Wer das liest ist doof auf griechisch

Der Premiere des Bühnendramas „Eine griechische Trilogie“ von Simon Stone am Berliner Ensemble gingen große Erwartungen voraus. Aber der Abend war schrecklich. Sehr schrecklich.

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Endlich, dachten wir, Simon Stone kommt nach Berlin, der junge australisch-schweizerische Theatergott, der, das lasen wir nach seiner „Yerma“ in London und seinem Tschechow in Basel und überhaupt immer wieder, dem Theater die Klarheit zurückgebe, den Schrecken, der das Erzählen gerettet habe.

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Stones Markenzeichen ist das „Überschreiben“ klassischer Stoffe, oft ohne einen Originalsatz, aber so, dass die DNA, das Besondere, der tragische Konflikt, das Grausen zur Kenntlichkeit herausgearbeitet wird. Jetzt also, ein Herbstabend, einem Sommerabend nicht unähnlich, Berliner Ensemble, die Aussicht auf einen kurzweiligen Abend. Das Stück heißt „Eine griechische Trilogie“, es spielen, unter vielen anderen, Martin Wuttke, Caroline Peters und Constanze Becker. Kann ja eigentlich nur gut werden.

Weil die Premiere bereits am Donnerstagabend war und ich relativ spät dran bin, Ihnen, lieber Leser, einen Eindruck dessen, was ich erlebt habe, wiederzugeben, habe ich das Glück, bereits einige andere Rezensionen gelesen zu haben und Ihnen sagen zu dürfen: Wie genau dieses Stück mit den antiken Stoffen, die zu verarbeiten es behauptet, zusammenhängt, muss man nicht verstehen. Jedenfalls bin ich nicht die Einzige, die es nicht verstanden hat. Die antiken Stoffe sind: Aristophanes’ Komödie Lysistratea, Euripides’ Tragödie „Die Troerinnen“ und, ebenfalls von Euripides, „Die Bakchen“.

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Wie an dieser Stelle weiterschreiben? Wie Ihnen von Langeweile und Enttäuschung berichten? Man muss vielleicht damit anfangen zu erklären: Es geht um Sex und Macht, um miese Männer, Karikaturen des Patriarchats, und dann irgendwie doch auch nicht ganz schuldfreie Frauen und eine genderfluide Person.

Vielleicht ist das eine erste Einsicht dieses Theaterabends: Bis vor, sagen wir, vier Jahren hätte ich Ihnen nicht sagen können, in welchem Zeitalter wir eigentlich leben, jetzt kann ich es: Wir leben in jener Phase der Geschichte, in der überall, aber wirklich überall, entweder Sex und Macht auf der Bühne (im Museum, auf der Buchmesse, im Internet, im Museum, you name it …) verhandelt wird oder das Schicksal von Flüchtlingen.

Es hat etwas Beruhigendes, dass man davon wird Bericht ablegen können, wie die eigene Zeit war. So wie die 68er ihren Kindern etwas zu erzählen haben, haben auch wir jetzt etwas zu erzählen. Sex und Macht. Sex und Macht. Sex und Macht. Das Geschlechterverhältnis. Identität. Es geht in „Eine griechische Trilogie“ um eine Art Frauen-Bio-Bauernhof, auf den die Frauen vor ihren Männern (Vergewaltiger, Schläger, teilweise auch einfach nur ein bisschen doof) geflohen sind. Hofinhaberin ist eine trauernde Frau namens Uli (die tolle Kathrin Wehlisch mit ihrer rauen, sanften, traurigen, lustigen Stimme), die um ihre Frau trauert, die sich umgebracht hat, weil die Behörden den beiden die Adoptivtöchter aus Tansania weggenommen haben.

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Jetzt sitzt Uli auf dem Bio-Hof und schießt in ihrer Einsamkeit Kaninchen, schart andere Frauen um sich, und alle zusammen versuchen sie, sich von ihren vergewaltigenden, schlagenden, teilweise einfach auch nur ein bisschen doofen Männern und Vätern zu erholen, wobei sie die teilweise auch ein bisschen vermissen, was aber nicht sein darf. Erzählt wird das Stück in drei Teilen, zuerst nur die Frauen, dann nur die Männer (ein grotesker Loser-Verein, der ein bisschen auf David-Lynch-Movie macht, aber zu uninteressant ist, um wirklich komisch zu sein), schließlich alle zusammen, das „Zusammen“ ist aber nur von relativ kurzer Dauer, denn alle müssen sterben.

Zwischendurch gibt es (das ist wirklich kunstvoll gebaut und muss, was das Erzähltechnische betrifft, ausdrücklich bewundert werden) Rückblenden. Es hat fast eher was von einem Roman, man erfährt Stück für Stück, was passiert ist, die meisten Sequenzen werden in Dialogen erzählt, die leider oft einfach nur slapstickhaft sind. Leider ist das, was passiert ist, auch völlig egal. Die Tragödie lebt bekanntlich vom Aufeinanderprallen unvereinbarer Werte, hier aber gibt es keine Werte, und sie sind auch nicht unvereinbar, sondern alle Beteiligten sind einfach nur sehr unsympathisch, und am Ende werden alle umgebracht. Und man hat gar keine Lust mehr, die (durchaus vorhandenen) Bedeutungsebenen aus dem Ganzen herauszuklamüsern, weder historisch noch in Bezug auf den Gegenwartsdiskurs um die MeToo-Bewegung, dessen Aporien hier wohl dargestellt werden sollen.

Als am Ende Simon Stone auf die Bühne tritt und sich mit wehenden Haaren verbeugt, hat man auf einmal Aggressionen gegen ihn als Vertreter des Theater-Patriarchats, obwohl er eigentlich das Gegenteil bewirken will mit seinem vorbildlich den Zeitgeist durchwühlenden Stück. Aber kann er ja nix für, dass er ein Mann ist.

„Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“

Im August 1928 wird im Berliner Schiffbauerdamm Bertold Brechts (Lars Eidinger) „Dreigroschenoper“ uraufgeführt. Das Stück wird ein Erfolg, was den Urheber dazu veranlasst, sein Werk für eine Filmadaption vorzubereiten.

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