Kind will immer das gleiche anziehen

In diesem Artikel stellt ich die These auf, dass Kinder deswegen oft “Theater” ums Anziehen machen, weil sie lieber bei uns sein wollen als in den Kindergarten zu gehen. Ja, vermutlich eine ketzerische These. Aber von vorn und der Reihe nach:

“Ich zieh das nicht an!!!!!!!”

Es fing ganz harmlos an – das Kind wollte sein neues Prinzessinnen-Kleid anziehen und nicht das schöne Pony-Kleid, das ich für es ausgesucht hatte. Normalerweise kriegt sich das Kind beim Anziehen nach einiger Zeit von selbst wieder ein, wenn’s mal hakt, aber vorgestern ging gar nix. Ich habe nun schon ein paar Jahre Erfahrung bei der Situation “Kind will sich nicht anziehen” und versuchte, die Situation nicht aufzubauschen und dem Kind erstmal sein Frühstück zu verabreichen, denn bei uns hilft oft ganz banal Essen. Aber als das Kind sich nach dem Frühstück immer noch weigerte, und ich meinen Wunsch dann noch einmal klar formulierte, wurde es wütend. Das Kind fing an, laut zu schreien – und wenn dieses Kind schreit, dann wird es wirklich laut. OK, dachte ich, probieren wir es erstmal mit den Stiefeln (das klappt auch manchmal). Sie liebt ihre Stiefel; aber gestern offensichtlich nicht. Voller Wut schleuderte sie beide Stiefel durch den Flur. Als ich auf das Kind zuging, trat es um sich und schrie mich an: “Bleib weg! Bleib weeeg!”

Hinter “Bocken” und “Trotzanfällen” stecken unerfüllte kindliche Bedürfnisse

Ich weiß, seitdem ich Blogs wie Elternmorphose, Unerzogen leben oder Liebevolle Familie lese, dass es bei dem, was wir landläufig als “Zicken”, “Bocken” oder “Trotzanfall” bezeichnen, um etwas anderes, tiefer Liegendes geht als um das, wogegen das Kind sich dem Anschein nach wehrt. Hinter kindlicher Weigerung oder Nicht-Einsicht in das von uns Verlangte steht ein unerfülltes Bedürfnis, das das Kind im Moment nicht anders artikulieren kann als durch Wut und Geschrei. Es ist ein Alarmsignal an uns Eltern: unser Kind braucht uns jetzt besonders dringend! Es braucht unsere Liebe, unsere Aufmerksamkeit, unsere Nähe, unser Verständnis. Deswegen bringen Diskutieren, Reden, Beschwichtigen, Ablenken, gar Schimpfen überhaupt nichts. Im Gegenteil: jeder Versuch, das Kind verbal zu überzeugen oder auf es einzureden, führt zu größerer Wut, ganz bestimmt aber nicht zur Einsicht und braven Ausführung des elterlich als notwendig Erachteten.

Meine Strategien: Ruhe, Trost, Zuwendung, Zeit

Weil mir klar geworden ist, was bei diesen Szenen wirklich dahinter steckt, habe ich für mich Strategien entwickelt, um das Anzieh-Problem würdig für alle Beteiligten zu lösen. Ja, würdig ist das Stichwort. Ein Kind mit Festhalten in seine Klamotten zu zwingen ist nicht nur unwürdig für das Kind, sondern hinterlässt bei allen Beteiligten nur Grauen und Ohnmacht. Ich mache folgendes: ich höre dem Kind zu, bleibe da, bleibe leise, sage möglichst wenig (ou, das fällt mir schwer!), und versuche, Nähe zum Kind herzustellen. Mein einziges Ziel ist es, dass das Kind sich anfassen, hochnehmen und auf den Schoß setzen lässt, so dass ich es durch Wiegen und Umarmen beruhigen und trösten kann. Das dauert manchmal seine Zeit. Manchmal summe ich eine kleine Melodie, die oft zunächst vom Wutgeschrei des Kindes übertönt wird. Manchmal sage ich leise “Ja, Du bist wütend, das ist OK,”  oder “Ich sehe, Du bist verzweifelt. Das darfst Du sein.” Das sind eher Beruhigungs-Mantren für mich selbst, denn es fällt mir manchmal gar nicht leicht, ruhig und gefasst zu bleiben, und das ist letztlich das A und O.

