Was passiert wenn man antidepressiva plötzlich absetzt

Nach erfolgreicher Behandlung einer Depression mit Antidepressiva kann man das Medikament wieder absetzen. Dies sollte langsam und unter ärztlicher Anleitung erfolgen, um Beschwerden zu verhindern.

Antidepressiva zählen bei Depressionen zur Standardtherapie. Auch bei anderen psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Angsterkrankungen, aber auch bei chronischen Schmerzerkrankungen können diese Medikamente sehr hilfreich sein.

Wurde eine Depression erfolgreich behandelt, sollte man gemeinsam mit dem behandelnden Arzt abwägen, ob der Zeitpunkt gekommen ist, das Medikament wieder abzusetzen. Denn grundsätzlich soll man keine Medikamente länger wie nötig einnehmen. Das gilt auch bei einer Depression. Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, kann nur individuell bestimmt werden. Wichtig ist, dass es dem Patienten psychosozial gut geht und er sich in einer stabilen Lebenssituation befindet.

Ende der Einnahme individuell festlegen

In der Regel sollte man nach einer Einnahmedauer von sechs Monaten prüfen, wie es dem Patienten geht und ob er das Gefühl hat, dass er die Antidepressiva noch braucht. „Vorher sollte man keinesfalls absetzen, da das Medikament langfristig wirkt und es keinen Sinn macht, die Einnahme sofort zu beenden, sobald es einem besser geht. Die Beschwerden der Depressionen können zwar bereits nach ein paar Wochen besser werden, das heißt aber nicht, dass die Depression geheilt ist, sondern nur, dass das Medikament gut wirkt“, sagt Primar Dr. Kurosch Yazdi, Leiter der Suchtabteilung der Kepler-Universitätsklinik in Linz.

Wenn jemand bisher nur eine einzige depressive Phase in seinem Leben hatte, dann sind sechs Monate Einnahmezeit in der Regel ausreichend. „Wenn jemand dagegen schon mehrmals schwere Depressionen hatte und sich eine deutliche Anlage zeigt, dass die Depressionen immer wiederkehren, dann kann es auch sinnvoll das sein, das gut wirkende Antidepressivum auch ein oder mehrere Jahre lang einzusetzen oder auch es gar nicht mehr abzusetzen, es also ein Leben lang zu nehmen, sofern Nebenwirkungen nicht bemerkbar oder belastend sind“, sagt Yazdi.

Langsam absetzen

Antidepressiva darf man nicht abrupt absetzen! Man sollte sie langsam „ausschleichen“, das heißt, die Dosis schrittweise reduzieren. Dann fällt es dem Gehirn leichter, ein neues chemisches Gleichgewicht zu finden. Unter ärztlicher Anleitung (Hausarzt oder Facharzt für Psychiatrie) besteht kaum die Gefahr eines zu schnellen Absetzens, da die meisten Ärzte im Wissen, dass manche Patienten empfindlich auf das Absetzen reagieren, die Dosis sehr vorsichtig reduzieren.

Kontinuierliche Verringerung der Dosis

Je höher das Antidepressivum dosiert war und je länger man es eingenommen hat, desto langsamer soll man es absetzen. Bei nur geringer Dosis und Dauer kann ein einziger Zwischenschritt ausreichen, das Absetzen dauert dann nur drei bis fünf Wochen. Bei hoher Dosis und langer Einnahmezeit dauert der Absetzvorgang mehrere Monate. Man reduziert dabei schrittweise die Dosis, wobei jeder Schritt im Abstand von mehreren Wochen geschieht. Nach jeder Reduktion kontrolliert man, wie es dem Patienten geht. Ist alles in Ordnung, wird weiter reduziert, so lange bis man das Medikament völlig weglässt.

Für die Zeit des Absetzens sind keine besonderen Maßnahmen, wie z.B. viel Ruhe oder gar Urlaub, nötig. Man soll ganz normal leben, damit man sieht, ob das Absetzen im Alltag Probleme bereitet oder nicht. „Absetzen ist kein gefährlicher Vorgang, wenn man es unter ärztlicher Anleitung und in langsamem Tempo macht“, beruhigt der Psychiater.

Chronische Schmerzen

Der beschriebene Absetzvorgang gilt auch für Patienten, die ein Antidepressivum aufgrund chronischer Schmerzen (vor allem bei neuropathischen und somatoformen Schmerzen oder Fibromyalgie) nehmen. Auch hier gilt: Niemals abrupt absetzen, sondern vorsichtig ausschleichen! Wie lang man das Medikament einnehmen soll, richtet sich danach, inwieweit die Schmerzen reduziert wurden und ob man sich psychisch stabil fühlt. Zeigt sich im Zuge des Ausschleichens, dass die Schmerzen wieder zunehmen, sollte man die Dosis wieder auf das ursprüngliche Niveau erhöhen. In schweren Fällen kann auch eine lebenslange Einnahme sinnvoll sein.

