: Viele der natürlich produzierten Antibiotika wurden noch gar nicht entdeckt, weil die entsprechenden „Produzenten“ bislang nicht im Labor gezüchtet und untersucht werden konnten.

Neuer Wirkstoff aus Bodenbakterien

Was für die einen nur nach Schlamm aussehen mag, ist für die Forschung eine Quelle an interessanten Mikroorganismen. Mithilfe des iChip können so mögliche Produzenten neuer Antibiotika isoliert werden.

Slava Epstein, Northeastern University, Boston

Diesem Problem widmet sich jetzt ein international besetztes Forschungsteam. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte DZIF am Standort Bonn arbeitet hierbei mit zwei Partnern in den USA zusammen: der Northeastern University in Boston sowie der Firma Novobiotic Pharmaceuticals. Diese haben ein neues Verfahren namens iChip entwickelt und erfolgreich angewendet. Das Besondere: Mit dem iChip können die Forscherinnen und Forscher Mikroorganismen, die bislang nicht kultiviert werden konnten, in ihrem natürlichen Habitat – also beispielsweise im Boden – züchten. „Besonders interessant ist für uns derzeit ein Bodenbakterium namens Elefhtheria terrae. Es produziert ein neues Antibiotikum, genannt Teixobactin“, erklärt Schneider.

Das Bodenbakterium wurde von der Arbeitsgruppe um Professor Dr. Kim Lewis von einer Wiese im US-Bundesstaat Maine isoliert und kultiviert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bonn konnten nun den Wirkmechanismus des Teixobactins aufklären. Schneider erläutert: „Teixobactin greift in den Aufbau der Bakterienzellwand ein, also ihre äußere Hülle. So arbeiten viele andere Antibiotika auch. Das Besondere an Teixobactin ist aber, dass es den Aufbau der Zellwand gleich an mehreren Schlüsselstellen beeinflusst. Es erschwert so bakterielle Anpassungsstrategien. Durch diese zusätzlichen Hürden ist die Wahrscheinlichkeit also viel geringer, dass ein Bakterium resistent gegen Teixobactin wird.“

Klinische Erprobung geplant

Viele der natürlich produzierten Antibiotika wurden noch gar nicht entdeckt, weil die Mikroorganismen, die sie produzieren, bislang nicht im Labor gezüchtet und untersucht werden konnten.

Thinkstock_KatarzynaBialasiewicz

Erste Experimente bekräftigen diese Theorie bereits. „Bislang konnten in verschiedenen Versuchsansätzen keine Resistenzen gegenüber Teixobactin festgestellt werden“, betont Schneider. Das neue Antibiotikum hat bereits in Mäusen erfolgreich erste Tests durchlaufen. Doch lässt es sich auch beim Menschen einsetzen? Das werden klinische Studien zeigen müssen, die zukünftig in Angriff genommen werden sollen. „Ein Antibiotikum mit neuem Wirkmechanismus wäre jedenfalls ein Durchbruch für die Forschung und für die medizinische Versorgung“, stellt die Bonner Forscherin überzeugt fest. Hier ist jetzt der Partner aus der Pharmabranche am Zug. Währenddessen wird sich das Team um Schneider, die eine Nachwuchsforschungsgruppe am DZIF leitet, wieder neuen Wirkstoffkandidaten widmen. „Schließlich gilt es, im Wettlauf mit der Zeit nicht ins Hintertreffen zu geraten.“

Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung ist eines von sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesforschungsministerium gefördert werden. Im DZIF arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 32 Forschungseinrichtungen an sieben Standorten zusammen, um die Erforschung von Infektionserkrankungen weiter voranzubringen.

Man schätzt, dass 99 Prozent aller Mikroorganismen unserer Umwelt bislang nicht im Labor kultiviert werden konnten. Damit konnten sie auch nicht dahingehend untersucht werden, ob sie mögliche neue Antibiotika bilden. Die Isolierung und Kultivierung neuer Mikroorganismen ist daher ein wichtiger Schritt in der Antibiotikaforschung. Die iChip („isolation Chip“) Technologie setzt hier neue Impulse. iChip ist ein „Mini-Reaktor“, der aus einer großen Anzahl einzelner Isolationskammern besteht. Der iChip wird mit einem heterogenen Gemisch aus Mikroorganismen beimpft, also zum Beispiel mit einer Bodenprobe, in der viele Bakterien vorkommen. In den sehr kleinen Kammern des Chips werden dabei im Idealfall einzelne Bakterien isoliert, die sich dann vermehren. So entstehen aus dem Gemisch aus Mikroorganismen schließlich Einzelkulturen, die dann analysiert werden können. Mehr als 10.000 unterschiedliche Mikroorganismen konnten so bereits untersucht werden.

Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Tanja Schneider
Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie
Universitätsklinikum Bonn
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)
Meckenheimer Allee 168
53115 Bonn
0228 73-5688

Wie bekommt man MRSA Keim weg?

Eine MRSA-Besiedelung von Gesunden kann wieder von selbst verschwinden. Möglich ist auch eine lokale Behandlung: im Nasenvorhof und auf den besiedelten Wunden mit speziellen Salben oder auf der Haut mit Waschlotionen.

Kann man mit einem multiresistenten Keim leben?

Eine Besiedlung mit multiresistenten Keimen kann nur bei MRSA behandelt werden. Wenn durch die Keime eine Erkrankung verursacht wurde, werden zur Therapie solche Antibiotika verordnet, die bei diesen Bakterien noch wirksam sind. Leben führen!

Können multiresistente Keime verschwinden?

Das klappt in vielen Fällen beim MRSA, ist aber bei anderen multiresistenten Keimen, etwa 3-MRGN oder VRE, nicht erfolgversprechend. Hier wird man einfach zuwarten müssen, bis die Keime „von selber“ verschwinden. Das kann, je nach Keim verschieden, viele Wochen und Monate dauern.

Wie kann man multiresistente Keime bekämpfen?

Viren können im Kampf gegen multiresistente Keime helfen. Sogenannte Bakteriophagen zerstören Bakterien, wenn kein Antibiotikum mehr gegen die Keime hilft. Immer mehr Bakterien werden resistent gegen Antibiotika, die zuvor jahrelang gut gewirkt hatten.

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