Selbst-Affirmation

Manchmal reichen meine Ruhe und Präsenz aus – das Kind beruhigt sich und macht ganz von sich aus, was ich mir von ihm gewünscht habe. Manchmal frage ich auch: “Wie kann ich Dir helfen? Was möchtest Du?”, aber darauf reagiert mein Vierjähriges noch nicht. Ich denke, es versteht noch nicht, was ich damit meine. Aber es fühlt dadurch, dass ich bei ihm und ihm zugewandt bin, dass ich spüre, dass es verzweifelt ist, dass ich es nicht ablehne, sondern dass ich es unterstütze. Insofern dienen diese Sätze eher der Affirmation meiner eigenen Haltung (ich übe noch, denn auch in mir stecken ganz andere spontane Reaktionsweisen als die, die ich gern anwenden möchte).

Früher aufstehen

Was sich bei uns als äußerst hilfreich erwiesen hat: Wir stehen früher auf, damit wir im Zweifelsfall Zeit haben, solche Situationen ohne Zeitdruck zu durchstehen. Denn Zeitdruck ist Gift, pures Gift. Wir planen extra zwanzig Minuten für Eventualitäten dieser Art ein. Die kann man an Tagen, wo alles mit dem Anziehen glatt geht, auch mit Vorlesen und Kuscheln verbringen. Das ist eine Wohltat und eine Portion Nähe und Geborgenheit für alle, bevor der durchgetaktete Tag beginnt.

Meine These: Das Kind will lieber bei uns sein.

So, und jetzt zu meiner These. Ich bin mittlerweile sicher, dass das Anzieh-Problem, das so viele Eltern mit ihren Kindern durchmachen, nur aus einer Quelle stammt: Die Kinder wollen nicht in den Kindergarten gehen, sondern wollen lieber bei uns bleiben. Ja genau – das wollen wir gar nicht hören und wissen. Wir wollen ja schließlich, dass unser Kind gern in den Kindergarten geht (oder raus oder zum Besuch zu Tante Iris). Es ist doch auch so ein schöner Ort, den wir mit Mühe und vielen Zweifeln im Herzen ausgesucht haben. Und die Eingewöhnung ist doch ganz gut gelaufen, und die ErzieherInnen sind nett… Und es geht ja auch nicht anders, weil wir arbeiten müssen! Es führt ja auch kein Weg dran vorbei, Herrgott nochmal!

Ihr glaubt meine These nicht? Tja. Ich auch lange nicht, oder ich habe die Ahnung erfolgreich verdrängt. Aber beim zweiten Kind habe ich manchmal das Glück, direkt serviert zu bekommen, was Sache ist, sobald das Kind sich beruhigt hat. Vorgestern war so ein Tag. Als es mir nach langen zwanzig Minuten endlich gelungen war, das Kind auf meinen Schoß zu ziehen, weinte es plötzlich ganz bitterlich los (nicht mehr wütend wie vorher), schmiegte sich an mich und stieß unter Tränen hervor:

“Mama… ich will nicht in den blöden Kindergarten… ich hasse es, allein im Kindergarten zu sein… ich sehne mich den ganzen Tag nach Dir, ich bin da so einsam, und ich hasse das… ich will das nicht, den ganzen Tag einsam sein…”

Es brach mir das Herz. Meine Gefühle schwankten zwischen tiefstem Mitleiden, größter Zärtlichkeit, aber auch Dankbarkeit und Stolz. Dankbarkeit dafür, dass meine Zuwendung und Nähe bewirkt, dass mein Kind sich mir offenbart und mir vertraut, und Stolz, dass mein gerade Vierjähriges seine Gefühle so gut wahrnehmen und ausdrücken kann.