Menschen mit chronischen Schmerzen haben oft auch psychische Probleme, diese können bereits vor den Schmerzen bestanden haben oder erst durch diese verursacht worden sein. Häufig hilft auch eine begleitende Psychotherapie, die Probleme wieder in Griff zu bekommen und so ein Absetzen der Medikamente zu ermöglichen.

Absetzphänome

In seltenen Fällen kann es sein, dass ein Absetzen der Medikamente unerwünschte Wirkungen mit sich bringt. Es handelt sich dabei vor allem um Nervosität, Anspannung, Unruhe, Schlafstörungen und Übelkeit. Der Grund dafür: Der Gehirnstoffwechsel ist nach dem Absetzen der Medikamente aus dem Gleichgewicht gebracht. Vor allem vermindert sich die Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt, also zwischen zwei Nervenzellen.

Dies wirkt sich nicht nur auf die Stimmungslage, sondern auch auf den Schlaf, auf das Herz-Kreislauf-System und auf Magen-Darm-Trakt aus. Schlafstörungen zum Beispiel können entstehen, weil Serotonin gemeinsam mit anderen Botenstoffen den Schlaf reguliert. Serotonin wirkt auch auf den Magen-Darm-Trakt, weil es sehr viele Serotonin-Rezeptoren in der Darmschleimhaut gibt. Wenn man das Antidepressivum absetzt und somit die Verfügbarkeit des Botenstoffes verringert, dann kann das zu Durchfall oder Verstopfung führen. Diese Störungen dauern an, bis ein neues neurochemisches Gleichgewicht hergestellt ist. „In den meisten Fällen gib es keinerlei Beschwerden. Treten solche aber auf, sind sie meist mild ausgeprägt und verschwinden nach ein bis zwei Wochen wieder“, sagt Yazdi. Auftretende Beschwerden sind keine Entzugserscheinungen, da Antidepressiva nicht süchtig machen (wie Alkohol und Drogen), sondern eine Frage des biochemischen Gleichgewichtes.

Probleme beim Absetzen von Rückfall unterscheiden

Ein möglicher Rückfall in die Depression ist nach dem Absetzen möglich. Von einem Rückfall kann man aber erst sprechen, wenn nach dem Absetzen des Medikaments einige Wochen vergangen sind, da das Medikament noch wochenlang nachwirkt.

Ein Rückfall sollte nicht mit einem Absetzphänomen verwechselt werden. Unterscheidungskriterien sind: Während beim Absetzphänomen die möglichen Beschwerden meist mild sind, sind sie beim Rückfall massiv und der Patient hat einen starken Leidensdruck. Treten die Beschwerden erst drei Wochen nach dem vollzogenen Absetzen oder noch später auf, handelt es sich um einen Rückfall.

Hat ein Patient erfolgreich das Medikament abgesetzt und kehrt die Depression zu einem späteren Zeitpunkt zurück (z.B. weil sich die Lebenssituation verschlechtert, Stress und Probleme zurückehren), kann es sein, dass die neuerliche Gabe von Antidepressiva nötig wird. „Das ist kein Problem, selbst wenn man bereits ein- oder mehrmals erfolgreich abgesetzt hat, kann man später bei Bedarf wieder die Medikamente wieder einnehmen“, sagt Yazdi.

Dr. Thomas Hartl

Dezember 2015

Foto: shutterstock

‌ Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020

Was kann passieren wenn man Antidepressiva einfach absetzt?

Wenn Patienten dann auf ihre Antidepressiva verzichten wollen, können sehr unangenehme Begleiterscheinungen auftreten. Dazu gehören etwa Gleichgewichtsstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Herzklopfen oder Muskelzuckungen. Die Beschwerden können unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

Welche Symptome bei Absetzen von Antidepressiva?

Was ist das Antidepressiva-Absetzsyndrom?.
Schwindel/ Benommenheit..
Gleichgewichtsstörungen..
Abgeschlagenheit..
Kopfschmerzen..
Übelkeit, Erbrechen..
Schlaflosigkeit..
Reizbarkeit..

Sind Absetzsymptome gefährlich?

Die Stärke von Absetzerscheinungen reicht von objektiv nicht feststellbar bis lebensgefährlich. Sie treten in Form von nachgelagerten, verstärkten Nebenwirkungen der eingenommenen Substanzen oder als ganz neue Symptome auf.

Ist es schlimm wenn man Antidepressiva einmal vergisst?

Wenn Sie einmal eine Einnahme vergessen haben, und Sie dies bemerken, bevor Sie zu Bett gehen, nehmen Sie die Dosis sofort ein. Führen Sie am nächsten Tag die Einnahme wie gewohnt fort.

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