Aber das ändert leider alles nichts an der Tatsache, dass mein Kind sich nach mir sehnt, wenn es im Kindergarten ist. Alles ist gut in unserem Kindergarten, er ist der beste von Welt. Unser Kind spielt dort fröhlich, oft holen wir es als Mittagskind ab, und die Erzieherinnen sind die liebevollsten, die man sich denken kann. Das weiß ich ganz sicher.
Und trotzdem will mein Kind lieber bei mir sein.

Ich will hier jetzt kein Fass aufmachen à la “frühe Fremdbetreuung – ja oder nein”. Ich stehe voll hinter unserem Entschluss, die Kinder zur Tagesmutter und in den Kindergarten gehen zu lassen, einfach weil bei uns die Umstände eben entsprechend sind (unter anderem liebe ich meine Arbeit sehr und genieße meine kostbare kinderlose Zeit über alle Maßen). Aber ich will auch nicht die Augen verschließen vor dem Fakt, dass mein Kind ganz sicher lieber bei mir wäre als im Kindergarten. Und das jeden Tag.

(Mir ist auch bewusst, dass das Thema “Anziehen” noch andere Aspekte hat als die hier genannten, z.B. Hypersensibilität bei bestimmten Stoffen oder Kleiderformen, danke Ruth, für den Hinweis — kenne ich selbst nur allzu gut vom größeren Kind, aber ich will mich hier mal auf den einen Aspekt beschränken, weil er wahrscheinlich vielen Leuten gar nicht in den Sinn kommt.

Mein Appell:

Machen wir uns bitte nichts vor, und vor allem: Verurteilen wir keinesfalls die Mütter, die ihre Kinder zu Hause behalten (solange sie sie nicht vernachlässigen oder den ganzen Tag vor der Glotze parken). Und wenn das Kind sich mal wieder nicht anziehen will, oder wenn es wegen einer Kleinigkeit “bockt”, wütet und schreit, sehen wir darin bitte das, was es ist: Eine Liebeserklärung an uns, und eine direkte Aufforderung an uns, dem Kind Nähe, Zuwendung und unser Herz zu schenken.

Sollten Kinder selbst entscheiden was sie anziehen?

(2) Alle Kinder haben das Recht, selbst zu entscheiden, was sie drinnen und draußen anziehen wollen. Ohne warme Kleidung hinaus? Gerade die Rechte der Kinder, Entscheidungen, die das eigene Leben betreffen, selbstständig zu fällen, werden aber immer wieder heiß diskutiert.

Wann sollte sich ein Kind selber anziehen können?

Etwa ab dem 2. Lebensjahr lernen die meisten Kinder, sich bestimmte Kleidungsstücke anzuziehen. Manche ziehen sich mit etwa 30 Monaten komplett an, bei anderen dauert es bis ins 4. Lebensjahr, bis sie allein in Socken, Pullover und Schuhe schlüpfen.

Sollen die Eltern bestimmen was ihre Kinder tragen sollen?

Wie lange sollen Eltern bestimmen, was Kinder anziehen? "Unsere Kinder sind grundsätzlich sehr kompetent, vor allem was ihren eigenen Körper betrifft", erklärt Erziehungsexpertin und Buchautorin Danielle Graf. Man könne Kinder deshalb ohne weiteres mitentscheiden lassen, sobald sie das wollen.

Was tun wenn sich das Kind nicht anziehen will?

Dein Kind lässt sich nicht anziehen?.
Sorge für Regelmäßigkeit. ... .
Auch wenn es schwerfällt: Steht etwas früher auf. ... .
Vermeide Hektik. ... .
Versuche, ruhig zu bleiben. ... .
Lass dein Kind seine Sachen selbst aussuchen. ... .
Legt die Kleidung schon am Abend vorher raus. ... .
Nutze Ich-Botschaften..

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